Emma und ihre Freunde machen ein richtiges Geschichtenbuch

von Doris Lenz

 

Für meine 5. und letzte Praxisaufgabe im IHVO-Zertifikatskurs hat sich Emma (6;2) für ein Geschichtenbuch entschieden. Das heißt, Emma möchte gemeinsam mit anderen Kindern ein Buch mit verschiedenen Geschichten schreiben, in dem auch von den Kindern gezeichnete Bilder enthalten sein sollen.
Ziel ist es, am Ende ein Buch in Händen zu haben, das in der Kita zum Selbstkostenpreis erworben werden kann.
Auf dem Wege dahin sind – mit meiner Unterstützung und Begleitung – verschiedene Stationen von Emma zu bewältigen:
– Gespräche mit den anderen Kindern führen und erklären, was sie vorhat.
– Entscheidungen treffen über den Buchtitel, das Buchformat, die Anzahl der Geschichten,
– Gespräche mit der Druckerei.

Mehr über Emma können sie hier lesen:

Emmas Stärken (im Alter von 4;6)

Emma führt Regie (im Alter von 4;11)

Ein Gartenbeet anlegen (hier ist Emma 5;9)

Ein sehr gutes Sprachvermögen ist eine von Emmas Stärken. Das äußert sich auch im Erfinden von Geschichten. Sie hat inzwischen mit dem Lesen begonnen und wird hierbei, soweit sie dies wünscht, von ihrer Gruppenerzieherin unterstützt. (Ich bin die Kita-Leiterin.)

Nach wie vor ist Emmas Sozialverhalten ambivalent. Einerseits ist sie hilfsbereit, kann sich in unterschiedlichste Gefühlswelten hineinversetzen, andererseits stellt sie sich häufig in den Vordergrund und vergisst aufgrund ihrer übersprudelnden Ideenfreude und schnellen Auffassungs- und Umsetzungsgabe die Umwelt.

Die Aufgabe, die sie sich jetzt gewählt hat, ist einerseits eine Herausforderung hinsichtlich des umfassenden Projektes mit verschiedenen Handlungsabläufen, andererseits stellt es sie auch vor die Aufgabe, sich auf die Gruppe einzulassen.

Meine Ziele

    • Emma, 6;2, sucht sich die Kinder, die mit ihr das Geschichtenbuch schreiben, selbst aus.
    • Emma erklärt den Kindern in einem Gespräch, worum es ihr geht.
    • Die Kinder erfinden einzeln oder gemeinsam Geschichten.
    • Die Kinder malen Bilder zu den Geschichten.
    • Emma trifft mit den Kindern Absprachen, z.B. über Termine.
    • Emma ruft in der Druckerei an.
    • Ein uns bekannter Drucker wird mit Emma darüber sprechen, welche Möglichkeiten es gibt, ein Buch zu drucken, und welche Kosten auf uns zukommen. Er wird ihr erklären, was Layout bedeutet und was alles berücksichtigt werden muss.
    • Die von den Kindern gemalten Bilder müssen eingescannt werden. Da es sich um Din A3 Formate handelt, kann das nur in der Druckerei geschehen. Emma wird dann mit mir zusammen die Verhandlungen über die Druckereikosten führen.
    • Um die Kosten zu decken, wird der Förderverein der Kita angesprochen. Das Gespräch soll Emma führen.

Erstes Gespräch mit Emma

Ich frage Emma, was sie denn gerne als nächstes machen möchte. Emma will sich dazu nochmal ihren Interessen-Fragebogen ansehen. Schnell kommt ihr die Idee zu einem Buch. Zunächst denkt sie daran, es alleine zu schreiben.
Wir sprechen darüber, was es alles für Arten von Büchern, sprich Literatur, gibt: Sachbücher, Märchenbücher, Fotobücher, Malbücher, Geschichtenbücher.

Mein Hinweis, sie könne ja vielleicht auch noch andere Kinder fragen, ob sie mitmachen wollen, gefällt ihr. Sie überlegt sofort, wer denn dabei sein soll.

Ich gebe ihr ein Blatt Papier und bitte sie, mir die Namen aufzuschreiben.


Emma sucht sich folgende Kinder aus:

Aus der Regenmacher-Gruppe:
Ben (6;3)
Zoe (6;3)
Lotta (6;2)
Melih (6;3) (Junge)
Johanna (6;3)
Awesta (6;4) (Junge)
Liliane (6;3) – sie hat aber keine Lust mitzumachen
Aus der Wirbelwind-Gruppe:
Henriette -sie hat ebenfalls keine Lust mitzumachen
Aus der Sommerwindgruppe:
Sara (6;2)
Tara (5;9)
Yunis (6;0) und Berkay (5;8) (beides Jungen) kommen erst beim 6. Gruppentreffen dazu, als sie hören, dass ein Geschichtenbuch geschrieben wird.

Als nun die Kinder benannt sind, spreche ich mit Emma darüber, dass es ihr Projekt sei. Ich wolle sie zwar unterstützen, aber sie sei die Projektleiterin.
Wir überlegen, wann sie anfangen kann und einigen uns auf den nächsten Tag.

Die Gruppe findet sich

Emma sucht alle Kinder, die sie bei ihrem Projekt dabei haben will, zusammen und geht mit ihnen in den Entspannungsraum. Sie erklärt ihnen, dass sie ein Geschichtenbuch machen möchte. Alle sollen Geschichten erfinden und dazu Bilder malen.
Emma ist sehr aufgeregt und spielt mit ihren Fingern, während sie den anderen Kindern alles erläutert. Manchmal überschlägt sich ihre Stimme, weil sie so schnell spricht. Ich rede ihr zu, dass sie alle Zeit der Welt hat. Sie versucht ruhiger und langsamer zu sprechen. Bis auf zwei Kinder sind alle von den Ideen angetan. Emma „entlässt“ Liliane und Henriette mit den Worten: „Ihr könnt dann gehen. Ihr müsst nicht mitmachen.“ Beide verlassen daraufhin den Raum.

Nun geht es daran Geschichten zu erfinden. Zoe hat die Idee, eine Geschichte über die Fee Lilifee zu schreiben. Emma erklärt: „Die Fee Lilifee gibt es schon, es sollen neue Geschichten sein.“ Ich frage die Kinder, was denn alles zu einer Geschichte gehört. „Ein Name“, antwortet Johanna. Also einen Titel braucht man.

11 Geschichten-Erfinder-Treffen

Beim ersten Mal haben die Kinder Schwierigkeiten, einen Anfang zu finden. Auf meine Frage, wovon Geschichten denn handeln können, sprudeln die Ideen:

– Regenbogen
– Hund
– Elfen
– Dieb
– Glück
– Katze
– Hexe

Die Gruppe trifft sich 11-mal. Bei jedem Treffen geht es um eine Geschichte. Namentlich sind unter dem jeweiligen Titel diejenigen  Kinder aufgelistet, die an der Entstehung der Geschichte aktiv beteiligt sind. Für mich ist interessant, dass die anderen Kinder, die sich gerade nicht aktiv beteiligen, den Entstehungsvorgang konzentriert wahrnehmen.

Emma verhält sich bei allen Treffen sehr sozial und lässt manchmal eigene Vorschläge fallen – zugunsten der Vorschläge anderer Kinder.

Sie integriert sich in die Gruppe und ist ein Teil von ihr. Dies zu beobachten, freut mich sehr.

Beim 2. Treffen hatte ich den Kindern gesagt, dass sie auch alleine eine Geschichte erfinden dürften. Wahrgenommen haben das Emma und Johanna.

Einige Geschichten sind unten am Schluss dieses Beitrag wiedergegeben. Sie entsprechen dem Originalwortlaut der Kinder. Bei der Entstehung haben Emma und Johanna oftmals die Zeiten korrigiert.

Bilderentstehung

Nun, da alle Geschichten fertig waren, wurden die Bilder gemalt. Gemeinsam überlegte Emma mit den Kindern und mir, was denn auf den Bildern zu sehen sein sollte. Wir holten uns aus dem Kita-Fundus Bilderbücher und sahen uns einige an. Dabei fiel den Kindern auf, dass nicht immer jedes Detail der Geschichte gemalt war. So überlegten sich die Kinder alleine oder gemeinsam, was zu sehen sei sollte.

Alle Bilder sind mit Pastellkreiden gemalt und dann gewischt.

12. Treffen

Teilnehmer: Emma, ich und Dieter, von Beruf Drucker
Wir sprechen darüber, wie ein Buch gedruckt wird und welche Kosten auf uns zukommen könnten.

Zunächst berichtet Emma Peter, dass ihre Freunde und sie Geschichten geschrieben haben. Die sollen in ein Buch hinein.

Dieter fragt, ob sie denn wisse, welche Art von Buch sie haben wollen. Emma weiß nicht, was Dieter meint. Ich hole einige Bücher (Bilderbücher in gebundener Form und Taschenbücher in je unterschiedlichen Formaten und zeige sie Emma

Emma zeigt auf die Bücher in gebundener Form. Peter erklärt Emma, dass solch ein Buch herzustellen, 2.000 bis 3.000 Euro kostet. Ein Taschenbuch würde 300 bis 400 Euro kosten. Ich schreibe die Zahlen auf das Flipchart. Emma erkennt, dass die gebundene Form für uns zu teuer ist. Ich hatte schon vorher mit ihr darüber gesprochen, dass wir das Geld irgendwo herkriegen müssen, was sie gleich auf die Idee brachte, dass man es ja verkaufen könnte.

Nun entscheidet sich Emma also für ein Taschenbuchformat. Dieter wird am Computer zwei oder drei Seiten kostenlos für uns layouten, um sie dann Emma und mir zu zeigen. Dann kann Emma entscheiden, was sie gerne anders haben möchte. Emma fragt sofort nach, was das Wort „layouten“ bedeutet, Dieter erklärt es ihr.

13. Treffen

Emma erzählt den anderen Kindern, was mit Peter besprochen wurde. Nun muss ein Titel für das Buch überlegt werden. Emma erklärt: „Titel – das ist die Überschrift.“ Wir schauen uns gemeinsam einige Bilderbücher und ihre Titel an, dann geht’s ans Brainstorming. Folgende Titel werden von den Kindern vorgeschlagen:

    • Das erfundene Märchenbuch
    • Verzaubernde tolle Geschichten
    • Geschichtenerfinder
    • Spannende Abenteuergeschichten
    • Geschichten für brave Leute
    • Geschichten für Alle
    • Geschichten für dich und mich

Sie einigen sich auf: GESCHICHTEN  FÜR  DICH  UND  MICH

Nun überlegen wir gemeinsam, wie wir Geld beschaffen können, damit wir das Buch in Druck geben können. Ich erkläre den Kindern, dass wir einen Förderverein haben. Emma soll mit der Fördervereinsvorsitzenden sprechen. Hier haben die Kinder die Idee: sie wollen Schmuck herstellen aus Papier, Filz und kleinen Fliesenblättchen. Alle Materialien stehen in der Kita zur Verfügung. Außerdem wollen sie Waffeln verkaufen.
Alle sind so Feuer und Flamme, dass sie gleich anfangen wollen. Ich helfe ihnen dabei, das Material zusammenzusuchen und lasse sie dann alleine werkeln.

Weitere Pläne

Geplant sind weitere Treffen mit folgenden Inhalten:

    • Emma spricht mit der Fördervereinsvorsitzenden, ob der Förderverein sich an den Kosten beiteiligt.
    • Die Schmuckstücke werden in der Kita verkauft.
    • Emma bespricht mit Dieter und mir das Layout.
    • Emma informiert die anderen Kinder darüber.
    • Alle beteiligten Kinder besuchen (falls dies möglich ist) die Druckerei, wenn die Seiten ihres Buches gedruckt werden.
    • Das fertige Buch wird in einer Leserunde der Kita vorgestellt. Anschließend hoffen wir auf viele Käufer.

Nachtrag:
Tatsächlich kam genügend Geld für den Druck zusammen: Die gebastelten Schmuckstücke und auch selbst gebackene Waffeln wurden gut verkauft und der Förderverein gab auch etwas dazu, nachdem Emma das Anliegen überzeugend vorgetragen hatte.

Dieter, Emma und ich besprachen das Layout und Emma hat die anderen Kinder gut informiert. Leider konnten wir in deer Druckerei nicht zusehen, aber es wurden 200 Exemplare gedruckt und bis auf einen kleinen verschenkten Rest verkauft.

Seit der Leserunde für die ganze Kita liegt für die Kinder immer ein Exemplar zur Ansicht bereit.

Alles in allem – und insbesondere für Emma – war das Projekt ein voller Erfolg.

Und hier ist eine Auswahl der Geschichten
(vor Layout und Druck):

 

Die Buntis

Text und Bild von Emma

Tom und Schnuffi

Text: Melih, Emma, Awesta, Johanna
Bild: Melih

 

Das ist eine Geschichte über den Polizisten Wolfgang

Text und Bild: Ben und Melih

 

Dino Löttchen-Johännchen

Text: Lotta, Johanna, Zoe und Emma
Bild: Lotta und Johanna

 

Schneller Wolf

Text: Ben, Emma, Melih, Lotta, Zoe und Johanna
Bild: Emma

 

Die Katze Lisa

Text: Sara, Emma, Tara, Johanna und Melih
Bild: Sara


 

Der kleine Felix mit dem Knuddelbär

Text: Lotta, Johanna und Zoe
Bild: Lotta

 

Herr Drache Flammspeier

Text: Yunis und Lotta
Bild: Yunis

 

Ich und mein kleiner Bruder Uli

Text und Bild: Johanna

 

 

Datum der Veröffentlichung: Februar 2020
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