Zeitungs-AG mit Sarah

von Sonja Marquardt

 

Siehe auch andere Projekte mit Sarah:
Schmetterlings-AG
Berg-AG
Wörter-AG

Zum Auftakt ein Interview mit Sarah

Sarah ist jetzt 5;10 Jahre alt und freut sich sehr auf die Schule. Ich habe mich mit ihr zu einem Gespräch verabredet. Wir ziehen uns in eine gemütliche Ecke zurück, wo ich mit ihr ein Interview führe.

Hier ein paar Auszüge:

Auf die Frage:
Was gefällt dir in deiner Bibergruppe am Besten/ was gefällt dir gar nicht?
sagt Sarah, sie habe Spaß und spiele gerne draußen, außer bei Regen.

Mit wem spielst du am liebsten?
Sarah nennt drei Freundinnen und berichtet mir auch intensiv von ihnen.

Gefragt, wer für sie da ist, wer sie mag, ihr zuhört,
nennt sie Anne. Sie erzählt auch, dass die Jungs sie immer ärgerten.

Auf die Frage, für wen bist du da?
erwähnt sie wieder Anne.

Wenn du der „Boss“ oder „Bestimmer“ im Kindergarten wärst, was würdest du gerne tun?
Sie würde dafür sorgen, dass alle ungestört spielen dürfen, sagt Sarah. Ich frage, ob sie oft gestört wird. Darauf sagt sie erneut, sie werde immer von den Jungs gestört.

kurz gefasst…

Sarah (5;10) ist kognitiv und insbesondere sprachlich sehr weit entwickelt. Zusammen mit drei sechsjährigen Kindern befasst sie sich damit, wie eine Zeitung gemacht wird und wie Zeitungen historisch überhaupt entstanden sind.

Theoretisch und praktisch, denn es wird auch eine eigene Zeitung erstellt. Die Autorin beschreibt, wie engagiert, freudig und konzentriert die Fünfjährige mitarbeitet.

Was habe ich erfahren?

Ich interpretiere das Gespräch so, dass sich Sarah im Vergleich zum letzten Interview in ihrer Kindergartengruppe viel wohler fühlt und sogar drei Freundinnen nennen kann. Sie fühlt sich besser angenommen und verstanden.

Auch die Gruppenerzieherinnen berichten, dass sich Sarah besonders im Sozialverhalten positiv entwickelt hat. Ihre Frustrationstoleranz ist stärker geworden: Sie kann Kreise in der Gruppe gut aushalten, auch wenn ihr ein Spiel oder Lied mal nicht gefällt.
Sie spielt nicht nur mit einem Kind, sondern kann verschiedene und auch mehrere Spielpartner gleichzeitig akzeptieren. Sie kann eine Führungsposition annehmen, aber auch abgeben.

Ich freue mich über Sarahs ausgeglichene und zufriedene Ausgangssituation. Ich kann mir vorstellen, dass die verschiedenen Arbeitsgemeinschaften und auch der gute Austausch zwischen den Erzieherinnen und Sarahs Eltern, einen Anteil daran gehabt haben.

Wo steht Sarah?

Sarah ist in allen Entwicklungsbereichen sehr weit. Besonders im Sprachlichen ist sie überdurchschnittlich entwickelt. Auch ihr Interesse für Naturwissenschaften hat sich weiter gesteigert. Sie organisiert gerne, wenn es etwa um Rollenspiele oder Baupläne für ein Wald-Tipi geht. Sie nutzt weiterhin ihre intellektuelle Überlegenheit gegenüber anderen Kindern und lenkt sie zu ihrem eigenen Nutzen.

Gruppensituation

Das neue Kindergartenjahr hat begonnen. In der Bibergruppe sind nur wenige neue Kinder hinzugekommen. Dennoch ist die Gruppe aktuell etwas unruhig, was aber an der Umstellung nach den Ferien liegen kann. In den früheren Projekten (siehe oben) habe ich in Bezug auf Sarah immer auf ältere Kinder zurückgegriffen und sie in die Arbeitsgemeinschaft einbezogen. Nun gehört sie selbst zu den Älteren und es gibt kein Kind, das intellektuell mit ihr auf gleicher Höhe ist. Ich hoffe, dies wird nicht zum Problem.

Projektplanung gemeinsam mit Sarah

Nach dem Interview setze ich mich mit Sarah noch einmal zusammen und spreche über meine Idee einer Zeitungs-AG. Sie findet diese Idee gut und ist sehr motiviert. Ich habe schon oft beobachtet, dass Sarah ein starkes Interesse an Zeitungen und Nachrichten zeigt. Sie beschäftigt sich mit aktuellen Geschehnissen in der Welt und bringt sogar oft ausgeschnittene Artikel in den Kindergarten mit. Ich weiß, dass sie in der Familie morgens auch zusammen Zeitung lesen.

Gemeinsam überlegen wir, was wir in unserem Projekt machen wollen.

Sarahs Ideen:
– Die neuesten Nachrichten erfahren.
– Stimmt alles, was in der Zeitung steht?
– Woher kommt die Zeitung?
– Warum gibt es Nachrichten?
– Wir machen eine eigene Zeitung!

Meine Ideen:
– Die Geschichte der Zeitung erfahren. Seit wann gibt es Zeitungen usw.
– Wer arbeitet bei einer Zeitung?
– Was geschieht alles, bis eine Nachricht in der Zeitung auf dem Frühstückstisch landet?

Im Verlauf des Projekts können natürlich auch die weiteren Gruppenmitglieder ihre Ideen einbringen.

Sarah erkläre ich, dass wir vielleicht nicht alles schaffen. So kann ich mir vorstellen, dass die Gestaltung einer eigenen Zeitung nicht mehr in den zeitlichen Rahmen passt. Wir haben in unserem Kindergarten bereits eine eigene Zeitung und ich kann mir vorstellen, dies irgendwie für das Projekt zu nutzen.

Wer macht mit?

Ich habe mich wieder für eine kleine Gruppe entschieden. So wird intensives Arbeiten möglich und die AG wird allen Mitgliedern gerecht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Arbeit in einer Kleingruppe mit Sarah sehr intensiv und erfolgreich sein kann. Außerdem möchte ich Sarahs Beziehung zu den Kindern festigen. Dies kann ich besser in einer kleinen Gruppe lenken und beobachten.

Ich möchte, dass Sarah eine ihrer Freundinnen mit einbezieht, diese Freundschaft will ich stärken. Im Vorfeld habe ich mich mit einer Gruppenerzieherin ausgetauscht, um für Sarah eine gute Arbeitsgemeinschaft auswählen zu können. Wir haben uns für Ina entschieden.

Sarah hat sich dann noch Sören gewünscht. Ich durfte mir nun auch ein Kind wünschen und habe John ausgewählt.

Sarah gehört nun auch zu den Vorschulkindern und ich kann nicht mehr auf Ältere zurückgreifen. Ich habe deswegen auf diese Kriterien geachtet: Wissensstand, gemeinsame Interessen, Gruppenharmonie und die Möglichkeit sich gegenseitig zu motivieren.

Diesmal handelt es sich um Kinder, die noch nie bei einem der Projekte mit Sarah zusammen dabei waren. Es wird also spannend!

Ina
ist eine der drei Freundinnen, die Sarah genannt hat. Sie ist 5;6 Jahre alt und gehört zur Vorschulgruppe. Sie ist ein sehr ruhiges, introvertiertes Kind. Im Kreis macht sie Spiele mit, aber sie meldet sich selten von alleine. Bezieht man sie jedoch bewusst mit ein, hat sie gute Ideen.

Ihr Grundwissen ist für ihr Alter sehr ausgewogen und vielfältig. Sie ist in allen Bereichen altersgemäß entwickelt. Sie sollte aber in Richtung mehr Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl und Durchsetzungsfähigkeit gestärkt werden. Sie kann gut Streit schlichten, hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, ist sehr höflich und hilfsbereit.

Sören
ist 5;8 Jahre alt und gehört zu den Vorschulkindern. Er ist in allen Entwicklungsbereichen sehr weit, zeigt großes Interesse an Zahlen und am Experimentieren. Er nimmt gerne an AGs teil und beherrscht die deutsche Grammatik sehr gut. Dies nutzt er, indem er viel in Kreisen berichtet oder Geschichten erfindet und gerne kommuniziert. Er ist in der Gruppe sehr beliebt und hat einen großen Freundeskreis, der sowohl aus Mädchen als auch aus Jungen besteht.

John
ist 6;0 Jahre alt und gehört auch zu den Vorschulkindern. Er sollte bereits im vorigen Jahr als Kann-Kind eingeschult werden. Erzieherinnen und Eltern sind nach intensiven Beobachtungen und Gesprächen aber zu dem Entschluss gekommen, ihn noch ein Jahr im Kindergarten zu lassen.
John hat in einigen Entwicklungsbereichen noch Schwierigkeiten – so in der Feinmotorik: Er kann nur mit großer Anstrengung gerade mit der Schere schneiden und auch seine Stifthaltung ist noch sehr verkrampft.

AGs umgeht er gerne und geht neuen Aufgaben gerne aus dem Weg. Bei Unsicherheit verfällt er in eine sehr hohe und alberne Tonlage. Er spielt meistens alleine und zieht sich aus der Kindergartengruppe zurück. Ich habe mir John ausgesucht, weil er noch nie in einer so kleinen AG gearbeitet hat und ich von ihm weiß, dass er Interesse an aktuellen Nachrichten hat.

Einbindung der Eltern

Die Eltern der AG-Teilnehmer werden über das Zeitungsprojekt informiert. Ich versuche, sie auf dem Laufenden zu halten und sie möglichst einzubeziehen. Im Schaukasten und an der Infowand des Kindergartens sowie in der Kindergartenzeitung wird das Projekt vorgestellt. Je nach Ablauf des Projektes soll es in geeigneter Weise auch nach außen sichtbar werden.

Ziele des Projektes

Die Kinder sollen am Ende wissen:
– Wie entsteht eine Zeitung?
– Seit wann gibt es die Zeitung?
– Was steht in einer Zeitung?

– Sie kennen aktuelle Nachrichten und denken darüber nach.
– Sie erfahren, wie es ist, über aktuelle Artikel in der Kleingruppe zu diskutieren.
– Sie entwickeln in der Kleingruppe Gemeinschaftssinn und stärken ihr Selbstwertgefühl.

Die Zeitungs-AG startet

Am ersten Tag stellen Sarah und ich zunächst unsere Ideen zum Projekt vor und geben den anderen Mitgliedern die Möglichkeit, ihre Ideen einfließen zu lassen. Ina schlägt vor zu fotografieren, weil es in der Zeitung auch Bilder gibt. Sören wünscht sich – wie zuvor schon Sarah – mal eine eigene Zeitung zu machen. Ich könnte mir vorstellen, doch eine kleine Zeitung zu gestalten.

Heute lernen die Kinder eine Zeitung kennen. Ich habe die aktuelle Tageszeitung der Region („Die Harke“) mitgebracht und verschiedenfarbige Plakate bereitgelegt, um ausgeschnittene Artikel nach den folgenden Kategorien zu sortieren:

    • Nachrichten für die Welt,
    • Nachrichten für unseren Ort (Regionales),
    • politische Nachrichten,
    • Sportnachrichten und
    • Anzeigen.

Jede Plakatfarbe wird einem „Ressort“ zugeordnet.

Das Heraussuchen und Sortieren der Meldungen und Artikel macht den Kindern viel Spaß. Sarah will unbedingt den Bereich der Nachrichten aus aller Welt untersuchen, Sören entscheidet sich für den Sport, John für den Lokalteil und Ina für die Anzeigen.

Das Betrachten der Tageszeitung mit der Gruppe ist sehr interessant. Das dominierende Thema ist, dass in einer Klinik Säuglinge erkrankt sind, weil sie schlechte Nahrung erhalten haben. Die Kinder sind darüber sehr betrübt und machen sich weiterführende Gedanken: „Ob sie wieder gesund werden?“ oder „Wie geht es den Eltern?“ und auch „Wer könnte Schuld haben?“.

Besonderes Interesse der Kinder findet auch ein Interview mit Angela Merkel. Die Gruppe verfügt über Vorwissen im Bereich der Politik, da aktuell auch in der Kindergartengruppe darüber gesprochen wurde.

Mit meiner Unterstützung bearbeiten die Kinder ihre Bereiche selbstständig und schneiden Beiträge aus. Die übrigen Bereiche erarbeiten wir uns gemeinsam.
Bei der Abschlussbetrachtung sind alle stolz auf ihre Arbeit. Sie fragen, ob sie ihren jeweiligen Bereich mit nach Hause nehmen können. Wir einigen uns, dass sie dies nach Beendigung des Projektes machen können.

Was habe ich erreicht?

Ich bin mit dem ersten Projekttag zufrieden. Ich hätte nicht gedacht, dass die Kinder ihre Aufgabe als so wichtig ansehen und auch ihr Ergebnis so schätzen.

Auch John kann folgen und zeigt großes Interesse. Sarah ist weiterhin stark motiviert. Die Kinder freuen sich schon auf das nächste Treffen.
Sarah macht mich am Ende noch mal darauf aufmerksam, dass wir eine Zeitung entwerfen wollen.

Zweite Projekteinheit: Wie eine Zeitung entsteht / Wie es früher war

Heute befassen wir uns intensiv mit dem Weg einer Tageszeitung vom Reporter bis zu uns auf den Küchentisch. Dazu leite ich eine Gesprächsrunde und ermutige die Kinder, ihre Ideen beizutragen.

Ina und Sarah machen aktiv mit. John hält sich im Hintergrund. Ich vermute, dass ihm das Vorwissen fehlt. Ich habe aber den Eindruck, dass er sich nicht unwohl fühlt, er hört gut zu.

Mit Hilfe von Karten, Bildern und Stichwörtern erkläre ich kindgerecht die Entstehung der Zeitung:

– Wir schauen uns das Berufsfeld eines Journalisten an.
– Wir überlegen, wie ein Zeitungsgebäude aufgebaut ist und was es alles benötigt.
– Wir schauen uns ein Zeitungsgebäude auf einem Bild an.
– Wir betrachten eine Druckerei in einem Buch.
– Wir überlegen, wer die Zeitung zu uns bringt.

Und wir lernen die Geschichte der Zeitung kennen:

– Wir erfahren, woher das Wort Zeitung kommt.
– Wir lernen die ersten Zeitungen kennen, das Einblatt.
– Wir lernen, was Flugblätter sind.
– Wir lernen Johannes Gutenberg und seine Erfindung die Druckerpresse kennen.

Die Kinder folgen meiner Schilderung der Geschichte der Zeitung aufmerksam und auch John stellt Fragen. Besonders interessiert ihn die Druckerpresse. Sarah möchte wissen, woher das Wort „Zeitung“ stammt.

Mit meiner Hilfe stellen die Kinder dann ein Flugblatt zum Thema Johannes Gutenberg her. Dazu stelle ich ihnen Kopien von Bildern und Texten zur Verfügung.

Ich habe auch heute wieder die aktuelle Tageszeitung („Die Harke“) mitgebracht. Wir besprechen die neuesten Vorkommnisse.

Bei den aktuellen Nachrichten steht heute das Grubenunglück in Chile im Vordergrund. Sarah ist sehr interessiert und fragt: Wie bekommen die unter Tage Eingeschlossenen Essen? Wie gehen sie auf Toilette? Ist dort unten genügend Luft?
Ich versuche, die Fragen für die Kinder verständlich zu beantworten.

Die am ersten Projekttag erstellten Plakate kommen wieder zum Einsatz. Zunächst versuche ich, den Kindern den Kulturteil der Zeitung zu erklären. Wir schneiden entsprechende Artikel aus und kleben sie auf ein weiteres Plakat. Sarah, Ina und Sören sind dabei sehr aktiv. Erneut hält sich John im Hintergrund und beobachtet. Ich ermutige ihn mit aufzukleben, was er mit Freude macht.

Insgesamt sind auch am zweiten Projekttag alle Kinder stark motiviert. Die AG arbeitet weiter sehr intensiv und braucht keine Pause. Ich bin sehr stolz auf sie.
Meine Kollegin hat mir angeboten, Kontakt zur Tageszeitung „Die Harke“ herzustellen und eventuell einen Besichtigungstermin zu vereinbaren. Ich bin ihr dafür dankbar und gespannt, ob sich daraus etwas ergibt.

Dritte Projekteinheit: Ideen für unsere eigene Zeitung

Heute haben wir insgesamt nur eine halbe Stunde zur Verfügung. Wir betrachten zunächst die Flugblätter vom letzten Projekttag und jedes Kind stellt sein eigenes Plakat vor.

Danach bitte ich Sarah, noch mal mit Hilfe meiner Bilder etwas zur Geschichte der Zeitung zu erzählen. Sie kann den Weg der Zeitung erklären und erzählt auch viel über die Geschichte der Zeitung. Auch die anderen AG-Mitglieder, einschließlich John, haben viel behalten.

Nun bitte ich die Kinder, sich einen Artikel zu überlegen, den sie in ihrer kleinen Zeitung schreiben möchten. Ich leite dazu die Gesprächsrunde, versuche jedes Kind einzubeziehen und notiere die Ergebnisse sowie die zu beschaffenden Materialien (Bücher, Bilder usw.).

Die Ideen kommen nur so geflogen.
John möchte einen Artikel über das Jagen von Mädchen im Kindergarten schreiben,
Sören will über ein Fußballspiel schreiben,
Ina will eine Geschichte über ein Katzenbaby schreiben.
Sarah meint, sie könnte mir jetzt noch nicht sagen, was sie schreiben will. Ihr Thema sind „Nachrichten aus aller Welt“ – und sie könne ja jetzt noch nicht sagen, was in ein paar Tagen passiert. Da hat sie eindeutig Recht!

Anmerkung der Kursleitung:
Sie schaut weit über ihren Tellerrand hinweg und hat die weite Welt im Blick. Es ist recht deutlich, wie die anderen Teilnehmer demgegenüber mit der Wahl ihrer Themen ganz in ihrem eigenen täglichen Erfahrungshorizont bleiben.

Sarah hilft dann den Anderen bei der Ideenfindung und bei der Umsetzung.

Als Fotoreporter kreativ

Nach dem Projekt-Treffen machen sich die Kinder ans Fotografieren für ihre Zeitung, wozu sie meine Kamera benutzen dürfen. Sie suchen sich selbst „Models“ aus der Kindergartengruppe und setzen sie sogar in Pose:
Ina fotografiert ihre Freundin mit einem Katzen-Kuscheltier,
Sören seine Fußballfreunde,
John stellt eine Szene nach, in der Jungs Mädchen jagen und
Sarah fotografiert ihre Freundin Anne mit einem Globus.

Alle Kinder zeigen viel Fantasie und handeln kreativ. Es ist für mich spannend, diese Entwicklung der Ideen zu beobachten. Ich finde auch sehr gut, wie es ihnen gelingt, die anderen Kinder einzubeziehen.

Vierte Projekteinheit: Wir erarbeiten unsere Zeitung am Laptop

Zunächst betrachten wir wieder gemeinsam die aktuelle Tageszeitung und besprechen sie.
Es herrscht erneut ein angenehmes Arbeitsklima, besonders Ina und Sarah sind sehr motiviert. John ist leider nicht da.
Bei der Zeitungsbetrachtung interessiert die Kinder besonders ein schlimmer Reitunfall, an dem viele Kinder beteiligt waren.

Dann sehen wir uns gemeinsam die geschossenen Fotos für die eigenen Artikel an und bearbeiten sie nach den Vorstellungen der Kinder am Laptop.

Anschließend teilen wir uns auf: Immer eine/r geht mit mir zusammen an den Laptop und diktiert mir den vorbereiteten Artikel oder versucht, einige Wörter selber zu tippen. Sören und Sarah haben dabei keine Probleme.

Sarah entscheidet sich, Johns Thema „Jungs jagen Mädchen“ zu übernehmen. Damit bearbeitet sie nun genau das Thema, das ihr beim Interview in der Vorbereitung des Projekts so sehr am Herzen lag. Sie beschreibt die Situation der Jungen und Mädchen und gibt auch Tipps, wie man besser mit dem „Jagen“ umgehen kann.
Sie wählt zusätzlich noch „wichtige Nachrichten aus der Welt“ aus: über den Reitunfall und darüber, wie Schafe gerettet werden konnten.

Ina braucht bei ihrer Katzenbaby-Geschichte erst ein wenig Unterstützung von mir, aber dann kommt auch sie gut voran.

Das Arbeiten am Laptop macht allen Spaß. Die intensive Einzelarbeit mit mir finden alle Drei toll. Die Beiden, die sich gerade nicht mit mir beschäftigen, lassen sich nicht ablenken und arbeiten konzentriert an der Gestaltung eines riesigen Bildes – es soll am Schluss ein Redaktionsgebäude darstellen. Die Kinder nehmen diese Aufgabe gut an.

Abschließend schauen wir uns gemeinsam das bisherige Ergebnis der Zeitung auf dem Laptop an. Wir beraten, ob noch etwas geändert werden soll – etwa die Schriftart. Jedes Kind darf auch mal am Laptop selber mit Tippen und Bildbearbeitung experimentieren.

Die Reflexionsrunde ist sehr positiv: Die Kinder betonen, dass sie gerne an dem Zeitungsprojekt teilnehmen. Am liebsten mögen sie die Zeitungsbetrachtung. Besonders beschäftigt sie das Grubenunglück in Chile. Sie machen sich Sorgen um die verschütteten Bergleute.

Zum Abschluss besichtigen wir ein Zeitungshaus

Es ist uns gelungen, einen Termin zur Besichtigung bei unserer regionalen Tageszeitung „Die Harke“ (in Nienburg bei Hannover) zu bekommen.

Bevor es dann losgeht, treffe ich mich mit der Gruppe zum Frühstücken. Jedes Kind bekommt einen Ausdruck unserer im Projekt erarbeiteten Zeitung. Dann besprechen wir, welche Fragen die Kinder selbstständig (gegebenenfalls mit meiner Unterstützung) stellen können. Ich notiere die gesammelten Fragen, damit keine verloren geht.

Das Vorgespräch ist sehr sinnvoll, so können wir noch mal die fertige Zeitung genauer betrachten und würdigen. Die Kinder sind sehr stolz auf das Ergebnis. Sarah ist zunächst etwas traurig, weil sie die Schriftart von Inas Artikel schöner findet als bei ihrem.

Unsere Fragen-Sammlung bringt viele interessante Ergebnisse (eine Auswahl):
John: Ist die Tinte auf der Zeitung giftig?
Ina: Wie viele Menschen arbeiten bei der Harke?
Sören: Wie viele Computer gibt es bei der Harke?
Sarah: Was passiert, wenn man mal was Unwahres in die Zeitung schreibt und was passiert, wenn die Druckerpresse ausfällt?

Anmerkung der Kursleitung:
Sarahs Frage ist die einzige, die auf ein Verständnis der Zeitung als Medium der Information hinweist. Und dann zeigt diese Frage auch Sarahs ethisches Bewusstsein (Frage nach dem Umgang mit Unwahrheit) und ihr Problembewusstsein (Frage nach den Konsequenzen eines Ausfalls der Druckerpresse). Das sind so die Momente, die man innerlich zurückspulen und sich noch einmal vor Augen führen muss, wenn man über hohe Begabung nachdenkt.

Die Besichtigung selbst ist sehr interessant aber auch sehr fordernd für die Kinder.
Ein Redakteur der „Harke“ gibt uns eine etwa einstündige Einführung. Wir haben die Möglichkeit, unsere Fragen zu stellen und können am PC beobachten, wie eine Zeitung zusammengestellt wird.

Uns wird deutlich, dass wir uns das Zeitungsgebäude eigentlich größer vorgestellt haben. Angesichts der vielen Computer und anderer Technik gibt es räumlich gar nicht so viel zu betrachten!

Wir lernen aber viel Neues und können unser bereits erarbeitetes Wissen festigen. Zum Abschluss schenken wir dem Redakteur unsere Zeitung und er fotografiert uns – mit dem Hintergedanken, dass wir einen „echten“ Artikel über unsere AG für „Die Harke“ schreiben, der dann veröffentlicht werden kann.

Anmerkung der Kursleitung:
Das wäre ja wirklich die Krönung, wenn die Kinder ihren eigenen Artikel in der „echten“ Zeitung sehen.

Einen Tag nach unserem Ausflug treffe ich mich noch mal mit der Projektgruppe. Wir sprechen über den Ausflug und ich versuche, noch einige der vielen neuen Informationen nachzubereiten. Gemeinsam schreiben wir dann noch den Artikel für „Die Harke“ und ich gebe allen eine Urkunde für ihr Projekt.

Danach bin ich zu einem intensiven Einzel-Gespräch mit Sarah verabredet. Sie sagt, dass ihr die AG Freude gemacht habe. Sie ist sehr stolz auf ihre Urkunde und auch auf die eigene kleine Zeitung. Sie erinnert sich gut an die Zeitungsartikel, die wir gemeinsam gelesen haben. Nun lese sie jeden Morgen vor dem Kindergarten zusammen mit ihrer Mutter die Zeitung. Vor allem die Berichte über die Verunglückten in Chile verfolge sie jeden Tag. Das bestätigt mir die Mutter und lobt das Projekt, was mich sehr freut. Auch die anderen Eltern der Kinder äußern sich positiv.

Die Kinder waren sehr motiviert und vor allem wissbegierig. Sarah hat viel Freude gehabt. Sie hat ihre Freundschaft mit Ina gefestigt und auch ihr Wissen erweitert.
Ich bin zufrieden mit meinem Projekt. Ich hatte zu Beginn auch nicht erwartet, dass wir wirklich in der kurzen Zeit eine kleine Zeitung entwickeln konnten,

… aber Sarah wusste das mal wieder besser als ich.

Ich hatte bereits bei meiner Wörter-AG erfahren können, wie viel man erreichen kann, wenn das Arbeitsklima, die Motivation und die Freude am Lernen stimmen.

Anmerkung der Kursleitung:
Das ist eine ganz, ganz wichtige Erkenntnis (besonders auch im Zusammenhang mit Hochbegabtenförderung), die Du Dir redlich erarbeitet hast!

Die Besichtigung der Harke war ein guter Abschluss: Wir konnten die Arbeit an einer realen Zeitung beobachten und uns dabei vieles verdeutlichen, was wir vorher nur durch Erzählungen oder durch Bilder kannten. Der Artikel von uns war noch mal eine Bestätigung für unsere Arbeit.
Die eigene Zeitung der AG liegt für alle Eltern des Kindergartens aus und findet auch gute Nachfrage.

 

Datum der Veröffentlichung: November 2016
Copyright © Hanna Vock, siehe Impressum

Wörter-AG mit Sarah

von Sonja Marquardt

 

Siehe auch die weiteren Beiträge der Autorin über Sarah:
Schmetterlings-AG
Berg-AG
Zeitungs-AG

Sarah ist inzwischen 5;5 Jahre alt.

Bedenken am Anfang

In verschiedenen Gesprächen mit Sarah (5;5) wurde deutlich, dass sie gerne Lesen und Schreiben lernen möchte. Zunächst hatte ich Bedenken wegen der geringen Zeit, die uns für das Projekt zur Verfügung stehen wird, und wegen der Tragweite des Projektes. Lange beunruhigte mich der Gedanke, Fehler beim ersten Schritt des Lesenlernens zu machen und somit Sarah irgendwie etwas “Falsches” beizubringen.

Anmerkung der Kursleitung:
Leider sind wir Erzieherinnen bei diesem Thema allzu schüchtern – leider!
Gut, dass Du Dich durchgerungen hast!

Ich habe mich dann doch dafür entschieden in die Richtung des Lesenlernens zu gehen, mir aber Spielraum zu lassen. Ich bin mir sicher, dass ich nach vier Projekteinheiten nicht vom Lesen-Können sprechen kann. Ich will aber wichtige Fundamente setzen, wie Kennenlernen der Buchstaben und deren Laute.

Sarahs Probleme und Stärken

Aus Berichten der Gruppenerzieherinnen (ich bin als Leiterin teil-freigestellt und arbeite in einer anderen Gruppe) ist zu erkennen, dass Sarah sich weiterhin in der Gruppe nicht wohl fühlt. Dies zeigt sich vor allem in der Freispielzeit sowie in den Morgen- und Schlusskreisen.

Wenn sie sich unverstanden fühlt, wenn sie sich unterordnen muss oder etwas nicht ihren Interessen und Bedürfnissen entspricht, reagiert sie mit Verweigerung oder verbalen Aggressionen (zum Beispiel mit Schreien).

kurz gefasst…

Vier Kinder lernen im Geschwindschritt Lesen. In nur vier kurzen Projekteinheiten kommen sie so weit, dass sie anschließend nur noch Übung brauchen und sich das flüssige Lesen im Prinzip dann selber beibringen können.

Die Autorin erreicht dies, indem sie einen Zeitpunkt wählt, an dem die Kinder, einschließlich der kleinen Sarah (5;5), reif fürs Lesen sind.

Sie ist selbst überrascht, wie schnell die Kinder lernen – allerdings gibt sie ihnen auch gute Anleitung und Unterstützung.

 

In AGs oder Projekten macht Sarah jedoch weiterhin gut mit, zeigt Interesse, hat Freude daran und ist dabei im Allgemeinen sehr “umgänglich”, ihr Sozialverhalten ist dann nicht weiter auffällig.

Anmerkung der Kursleitung
Dies bestätigt wieder einmal die oft gemachte Beobachtung, dass Unverständnis und Unterforderung zu problematischem Verhalten führen, das verschwindet, wenn die Unterforderungssituation überwunden ist.

Klärendes Interview mit Sarah

Ich habe mich mit Sarah zu einem Gespräch verabredet, um mir selbst wieder ein Bild von ihrem Befinden zu machen. Zugleich möchte ich klären, ob ich an meiner Projektidee festhalte oder nicht.
Dazu habe ich mit ihr ein Interview zum Thema „Eigenes Befinden und eigene Interessen“ geführt. Die – hier nur auszugsweise dargestellten – Fragen stammen aus dem Gabi-Programm GABIP Dokumentationssystem (Ökotopia Verlag), aus dem Kindersprechtags-Bogen unserer Einrichtung und auch aus eigenen Ideen.

Wir suchen uns einen gemütlichen Platz. Weil das Wetter es erlaubt, machen wir es uns auf einer Bank im Grünen bequem, wo wir weitgehend ungestört sind.

Bei der Frage:
Wie fühlst du dich, wenn du morgens in den Kindergarten kommst?
kreuzt Sarah das Gesicht an, das traurig schaut.

Auf meine Nachfrage: Warum? meint sie, weil sie morgens noch müde sei. Ich weiß, dass sie wirklich morgens noch müde ist und erst einmal Zeit für sich braucht. In der letzten Zeit wurde sie aber immer spät gebracht und zwar genau zum oder während des Morgenkreises. So hat sie gar nicht die Möglichkeit in Ruhe anzukommen.

Anmerkung der Kursleitung:
Oft heißt „Ich bin müde“ übersetzt aber auch: „Ich habe nichts vor, was mich begeistert, auf das ich mich freue.“

Zur Frage:
Wie fühlst du dich, wenn du eine AG (Projekt) leiten kannst?
kreuzt sie das lachende Gesicht an und berichtet mir voller Freude von ihren beiden AGs. (Siehe oben.) Die möge sie gerne, weil sie da oft viel wisse.

Das passt auch zu den Beobachtungen der Erzieherinnen. Sie scheint sich in diesen Situationen sehr wohl und angenommen zu fühlen. Hier kann sie Einfluss auf den Ablauf nehmen, erfährt Anerkennung und Selbstvertrauen. Außerdem macht ihr das Lernen großen Spaß.

Wo spielst du am liebsten im Kindergarten?
– darauf antwortet sie schnell, ihr Lieblingsort sei die Bücherei.

Sarah hält sich hier oft auf, alleine oder mit ihrer Freundin Anne. Sie schaut sich viele Bücher an, besonders zum Thema Natur. Auch leiht sie sich gerne Bücher aus.

Bis hierher sehe ich mich mit meiner Projektrichtung bestätigt.

Welche AG (Projekt) möchtest du gerne mal machen?
Dazu sagt sie, dass sie gerne eine Einhorn-AG machen möchte.

Das hatte sie mir schon einmal erzählt. Vielleicht gelingt es mir, in mein Projekt irgendwie das Einhorn einzubauen – und wenn sie “nur” lernt, “Einhorn” selbst zu lesen.

Auf die Frage:
Wie schläfst du abends am Besten ein?
antwortet Sarah, dass sie abends gerne Bücher anschaut.

Gefragt:
Welche Gefühle hast du, wenn du an die Schule denkst?
– kreuzt sie schnell das lachende Gesicht an und berichtet von ihren bisherigen Schulerlebnissen vom „Brückenjahr“.

Sie erzählt, dass sie unbedingt das mit dem “M” lernen möchte. Auf meine Nachfrage stellt sich heraus, dass sie die Laute meint, die zu den Buchstaben gehören. Auch hier ist für mich gut zu erkennen, dass sie zurzeit großes Interesse an Buchstaben hat.

Insgesamt bestätigt sich, dass sie sich nur teilweise im Kindergarten wohl fühlt (bei Projekten, AGs usw.). Manchmal fühlt sie sich allein und unverstanden. Sie berichtet, dass sie alle Kinder gerne habe, die Kinder sie aber nicht. Sie fühlt sich weiter ungeliebt, berichtet aber voller Freude von ihrer besten Freundin Anne und wie wichtig sie ist. Auch erwähnt sie ihre Schwester und erklärt mir, dass sie die am allerliebsten hat.

Einbindung der Eltern

Nach dem Interview mit Sarah bin ich mir sicher, eine Wörter-AG anzubieten.
Ich schreibe einen kleinen Einladungs-Brief an die von mir ausgesuchten Gruppenmitglieder und deren Eltern.

Darin erkläre ich mein Projekt. Ich möchte die Sprache in vielen Facetten nutzen und spielerisch den Umgang mit Buchstaben üben. Wer mehr wissen möchte, könne sich gern bei mir melden. Ich betone, dass die AG-Einheiten aufeinander aufbauen. Deshalb wäre es gut, wenn die Kinder regelmäßig daran teilnehmen könnten. Ich schreibe auch die Termine auf.

Die Einladung bringe ich selber in die Gruppe, damit ich die Gruppenmitglieder auch noch mal persönlich ansprechen kann. So erfahre ich, dass sie alle motiviert sind, Interesse zeigen und für die AG offen und bereit sind. Ich hoffe, dass die Kinder durch die Einladung zusätzlich motiviert werden. So möchte ich erreichen, dass die AG-Mitglieder öfter präsent sind als in manchen früheren Projekten. Auch werden die Eltern noch mal persönlich angesprochen, damit sie sich besser informiert fühlen.

Planung des Projektes

Ich habe die Möglichkeit, viermal in der Kindergartengruppe von Sarah zu sein. Ich möchte die AG vor dem Frühstück anbieten, da um diese Zeit Aufmerksamkeit und Konzentration der Kinder stabiler sind.

Die Zeitspanne von einer Stunde will ich voll nutzen und nach Möglichkeit auch in der anschließenden Freispielzeit (von 10.30 Uhr bis 11.30 Uhr) kleine Wiederholungen, Spiele oder Ähnliches zum AG-Thema anbieten. Sollte ich aber beobachten, dass die Kinder von der AG-Einheit erschöpft sind, werde ich ihnen die Möglichkeit geben, sich in der Freispielzeit zurückzuziehen, zu spielen und zu entspannen.

Die AG-Mitglieder

Ich habe mich diesmal für eine sehr kleine Projektgruppe entschieden.

Anmerkung der Kursleitung:
Das, finden wir, ist eine gute Entscheidung.

Ich lade nur vier Kinder ein und achte darauf, dass die Mitglieder miteinander harmonieren, sich beim Lernen unterstützen, ergänzen und beflügeln. Mir ist bei der Auswahl wichtig, dass alle Mitglieder positiv zueinander eingestellt sind und dass auch Sarah sich wohl fühlt.

Ich beachte, dass die Kinder einen ähnlichen Entwicklungs- und Wissensstand im Bereich “Sprache” haben, denn ich will keines über- oder unterfordern. Die Gruppenerzieherinnen bitte ich um Unterstützung. Sie kennen die Kinder intensiver als ich und können mir eine große Hilfe sein.

Janette
war bisher bei jedem meiner Projekte dabei. Sie zeigte immer viel Interesse und Freude an den AGs. Sie ist nun 6;3 Jahre alt und nimmt an allen Projekten für Vorschulkinder aktiv teil. Sie macht mit viel Motivation beim Würzburger Trainingsprogramm mit. Sie zeigt Spaß an Sprache und Buchstaben.

Marie
ist nun 6;5 Jahre alt, sie war auch bei jedem meiner Projekte dabei. Besonders bei der Berg-AG zeigte sie, dass sie sich sehr lange konzentrieren kann, viel Freude am Lernen zeigt und besonders gut mit Sarah zusammenarbeiten kann.

Marie ist sprachlich sehr begabt, benutzt die verschiedenen grammatischen Formen sinnvoll. Sie reimt gerne und erfindet tolle, fantasievolle Geschichten. Auch kann sie sich sehr lange auf ein Buch oder Ähnliches konzentrieren und den Inhalt richtig wiedergeben.

Lars
war bisher noch bei keinem Projekt dabei. Ich kenne ihn aber noch vom letzten Jahr, als ich noch in der anderen Kindergartengruppe gearbeitet habe. Damals ist er mir schon mit seinem Interesse für Buchstaben aufgefallen. Lars ist 6;6 Jahre alt.

Er ist altersgemäß entwickelt, allerdings zeigt er im Sozialverhalten oft Besonderheiten. Er hat Schwierigkeiten, sich an Regeln zu halten (zum Beispiel beim gemeinsamen Aufräumen, beim sorgfältiger Umgang mit Kindergarteneigentum oder auch im Umgang mit den anderen Kindern).
Bei Streit mit anderen Kindern reagiert er verbal und auch körperlich aggressiv. Er boxt, beißt usw. Andere und reagiert schnell mit Weinen, wenn sich jemand wehrt. Lars ist sehr körperlich, er kuschelt gerne mit seiner Mutter aber auch mit den Erzieherinnen.
Er ist ein fröhliches Kind und kann gegenüber Erwachsenen sehr höflich und zuvorkommend sein. Aber auch hier kann er bei Unstimmigkeiten aggressiv reagieren und den Erwachsenen treten oder beißen.

Bei Projekten kann er gut und konzentriert mitmachen. Ist aber sein bester Freund Justin dabei, lässt er sich schnell ablenken und hat stärkere Schwierigkeiten sich an Regeln zu halten.

Weiter ist er ein sehr lernfreudiges Kind. Er hat an den Grundschul-Tagen im „Brückenjahr“ sehr konzentriert und aktiv mitgemacht. Er verfügt über großes Wissen in den Bereichen Natur, Autos und Piraten.

Ziele des Projektes

Zunächst muss ich den genauen Wissensstand der Kinder in Bezug auf Buchstaben, Laute und eventuell schon erste Leseerfahrungen herausfinden.
Zunächst konzentriere ich mich auf das Kennenlernen von Buchstaben. Dieses wird auch einen Hauptteil meines Projektes einnehmen.

Als weiteres Ziel setze ich mir das erste Zusammenfügen von Buchstaben (Lauten) und dessen Erkennen (erstes Lesen).
Als letztes und großes Ziel steht für mich das Lesen von kleinen Wörtern und Sätzen.

Das ist für mich noch unvorstellbar !

Aber ich will herausfinden, ob es schon möglich ist, ohne die Kinder zu überfordern. Ich werde sie in den AG-Einheiten gut beobachten, um sie auch richtig einschätzen zu können. Ich stelle mir vor, dass mein Projekt eher eine Vorbereitung aufs Lesenlernen oder ein erster Schritt dazu sein wird.

Da Sarah mein „Beobachtungskind“ im Zertifikats-Kurs ist, sind hier Ziele für Sarah formuliert – sie gelten aber letztlich für alle Mitglieder der Wörter-AG.

Buchstaben kennen lernen:

    • Sarah kennt alle Buchstaben des Alphabets.
    • Sie kennt die Lautaussprache der Buchstaben.
    • Sie kennt das Aussehen der verschiedenen Buchstaben.

Förderung im Bereich Sprache:

    • Sarah kennt die Anlaute.
    • Sie benutzt Anlaute und spielt damit.
    • Sarah kennt Silben und deren Trennung.
    • Sie spielt mit Silben.

Freude am Umgang mit Buchstaben:

    • Sarahs Motivation zum Lernen der Buchstaben wird gepflegt.
    • Sie erlebt erste Lese-Erfolge.

Weitere Ziele, die für das gesamte Projekt gelten:

    • Förderung des Gemeinschaftsgefühls.
    • Förderung der verbalen Äußerung.
    • Förderung der Grob- und Feinmotorik.

Das Projekt beginnt – Der erste Projekt-Tag

Zu Beginn stelle ich die Arbeitsgruppe im Morgenkreis der gesamten Kindergartengruppe vor.

Die AG trifft sich dann im Bauwagen, unserer überdachten Unterkunft im Waldgelände der Kita. Wir erzählen uns erst einmal von unseren Erlebnissen vom Wochenende. (Siehe unser Konzept: Buten und Binnen.)
Damit möchte ich das Zusammengehörigkeitsgefühl und Gemeinschaftsgefühl der Gruppe entwickeln und eine angenehme Lernatmosphäre schaffen.
Wichtig ist mir, dass sie sich äußern und sich als gleichberechtigt fühlen können,

Nachdem jede/r die Möglichkeit hatte sich zu äußern, erkläre ich, dass man jedes gesprochene Wort auch sehen kann. Ich breite auf dem Fußboden viele Karten mit Buchstaben aus und lege ein kleines Wort mit Bezug zu den Wochenenderlebnissen:

Lars hat eine kleine Geschichte von einer Ente erzählt und alle anderen berichten dann auch von Enten. So erscheint mir das Wort ENTE ideal.

Das E und das T kennen die Kinder schon. Ich lese den Kindern das Wort vor und erkläre ihnen, dass wir in den nächsten AG-Tagen viel über Buchstaben und Wörter lernen wollen.

Zur Auflockerung bewegen wir uns dann in Form eines Silben-Spiels durch den Bauwagen. Ich sage die Silben „hüp-fen“ und wir hüpfen im Takt der Silben; dann folgt „ren-nen“ und noch Ähnliches.

Nun bitte ich die Kinder, aus dem Kartenhaufen die Buchstaben heraus zu suchen, die sie für ihren Namen benötigen und ihn dann auch zu legen. Sind alle fertig, liest jeder seinen Namen vor. So sollen die Kinder erste Buchstaben erkennen und selber benutzen.

Um den Kindern sämtliche Buchstaben vorzustellen, verteile ich ein selbst gemachtes Kartenspiel. Auf den Karten sind alle Buchstaben einzeln zu sehen. Gemeinsam schauen wir uns alle an und benennen sie.

Anschließend schauen uns erneut unsere vorher gelegten Namen an und achten dabei auf die einzelnen Buchstaben. Wir überlegen gemeinsam, welche anderen Wörter mit dem gleichen Buchstaben beginnen (zum Beispiel Sonja = S wie Sonne). Dies versuchen wir mit allen Buchstaben unseres Namens. So möchte ich das Kennenlernen von Anlauten fördern.

Dann gestalten wir für alle unsere Vornamen ein Bild, in dem jeder Buchstabe als Zeichen/Form zu sehen ist (zum Beispiel SONJA= Eine Sonne, eine Oma, eine Nudel, eine Jacke und ein Apfel).

Die Zeichen erfinden wir gemeinsam in der Gruppe. Dabei gebe ich Hilfestellung – wenn nötig. Die Kinder können entscheiden, ob sie die Zeichen nur malen oder auch ausschneiden und aufkleben wollen.
Neben der Versinnbildlichung von Buchstaben will ich so die Kreativität, die Fantasie sowie die Grob- und Feinmotorik der Kinder fördern.

Abschließend machen wir gemeinsam eine kleine Reflexionsrunde. Jeder bekommt die Möglichkeit sich zu äußern und sein Namensbild vorzustellen. Sie haben es gut gemacht und ich kann sie loben. So möchte ich sie weiter motivieren und ihnen das Gefühl vermitteln, etwas erreicht zu haben. Am Ende erkundige ich mich nach dem Befinden der Gruppenmitglieder.

Nach dem Frühstück mache ich dann weitere kleine Angebote zum Thema Sprache und Buchstaben. Daran können auch andere Kinder teilnehmen, wenn ich auch insbesondere Sarah und die Projektgruppe anspreche.

Das sind meine zusätzlichen Angebote:

– Anfertigen von Buchstaben aus Sandpapier.
– Kleine Reim-Geschichten werden vorgelesen. Diese laden zum Mitmachen ein.
– Kleine Anlautspiele. (Zum Beispiel: Ich sehe am Himmel den Mmmmmm – Antwort Mond.)

Was hat der erste Projekt-Tag gebracht?

Die Kinder haben alle Buchstaben kennen gelernt und sie in der Lautsprache ausgesprochen. Wir haben spielerisch mit Anlauten und Silben gearbeitet.
Die erste Projekteinheit hat den Kindern (und auch mir) Spaß gemacht und Erfolgserlebnisse beim Erkennen und Benennen der Buchstaben vermittelt. Die Kinder sind sehr motiviert. Ich bereue nicht, dass ich mich doch für das Wörter-Projekt entschieden habe.

Im Morgenkreis der Gruppe sind die vier Kinder sehr stolz. Alle Vier äußern sich. Besonders Sarah erzählt sehr viel. In diesem Projekt hat sie nicht die Führungsrolle und bisher kann sie gut damit umgehen, gleichberechtigt mit den anderen behandelt zu werden, die ja auch deutlich älter sind als sie.

Beim ersten gelegten Wort ENTE kann sich Janette gut einbringen. Mit ein wenig Hilfe schafft sie es, das Wort zu lesen.
Bei der Suche nach den Buchstaben für den eigenen Vornamen haben alle Spaß und werden schnell fertig. Deshalb und weil alle Freude daran haben, legen wir auch noch die Nachnamen. Ich muss etwas improvisieren, weil dann ein paar Buchstaben fehlen. Aber die machen wir einfach schnell nach. Wir legen dann auch noch Quatschwörter, die ich vorlese.

Beim Silben-Spiel machen alle mit. Das Spiel ist den älteren Kindern schon bekannt und so kann ich nach ein paar Runden die Führungsrolle mal an jeden abgeben.

Bei den Buchstabenkarten und der Benennung der verschiedenen Buchstaben fällt mir auf, dass besonders Marie und Sarah über viel Vorwissen verfügen. Bis auf ein paar wenige Buchstaben kennen sie alle. Schwierigkeiten machen die Buchstaben K, M, N, P, Q, V, W und Y. Beim M, N und W gibt es noch Verwechslungen. Wir sehen uns die drei Buchstaben genauer an und besprechen ihre Unterschiede.

Das Spiel mit den Anlauten verstehen die Kinder sofort. Sie haben keine Probleme, ihren Namen auseinander zu nehmen und für die einzelnen Buchstaben passende Wörter zu suchen. Wir nehmen den gelegten Namen als Unterstützung und behandeln einen Buchstaben nach dem anderen.

Bei der Gestaltung geben sich die Kinder große Mühe. Das dauert etwas, aber ich will die Kinder nicht unterbrechen. Dank flexibler Kollegen können wir die Bilder zu Ende gestalten.
Ich hätte vielleicht schon Symbole vorgeben sollen, dann wäre es zeitlich auch hingekommen, aber für die Kinder ist es interessant, die Symbole selber zu finden – das hat sie auch gefordert.

Trotz der knapp gewordenen Zeit machen wir gemeinsam noch eine kleine Reflexion. Dabei wird nochmal deutlich, dass sie sehr stolz auf ihr Namensbild sind. Ich bekomme aber auch einen neuen Auftrag: Janette und Marie möchten das nächste Mal das Alphabet aufsagen. Sarah hat dann die Idee, dass man es auch legen könnte. Somit haben wir schon eine kleine Einheit fürs nächste Mal und nebenbei hat Sarah aktiv an der Planung teilgenommen.

Die kleinen Angebote nebenbei nutzen nur Marie und Sarah. Die anderen Beiden spielen was anderes, was ich aber völlig in Ordnung finde. Dafür zeigen noch andere Kinder Interesse.

Zweiter Projekt-Tag

Ziele:
Buchstaben:
– Sarah kennt alle kleinen und großen Buchstaben.
– Das Erkennen von Buchstaben und deren Aussprache wird gefestigt und weiter gefördert.
– Kennenlernen und Festigung des Alphabets.

Förderung im Bereich der Sprache:
– Sarah benutzt und spielt mit Anlauten.
– Sie kennt kleine Reimspiele und vervollständigt Reimsätze.

Im Morgenkreis stellen Sarah und die Arbeitsgruppe ihr Projekt der gesamten Kindergartengruppe kurz vor und nennen die AG-Teilnehmer.
Dann gehen die Vier mit mir in den grünen Gruppenraum, den ich vorher schon vorbereitet habe. Dort setzen wir uns an einen großen Tisch, auf dem schon das ABC (Groß- und Kleinbuchstaben) in Form von Karten liegt. Wir versuchen alle Karten zu benennen und passende Wörter dazu zu finden (B = Baum).
Dann schauen wir uns das Alphabet noch mal an und sprechen es zusammen.

Wenn wir das geschafft haben, verteile ich an alle AG-Mitglieder ein Arbeitsblatt. Darauf ist das ABC abgebildet und zu jedem Buchstaben ein passendes Anlautbild. Die Kinder bekommen nun die Aufgabe, die Buchstaben bunt anzumalen, die sie in ihren Vornamen finden.

Nun wollen wir ein großes Alphabet herstellen. Auf einem großen Plakat habe ich schon die Groß- und Kleinbuchstaben des Alphabets aufgeschrieben. Wir erfinden zu jedem Buchstaben passende Anlautwörter. Diese können aufgemalt oder ausgeschnitten und auch im Original aufgeklebt werden (L = ein echter Luftballon). Dies halten wir alles auf einem großen Plakat fest, das später im Gruppenraum aufgehängt wird.

Anschließend wiederholen wir das Silben-Spiel vom letzten Mal.
Dann hören wir uns eine kleine Reim-Geschichte zum Mitmachen an.

Zum Abschluss findet wieder eine Reflexionsrunde statt. Jede/r bekommt die Möglichkeit sich zu äußern und ich lobe die Kinder angemessen für ihre Mitarbeit.

Wie am ersten Tag können dann nach dem Frühstück wieder alle Kinder kleine
Angebote zum Thema Sprache und Buchstaben wahrnehmen:
– Anfertigen von Buchstaben auf Sandpapier.
– Legen von Wörtern (Ich sage zum Beispiel das Wort HUND und ein Kind legt – entsprechend der Anzahl der Buchstaben – eine Reihe von Bausteinen aus und nennt bei jedem Baustein den richtigen Buchstaben.
– Kleine Reim-Geschichten werden vorgelesen.

Was hat der zweite Projekt-Tag gebracht?

Ich habe mich entschieden, nicht nur mit Groß- sondern auch mit Kleinbuchstaben zu arbeiten. So können die Kinder sie zuordnen, wenn sie sie etwa in Büchern entdecken. Ich lege aber weiter den Schwerpunkt auf die Großbuchstaben.

Sarah kennt schon fast alle Groß- und Kleinbuchstaben. Auch die anderen zeigen hier kaum noch Wissenslücken oder Schwierigkeiten. Die Kinder sind sichtlich sehr stolz, wenn sie einen Buchstaben erkennen und richtig benennen können. Sie sind sehr motiviert und haben große Freude – und sie lernen schnell. Ich kann auch heute wieder alle meine Ziele erreichen.

Ich freue mich sehr, dass die Kinder es kaum abwarten können, sich wieder zur Wörter-AG zu treffen. Im Morgenkreis stellen sich die Kinder alleine vor und nennen den Treffpunkt. Sie brauchen meine Unterstützung dabei nicht.

Während des AG-Treffens können Marie und Sarah das Alphabet schon fast fehlerfrei aufsagen. Ich beobachte, dass den Kindern das Aufsagen sehr wichtig ist: Jede/r will es auch einmal alleine aufsagen. Ich denke, dass dies den Kindern so wichtig ist, weil sie möglicherweise zu Hause mit dem Aufsagen schon für die Schule üben.

Das Spiel, bei dem man zum Buchstaben ein passendes Wort finden soll, wird schnell angenommen und keinem der vier Kinder macht es Schwierigkeiten. Das Bearbeiten des Arbeitsblattes macht den Kindern Freude und geht ihnen schnell von der Hand, so dass wir noch die Buchstaben des Nachnamens heraussuchen und anmalen. Vielleicht ist diese Aufgabe zu einfach und ich unterfordere die Kinder.

Anmerkung der Kursleitung:
Das können wir uns gut vorstellen.

Beim Herstellen des großen Alphabets herrscht eine gute Arbeitsstimmung. Sarah arbeitet sehr sorgfältig, zugleich belehrt sie die anderen Kinder. Sie ermahnt Janette, sie solle sorgfältiger malen und Lars solle besser ausschneiden und ordentlicher kleben.
Ich ziehe mich dann kurz mit Sarah zurück und versuche ihr zu erklären, wie es Lars und Janette geht, wenn sie so belehrt werden. Ich bemühe mich, dies freundlich aber auch ernst zu sagen. Zugleich versuche ich ihr zu vermitteln, dass sich jeder mal so verhält, aber immer die Chance hat, es wieder gut zu machen.

Wir gehen wieder zur Gruppe und Sarah arbeitet weiter. Einmal kommt es noch zu einer ähnlichen Szene, aber Sarah merkt schnell, dass sie sich wieder ähnlich wie vorhin verhält und lenkt von selbst ein.

Anmerkung der Kursleitung: Auch hier lernt sie schnell.

Weil die Kinder Reflexionen schon kennen, ist es jedes Mal sehr angenehm und jedes Kind kommt zu Wort. Ich habe auch das Gefühl, dass sich alle trauen, ihre Meinung frei zu äußern. Deutlich wird auch hier wieder, wie sehr die Kinder das Alphabet lieben: sie wollen es das nächste Mal auch wieder aufsagen.

Die kleinen Angebote werden von allen Gruppenmitgliedern genutzt. Auch andere Kinder kommen hinzu.

Dritter Projekt- Tag

Ziele:
Buchstaben:
– Das Erkennen und Benennen von Buchstaben wird gefestigt.
– Festigung des Alphabets.
– Zusammenfügen von Buchstaben zum Wort (erstes Lesen).

Wir haben den Gruppenraum heute für uns alleine und setzen uns dort an einen Tisch. Ich breite darauf viele Holzplättchen aus, auf denen je ein Buchstabe aus Sandpapier geklebt ist.

Nun frage ich, ob ein Kind sich traut, sich die Augen verbinden zu lassen. Dieses Kind darf nun ein Plättchen nehmen und soll den Buchstaben durch Ertasten erkennen. Alle Kinder trauen sich. Es wird reihum gewechselt. Am Schluss dürfen sich die Kinder die Buchstaben ihres Namens heraussuchen und sie später mit nach Hause nehmen.

Nun erhält jedes Kind ein Arbeitsblatt, auf dem ein Buchstaben-Tier unfertig abgebildet ist. Die fehlenden Zeichnungsteile werden vervollständigt, indem man die Buchstaben, dem Alphabet entsprechend, durch Linien verbindet. Dann ist das Tier vollständig zu erkennen. Bevor wir beginnen, sagen wir noch mal gemeinsam das Alphabet auf.

Wir gehen zurück in die Bücherei und lesen gemeinsam ein Buch mit wenig und einfachem Text.
Nach einer kleinen Pause treffen wir uns an dem Tisch im Gruppenraum wieder. Ich lege Karten mit der Rückseite nach oben auf den Tisch und fordere die Kinder reihum auf, eine Karte zu nehmen, umzudrehen und vorzulesen, was darauf steht. Auf den Karten sind Bilder und das passende (einfache) Wort zu sehen. Wir spielen so lange, bis alle Karten vom Tisch sind.

Nun machen wir es uns auf dem Fußboden bequem. Ich verteile wieder ein Arbeitsblatt. Auf dem sind viele verschiedene Tiere zu sehen. Dann bekommt jedes Kind ein weiteres Blatt mit Sprechblasen, in dem die Geräusche der Tiere zu lesen sind. Nun sollen die Kinder die Sprechblasen lesen, ausschneiden und zum passenden Tier kleben. (zum Beispiel IAH IAH zum Esel oder KRA KRA zum Raben).

Zum Schluss machen wir wieder eine kleine Reflexionsrunde und verabreden uns für die nächste AG-Einheit.

Was hat der zweite Projekt-Tag gebracht?

Heute konnte ich beobachten, wie toll die Kinder schon die Buchstaben kennen. Auch das Alphabet sitzt bei den Kindern. Ich darf auch erste Leseerfolge genießen: das Zusammenfügen von Buchstaben zum Wort gelingt ihnen schon gut, besonders Marie. Weiterhin sind alle sehr motiviert und haben Spaß an Buchstaben.

Gleich zu Beginn erwartet mich eine kleine Herausforderung. Sarahs Mutter kommt ohne sie in den Kindergarten. Sie berichtet, dass Sarah heute nicht in den Kindergarten will, weil sie sich krank fühle und keine Lust habe. Sarah sitze jetzt auf dem Parkplatz im Auto und weine wütend. Sie wolle auf keinen Fall in die Turnhalle.
Ich sage der Mutter, dass ich es schade finde, wenn Sarah heute nicht kommen will, da ja die Wörter-AG stattfindet. Daran hat die Mutter nicht gedacht, geht rasch zu Sarah und kann sie offenbar umstimmen.

Kurz darauf kommt Sarah freudestrahlend herein. Ich sage ihr, dass ich mich sehr freue, dass sie gekommen ist. Sie erzählt mir nicht, dass sie sich zunächst verweigern wollte – ich habe sie aber auch nicht mehr darauf angesprochen.

Die kleine Begrüßungsrunde ist sehr entspannt und ruhig. Lars ist heute sehr müde und hält sich etwas zurück.

Anmerkung der Kursleitung:
Konnte er bisher mit den andere Kindern mithalten, oder hatte er weniger Erfolgserlebnisse als die Mädchen? Auch das kann ja zu Unlust führen.

Ich gebe ihm die Möglichkeit, sich heute in der AG im Hintergrund zu halten.

Das Tastspiel mit den Buchstaben macht den Kindern Spaß. Ich wundere mich sehr, wie viele Buchstaben sie durch das Ertasten herausfinden. Janette erkennt und benennt jeden Buchstaben.

Das Vervollständigen des Buchstabentiers ist keine Herausforderung – die Kinder sind schnell damit fertig. Ich hätte dieses Arbeitsblatt schwieriger gestalten sollen.

Das gemeinsame Lesen eines Buches ist sehr angenehm und ruhig. Die Kinder entscheiden sich für das Buch „Die Raupe Nimmersatt“. Es war ihnen wohl aus der Schmetterlings-AG noch in Erinnerung.

Ich beziehe die Kinder beim Lesen mit ein,
indem ich sie leichte Wörter lesen lasse.
Manches lautiere ich auch und lasse die Kinder das lautierte Wort nennen.

Das Wetter ist heute herrlich, also gehen wir nach draußen und spielen dort kurz.

Beim Lesekartenspiel im Gruppenraum gelingt es allen Kindern schon gut, Buchstaben zusammenzufügen. Besonders Marie scheint in den drei Projekt-Tagen viel und schnell gelernt zu haben. Sie kann viele Wörter vorlesen zum Beispiel „Zug“ oder „Katze“.

Das letzte Arbeitsblatt mit den Tieren und den Tierlauten ist für die Kinder anscheinend nicht so leicht.

Sie schaffen es zwar alle, aber sie müssen sehr angestrengt nachdenken.
Das finde ich sehr positiv, denn es zeigt, dass es eine gute Herausforderung für sie ist.

Auch hier hat Marie keine Probleme, sie kann alle Tierlaute lesen. Lars hat weniger Schwierigkeiten beim Lesen als beim Ausschneiden und Aufkleben. Dabei helfe ich ihm, da ich den Fokus ja auf Lesen und Zuordnen und nicht auf Basteln lege.

Anmerkung der Kursleitung:
Ja, und es ist gut, das immer im Auge zu behalten, sonst vergrault man unter Umständen manche Kinder, die Lesen lernen möchten, aber dann andauernd malen oder basteln sollen.

Die abschließende Reflexion ist wieder sehr entspannt, die Kinder äußern sich positiv.

Vierter Projekt-Tag

Wir gehen zusammen auf die Wiese vor der Kirche und machen es uns auf Decken bequem. Als Erstes lesen wir wieder ein einfaches Bilderbuch, auf die gleiche Weise wie beim letzten Mal: Ich lasse die Kinder einzelne einfache Wörter selbst lesen.

Heute habe ich einen Musikkoffer mitgebracht. Wir verbinden nun das Alphabet mit Musik: Bei jedem Ton eines Instrumentes wird der Buchstabe genannt. Jedes Kind darf ein Instrument spielen, die Instrumente werden untereinander getauscht. So können die Kinder auch gleich die Instrumente ausprobieren.

Dann zeige ich den Kindern das Fingeralphabet und wir probieren es gemeinsam aus.

Wir machen eine kleine Gesprächsrunde mit Reflexion und einen Abschluss. Ich kündige an, dass wir uns später gemeinsam die Fotos ansehen, die während des Projektes gemacht wurden. Auch eine Urkunde soll noch überreicht werden.

Was hat der vierte Projekt-Tag gebracht?

Nun können die Kinder fast alle Buchstaben sicher erkennen, zu Wörtern zusammenfügen und sie teilweise auch schon lesen.

Anmerkung der Kursleitung:
Was für ein tolles Ergebnis in so kurzer Zeit!

Das Alphabet können sie auch sehr sicher. Sie haben sich daraus mittlerweile einen Spaß gemacht und sagen es mal schnell auf, mal langsam, mal im Tonfall von Piraten oder holden Prinzessinnen. Ich finde es interessant, dass das Alphabet für sie so wichtig ist. Ich habe das Ziel erreicht, die Kinder so zu fördern, dass sie ihr Wissen über Buchstaben stark erweitert haben.

Die Kinder sind mit sehr viel Freude beim Projekt oder besser gesagt, bei den Buchstaben. Sie motivieren sich selbst, weil sie sich über jeden erkannten Buchstaben und jedes erkannte Wort sehr freuen. Sie haben viele Erfolgserlebnisse. Sie haben Freude am Umgang mit Buchstaben.

Diesmal haben Lars und Sarah das Buch ausgesucht, in dem wir gelesen haben: ein Wissensbuch zum Thema „Bauernhof“. Erneut lesen die Kinder abwechselnd mit meiner Unterstützung kleine Wörter oder ich lautiere ihnen ein Wort und sie nennen es mir dann. Es herrscht eine sehr entspannte Stimmung.

Das Arbeiten mit dem Musikkoffer ist interessant, braucht aber viel Zeit. Ich hätte mich vielleicht auf ein paar wenige Instrumente beschränken sollen. Ich merke, wie viel Spaß die Kinder daran haben. So singen wir spontan ein Lied zusammen – mit musikalischer Begleitung.

Das Fingeralphabet kommt bei den Kindern gut an. Für Lars und Marie ist es schwierig, die verschiedenen Fingertechniken nachzumachen. Wir zeigen gemeinsam leichte Wörter wie zum Beispiel „Hallo“ oder unseren Vornamen und am Schluss das Wort „Einhorn“. (Es ist nun keine Einhorn-AG geworden, aber das Wort kommt wenigstens nochmal vor.) Ich gebe den Kindern ein Blatt mit, auf dem das Fingeralphabet abgebildet ist, damit sie auch weiter damit arbeiten können, eventuell auch mit ihren Eltern.

Die Gruppe ist enttäuscht, als ich ihnen sage, dass das Projekt erst mal beendet ist.

Gesamteinschätzung des Projekts

Ich bin sehr zufrieden mit meinem Projekt und muss zugeben,

dass meine Vorbehalte zum Thema „Lesen lernen“ sich nicht bewahrheiten haben.

Ich bin froh sagen zu können, dass ich alle meine Ziele erreicht habe. Eigentlich sogar mehr als ich erhofft habe. Die Kinder, inklusive die fünfjährige Sarah, haben alle Buchstaben, Groß- und Kleinbuchstaben kennen gelernt, können sie erkennen und benennen. Sie können Buchstaben zusammenfügen und leichte Wörter lesen, manche brauchen noch etwas Unterstützung.

Ich kann sagen, dass die Kinder sehr motiviert sind, das Lesen nun vollständig zu lernen. Sie freuen sich darauf.

Ich habe mich zwar nur in die Anfangsphase des Lesenlernens begeben, aber ich denke, um erste Bausteine zu legen, war das Projekt richtig gut.

Anmerkung der Kursleitung:
Das sehen wir etwas anders. Die Kinder, vor allem Sarah und Marie, haben im Prinzip Lesen gelernt. Alles andere können sie sich jetzt eigentlich allein beibringen – durch Üben an echten kleinen Texten und durch gezieltes Fragen, wenn sie ein Wort nicht ohne Hilfe erlesen können (zum Beispiel wenn sie auf die Umlaute ä ö ü stoßen oder auf die Kombinationen ch und sch. Aber das begreifen sie dann vermutlich auch auf Anhieb und bauen es mühelos in ihre Lesekompetenz ein.

Die Kinder haben mich jedes Mal erstaunt, wie aufnahmefähig sie waren, wie viel sie behalten haben und wie sie Gelerntes im Alltag einsetzen. Sarah war bei allen AG-Einheiten sehr ausgeglichen und fröhlich. Ich denke, das Lernen hat ihr große Freude bereitet und sie gestärkt.

Auch die Eltern zeigten großes Interesse und ich bekam viele positive Kommentare zum Projekt. Besonders die Mutter von Sarah zeigte Interesse und erkundigte sich nach jeder Projekteinheit. Man könnte dieses Projekt noch lange weiterführen und vielleicht könnte die Gruppe am Ende fließend lesen, einfache Wörter können sie ja bereits.

 

Datum der Veröffentlichung: November 2016
Copyright © Hanna Vock, siehe Impressum

Geschichte, die eine Siebenjährige schrieb

von Hanna Vock

 

Als ich noch im Kindergarten arbeitete, schenkte mir ein Mädchen, das inzwischen die 2. Klasse besuchte, die folgende Geschichte, die ich nicht nur gut geschrieben finde, sondern die auch einen feinen Humor beweist.

Hier noch einmal in getippter Form, zum leichteren Lesen, und mit ein paar Anmerkungen:

Ich wohnte in einer sehr gepflegten Wohnung mit einem Mann zusammen. Er verwöhnte mich sehr.
(Hier denken bestimmt viele Leser, die erzählende Person sei eine Frau, und man fragt sich, wie die Siebenjährige auf solche Ideen kommt… Vielleicht war es sogar Absicht, den Leser in die Irre zu führen.)

Doch eines Tage erschrak ich, denn ich hörte mein Herrchen zu seinem Freund sagen: Ich will den alten Dackel verkaufen!“
(Nun klärt sich, wer die Geschichte erzählt…)

Aber immerhin sagte er: „Für 3000 Mark.“ Ich war also doch noch etwas Wert.

(Hier erleben wir mit, wie ein alter Dackel versucht, sich zu trösten.)

Der Freund sagte darauf: „Du bist wohl verrückt! 3000 Mark bekommst du nie für einen Dackel!“
Lange Zeit hörte ich nichts mehr von dem Thema.

Doch ungefähr nach 3 Wochen sah ich wie mein Herrchen einen Zettel schrieb. Darauf stand:
Junger, munterer Dackel für 3000 Mark zu verkaufen!

(Wie geschäftstüchtig! Der alte Dackel wird als jung und munter angepriesen, das lässt bei der siebenjährigen Autorin auf einiges an kritischem Weltwissen schließen.)

Weiter konnte ich nichts lesen, weil er mich aus dem Zimmer brachte. Diesen Zettel wollte er wahrscheinlich am Supermarkt aufhängen.

(Die Geschichte entwickelt sich und bleibt konsequent bei den Gedanken des Dackels…)

Nach 2 Tagen kam der erste Bewerber. Mein Herrchen fragte zu erst nach dem Geld. Der Bewerber sagte: „Ich habe es nicht in bar, aber ich habe zwei Hühner im Wert von je 1500 Mark dabei.“

(Eine überraschende, lustige Wendung…)

Mein Herrchen ging doch tatsächlich auf den Vorschlag ein zu tauschen. Ich war empört!

(Die Geschichte wurde bis zum Ende konsistent aus der Sicht des Dackels erzählt und gut auf den Punkt gebracht. Allerhand!)

 

Datum der Veröffentlichung: November 2016
Copyright © Hanna Vock, siehe Impressum.