von Claudia Flaig

 

Wie alles begann

Zu Beginn des neuen Kita-Jahres schlage ich im Team die Einrichtung einer Lernwerkstatt vor – und folge damit einer Anregung aus dem IHVO-Kurs.

Die Kolleginnen sind nicht nur sofort einverstanden, sondern richten die Werkstatt aktiv mit ein. Vor der damals noch bevorstehenden größeren Umstrukturierung der Einrichtung können wir dafür nur die Hälfte eines Gruppen-Nebenraums nutzen. Hier befinden sich zusätzlich eine Lese-, Kuschel- und eine Bau-Ecke.

Alena – zu diesem Zeitpunkt 4;5 Jahre alt – entdeckt morgens sofort den umgeräumten Raum und fragt, was dort passiert. Sie verbringt gleich eineinhalb Stunden dort, die meiste Zeit allein. Sie nimmt ein Spiel nach dem anderen in die Hand, sieht es sich genau an.

Dann kommt sie mit dem Ordner der Arbeitsblätter zu mir und fragt, ob sie eines davon machen dürfe. Ich erkläre ihr, dass sich die Kinder nun jederzeit ein Arbeitsblatt nehmen dürfen. Damit sollen sie dann zu einem Betreuer kommen, die Aufgaben des Blattes besprechen und dürfen sie dann ausarbeiten. Die Regel ist, dass das Blatt beendet werden soll. Dann darf man sich, soweit man mag, ein weiteres Blatt nehmen.

Alena macht von nun an oft gleich zwei Blätter hintereinander. Die Ordner der Kinder liegen in einem Regal.

…kurz gefasst…

Die Autorin richtet mit einigen Kindern, darunter Alena (ihr Beobachtungskind im IHVO-Kurs), eine Lernwerkstatt ein. Alena und fünf andere Kinder bilden eine Kerngruppe, die sich zunächst mit dem Material vertraut macht, um danach die anderen Kinder anleiten zu können.

Auch bei den ersten Experimenten ist zunächst die Kerngruppe dabei. Es wird beschrieben, wie Alena einen Versuch dann mit einem interessierten Dreijährigen  wiederholt.

Mit den Kindern werden Nutzungs-Regeln aufgestellt

Die anderen Kinder der Gruppe entdecken die Lernwerkstatt nur zu einem kleinen Teil am ersten Tag, manche erst später. Nach drei Tagen stellen wir gemeinsam mit den Kindern die Regeln für die Lernwerkstatt auf:

– Aus Platzgründen sind immer nur drei Kinder in der Lernwerkstatt (LW).

– In der LW soll es ruhig sein (das klappt meistens auch trotz der Bauecke!)

– Spiele werden ordentlich weggeräumt.

– Umgang mit Arbeitsblättern: Blatt auswählen, besprechen, beenden, abheften, falls gewünscht erst danach ein weiteres bearbeiten.

– Die Stifte bleiben in der LW, sie gehören nach Gebrauch zurück ins Regal.

– Die LW ist nicht die Malecke – der Maltisch steht weiterhin im Gruppenraum.

– Wer regelmäßig Arbeitsblätter macht, bekommt dafür einen Ordner.

– Kleine Kinder dürfen auch in die LW, aber nur wenn sie nicht stören.

Die erste Ausstattung der Lernwerkstatt

In der zunächst noch engen Werkstatt dient ein Matratzenlager mit Kissen als Lese- und Kuschelecke. Ein kleiner Tisch mit Bank und zwei Stühlen gibt Möglichkeit zum Bearbeiten der Arbeitsblätter und für Tischspiele.

Die Erstausstattung mit Büchern:

    • Antje Damm: „Ist 7 viel?“ (Moritz-Verlag)
    • Philip Waechter: „Ich“ (Beltz-Verlag)
    • Sylvaine Perols: „Der Körper“ (Meyers kleines Kinderlexikon)
    • Diercke Weltatlas / und dazu auch ein Globus
    • Angela Weinhold: „Kinder dieser Welt“ (Wieso? Weshalb? Warum? Sonderband, Ravensburger)

Außerdem bringen wir auch drei Plakate an:

    • Abwaschbare Weltkarte (Schönhoff, Krüger und Ortmann)
    • ABC-Poster und Zahlen-Poster (beide vom Beltz-Verlag)

Und diese Spiele sind in unserer Erstausstattung verfügbar:

    • Logeo
    • Nikitin-Material Logo
    • Wer ist es? (Hasbro-Spiele)
    • Lotti Karotti (Ravensburger)
    • Schau genau
    • Cuboro
    • Rush hour (Ravensburger/Thinkfun)
    • Lesehexe (Haba)
    • Kleiner Rabe kann das ABC (Kosmos)
    • Bilder- und Buchstabenkarten vom Würzburger Buchstaben- und Laut-Training 2
    • Klatschdomino (Fröhling)
    • Unsere 5 Sinne und die Umwelt (Fröhling)
    • Plan toys Zahlenpuzzle
    • Magnettafel mit Buchstaben

Ebenfalls durch den IHVO-Kurs angeregt, wollen wir Eltern als Experten gewinnen. Nach kurzer Information auf der Elternversammlung hängt dazu ein Plakat im Flur.

Die Lernwerkstatt profitiert von der Kita-Umstrukturierung

Die unter anderem durch eine Gesetzesänderung ausgelöste große Umstrukturierung und Erweiterung unserer Einrichtung, verbunden mit einem Umbau, hat uns alle stark belastet. Wenigstens ein Vorteil: Nun, nach über einem Jahr, hat unsere Lernwerkstatt mehr Platz. Und unsere Leiterin verwendete einen großen Teil der zusätzlichen Mittel für Einrichtung und Materialien der Lernwerkstatt. (Danke!) Gemeinsam mit einer Kollegin habe ich zudem die Förderung unserer Vorschulgruppe, der 15 „Schlaufüchse“, übernommen, zu denen jetzt auch wieder Alena gehört – sie ist mittlerweile 5;8 Jahre alt.

Alena blüht auf

Durch die Erfahrung, mit den älteren Kindern mithalten zu können und von ihnen akzeptieert zu werden, ist Alena total selbstbewusst geworden. Das zeigt sich mir durch ihren offenen Blick. Sie kommt morgens aufrecht in die Gruppe – früher schlich sie sich öfter Nägel kauend herein. Nun hat sie oft etwas zu erzählen. Mit einem allumfassenden Blick checkt sie die Gruppensituation und der Tag kann beginnen.

Meine Gruppe ist von 15 auf 22 Kinder aufgestockt worden. Das bietet jetzt viele Einsatzmöglichkeiten, bei denen Alena ihre Sozialkompetenz ausleben kann – der einzige Vorteil dieser drastischen Erhöhung der Kinderzahl! Selbstverständlich ist die Betreuung fünf neuer Zweijähriger nicht ihre Aufgabe. Allerdings ist es Alena so nicht langweilig, wenn es gerade kein Angebot oder einen angenehmen Spielpartner gibt.

Viel geistiges „Futter“ für die „Schlaufüchse“

Zu den 15 „Schlaufüchsen“ gehören neben acht altersgemäß entwickelten Kindern vier sehr begabte Vorschulkinder mit großen Buchstaben- und Zahlenkenntnissen, die im Sommer regulär eingeschult werden, sowie Charlotte (4;5 Jahre alt), Sina (ebenfalls 4;5) und Hannes (4;7), die nicht nur über Buchstaben- und Zahlenkenntnisse verfügen, sondern dort auffällige Begabungen zeigen. Hannes kann schon vieles lesen, während Sina eine unwahrscheinlich kluge sprachliche Ausdrucksweise hat. Sie ist in der Gruppe sehr ruhig und angepasst, wirkt körperlich eher ein Jahr jünger. Sie soll mehr kognitives „Futter“ bekommen.

Im mathematischen Bereich setzen wir in der Vorschularbeit hauptsächlich die „Ideenkiste für die mathematische Bildung im Kindergarten“ ein. (Praxisordner für die frühkindliche Bildung, Band 9, Loseblattsammlung – von Ans Veltman und Willeke ten Noever Bakker – Bildungsverlag Eins.)

Im Bereich des Sprach- und Schrifterwerbs verwenden wir ein „Graphomotorisches Arbeitsbuch“
(Für Eltern, Erzieher/innen, Therapeut/innen, Pädagog/innen. Mit der Geschichte von Frede Schnodderbüchs und seinem Freund Addi Luftikus in vielen bunten Bildern. Autorinnen: Antje C Loose,‎ Nicole Piekert,‎ Gudrun Diener – Richard Pflaum Verlag.)

Außerdem gehen die „Schlaufüchse“ insgesamt zehn Wochen lang jeden Mittwoch ins Bonner Kunstmuseum zu einem Kunstkurs für Kinder. Ein Kunstpädagoge sieht sich mit den Kindern ein von ihm ausgewähltes Werk eines Künstlers an, erarbeitet und bespricht es mit ihnen. Dann folgt eine praktische Arbeit in der Museumsschule mit einer besonderen Aufgabenstellung – ohne Eingrenzung der künstlerischen Freiheit.

Damit erreiche ich spielerisch einen wichtigen Lerninhalt zur Schulvorbereitung: Wie lautet die Aufgabe? Was beinhaltet diese Aufgabe, was schließt sie aus? Was wird von mir erwartet, wie setze ich es um?

Die Kinder gehen sehr gerne dort hin, unsere Kita macht diesen Kurs schon im dritten Jahr. Zum Abschluss des Kurses planen wir in der Kita eine Veranstaltung, bei der die Kinder ihre Werke und eine Auswahl von Künstlern vorstellen.

Alena hat bei den Kindern das Sagen

Alena ist nun die „Chefin“ der Mädchen in unserer Gruppe. Selbst die etwas ältere Mariana erkennt das an. Machtkämpfe finden selten statt, da Mariana, sehr klug, aber leider völlig auf sich gestellt, absolut andere Interessen hat als Alena: Barbie, Juwelen, Stiefel mit Absätzen; den ganzen Vormittag trägt sie eine rosa Stola, usw.

In der Lernwerkstatt zeigt sich immer wieder Marianas Begabung, Zusammenhänge schnell zu erkennen. Auch nachdem ich dreimal sehr eindringlich und deutlich mit den Eltern gesprochen habe, fördern sie Mariana anscheinend nicht. So bleibt es vor allem meine Aufgabe, Mariana zu lehren, sich selbst zu organisieren, damit sie ihre Ressourcen in der Schule dann nutzen kann.
(Siehe auch: Wenn Eltern wenig fördern.)

Bei den Jungen ist Alena ein Star: Sie kloppt sich gerne, verhält sich sehr dominant und achtet auf strikte Einhaltung der Regeln im überfüllten Außengelände. (Die Gartenerweiterung soll erst später erfolgen.) Selbstverständlich signalisiere ich ihr Grenzüberschreitungen bezüglich ihrer Dominanz; dabei reichen Blicke – wir sind ein eingespieltes Team.

Ist sie in der Lernwerkstatt von mir besonders unterstützend gefordert, stöhnt sie öfter:
„Ich frage mich, warum ich das hier alles mache!“
Ich grinse dann zurück und frage: „Magst Du nicht?“ – „Doch, klar!“ lacht sie dann zurück.

Diese Übereinkunft zeigt mir, dass Alena sich in der Kita das „Futter“ nimmt, das sie braucht.

Schwierige Arbeitsbedingungen

Die Folgen der Umstrukturierung der Kita belasten uns immer noch. Die Kinderpflegerinnen müssen nun noch eine dreijährige Erzieherinnenausbildung machen und fühlen sich sehr unwohl. Die freigestellte Kita-Leiterin kann nur im allergrößten Notfall Vertretungen übernehmen. Dabei ist unsere Arbeit seit Wochen geprägt durch permanentes, krankheitsbedingtes Fehlen von zwei bis vier Kolleginnen. Dazu kommen Resturlaube und Fortbildungen, wenn sie denn dann nicht ausfallen müssen.

Meine neue Kollegin (sie hatte bereits beim Schattenspiel-Projekt mitgewirkt) passt prima in die Gruppe – und zu mir, ich bin ja auch nicht die Einfachste. Ich kämpfe täglich darum, meine pädagogische Arbeit nicht zu vernachlässigen. Während ich dies schreibe, fehlt meine neue Kollegin gerade auch eine Woche. Mit einer Halbtagskraft muss ich eine Woche lang 22 Kinder alleine betreuen – ich bin echt k.o.
(Siehe: Rahmenbedingungen verbessern!)

Alena richtet die erweiterte Lernwerkstatt mit ein

In den neuen Räumen ist nun mehr Platz für die Lernwerkstatt. Bisher ist das vorhandene Material nur grob sortiert. Ich gehe mit Alena in die Werkstatt und möchte ein Interessengebiet herausfinden, mit dem ich sie motivieren könnte, sich als „Expertin“ der Lernwerkstatt ausbilden zu lassen und dabei auch andere Kinder mit ins Boot zu nehmen.

Gemeinsam sortieren wir die Materialien, wobei ich versuche, Alena die verschiedenen Bereiche verbalisieren zu lassen. Obwohl sie gerne mitgegangen ist, erscheint sie zunächst etwas unmotiviert.

Folgende Bereiche ergeben sich:

– Gerätekunde (Wir haben wieder drei Geräte zum Auseinandernehmen)

– Rechnen (Ich schlage den Begriff Mathematik vor, Alena will das nicht.)

– Erdkunde (oder Weltwissen – Alena: „Nein, Erdkunde. Das hört sich toller an.“)

– Biologie (Das gefällt ihr besser als Pflanzen oder Natur.)

– Weltwissen (Nun ist Alena für diese Bezeichnung – wegen eines Plakates mit Planeten.)

Jetzt wird Alena lebhafter: „Ich habe zu Hause ein Büchlein über Planeten – da steht alles drin. Wir könnten einen Himmel und die Erdkugel machen. Das wäre gut. Dafür interessieren sich bestimmt auch Amar und Frederik.“

Dann sagt sie ganz unverhofft: „Früher bin ich mit Sina und Amar turnen gegangen. Ich frage mich, wann das wieder passiert?“

Ich bin erstaunt: Sie erkennt den Zusammenhang zwischen der Anleitung der Turngruppe, nach der sie lange nicht gefragt hat, – es ist über ein Jahr her – und meinen neuen Plänen!

Wir entdecken bei den Materialien noch den Bereich „Chemie“. Alena sortiert verschiedene Messbecher und Gläser mit Deckel. Dabei erzählt sie von Peter Lustig (Kinder-Naturkundeserie „Löwenzahn“ im Zweiten Deutschen Fernsehen), der einen Versuch mit einem Ei zeigte. „Wie das geht, weiß ich nicht mehr. Ich habe eine DVD von Peter Lustig. Gib mir einen Zettel mit, damit die Mama mir die DVD mit in den Kindergarten gibt. Dann können wir das mal machen.“ Ich schreibe ihr den Zettel.

Die Kerngruppe der Lernwerkstatt entsteht

Ich sage Alena nun, dass sie gemeinsam mit einer festen Kerngruppe unter meiner Anleitung den anderen Kindern die Lernwerkstatt erklären darf. Dazu können wir zunächst in der Kerngruppe Aktivitäten aus allen vertretenen Wissensgebieten durchführen.

Alena ist begeistert und schlägt – ohne dass ich sie dazu aufgefordert habe – folgende Kinder vor:

Alena (5;8 Jahre) – Frederik (5;10) – Amar (5;3 / Alena: „Der ist ganz gut.“) – Charlotte (4;5) – Hannes (4;7) – Beatrice (5;8). Die sechsjährige Mariana und der fünfjährige Finn sollen Springer sein oder bei der zweiten Durchführung mitmachen.

„Und ich?“, fragt Alena und tippt auf die von mir geschriebene Namensliste. „Du bist die Nummer 1“, sage ich und zeige auf ihren Namen. „Ich verrate denen das sofort,“ sagt sie strahlend.

Aufgaben der Kerngruppe

Kurze Zeit später gehen wir mit dieser Kerngruppe noch mal alle Bereiche durch, räumen die Lernwerkstatt um und weiter ein.

Im Einzelgespräch schildere ich Alena meinen Eindruck, dass sie sich besonders für den Weltraum und für Chemie-Experimente interessiert. Ich frage sie nach ihren Vorschlägen, was wir nun in nächster Zeit in der Lernwerkstatt unternehmen sollen. „Das Experiment mit dem Ei!“ antwortet sie ohne Zögern.

Mein Ziel ist es, die Lernwerkstatt für alle Kinder der Kita, die laufen können, dauerhaft präsent zu halten. Erstes Projekt wird nach Alenas Vorschlag also „Experimentieren in der Lernwerkstatt“. Die Kerngruppe, die Alena mit meiner Hilfe anleitet, soll die anderen Kinder der Kita motivieren, in die Lernwerkstatt zu kommen.

Die Kerngruppe soll zunächst folgendes kennen lernen und Gelerntes weitergeben:

    • Umgang mit dem Mikroskop,
    • Anwendung von Balken- und Digitalwaage,
    • Sicherer Umgang mit (ungefährlichen) chemischen Stoffen,
    • Sicherer Umgang mit Werkzeugen (das können schon viele durch das vorherige Demontage-Projekt, aber es gibt ja immer wieder neue Kinder),
    • Erlernen erster Computerkenntnisse,
    • Erarbeiten und Befolgen der Raumregeln.

Diese Ziele sollen erreicht werden mit einfachen Experimenten nach Prof. Gisela Lück – die ich in zwei äußerst spannenden Vorlesungen über „Naturwissenschaftliche Experimente für Kinder“ kennengelernt habe. (Wir nutzen dazu ihre im Herder-Verlag erschienenen Anleitungen „Was blubbert da im Wasserglas“ und „Neue leichte Experimente für Eltern und Kinder“.)

Das ist zunächst nur ein Leitfaden. Ich denke, ich bin flexibel genug, Impulse der Kinder aufzunehmen und den Projektverlauf weitestgehend durch die Interessen und Vorschläge der Kinder planen zu lassen.

Durch die Experimente werden die Kinder hoffentlich lernbegeistert in die Lernwerkstatt gelockt
– sie soll eine kleine Bildungsinsel in der Kita werden.

Im Team habe ich zunächst je zwei Stunden am Dienstag und Donnerstag für die Durchführung neuer Experimente „frei gebaggert“. Wegen Personalmangels habe ich jetzt aber nur jeweils eine Stunde dafür. Die Experimente werden zuerst dienstags mit der Kerngruppe durchgeführt. Donnerstags folgt dann das gleiche Experiment mit Alena und/oder anderen interessierten Kindern der Kerngruppe und neuen Kindern, wobei hier dann auch sehr junge Kinder angesprochen werden.

Die Kinder der Kerngruppe gehen in alle Gruppen und sprechen Kinder an.

Die übrige Zeit der Woche kann, bis auf zwei Stunden Sprachförderung, die Lernwerkstatt von allen Kindern unter Einhaltung der Regeln genutzt werden. Hier dürfen auch Experimente wiederholt werden.

Erste Aktivitäten: Seifenblasen und Knete herstellen

Bevor wir mit den Experimenten beginnen, schauen wir uns gemeinsam die Peter Lustig-DVD von Alena an. Die vielen interessanten Beiträge über Natur, Technik und Chemie faszinieren die Kinder.

Dann fällt Alena mehr als zwei Wochen wegen Krankheit aus. In dieser Zeit stellen Kinder der Kerngruppe ohne sie Seifenblasen-Lauge und Drahtschleifen für große Seifenblasen her.

Hannes, Amar und Frederik beginnen im Auftrag der U3-Gruppe mit der Herstellung von Knete. Als Alena wieder gesund ist, zeigen sie ihr, wie es geht (Rezept nach Lück).

Da Frederik der Sprachförderung bedarf, fordere ich ihn auf, die Arbeitsschritte zu erklären. Er erklärt die Digital-Waage: „Da stellt man ein Teil drauf, Mehl rein – da sieht man, wie viel Gramm das ist.“ Alena nimmt Knete vom Tisch, die dort noch von der letzten Herstellung liegt, und fragt, wer sie gemacht hat. Hannes: „Wir.“  Darauf Alena: „Das habt ihr aber gut gemacht!“

Alena kennt alle Begriffe: Strom, Gramm („Es gibt auch Milligramm“), Kilogramm, Temperatur, messen, wiegen, Liter, Milliliter, Pulver, Wasserkocher. Durch dieses Wissen ist sie in der Lage, die Wiederholung dieser Aktivitäten selbstständig anzuleiten.

Zunächst ist die Konsistenz der Knete nicht fest genug. Alena ist sofort klar, dass mehr Mehl hinzugefügt werden muss. Kaum ist die Knete fertig, nimmt sich Alena die Schüssel und verteilt die Knete – und nimmt sich zuerst davon, was ich korrigiere. Sie gibt Anweisungen: „Nehmt Euch die Reste aus der Schüssel.“ Ich sage: „Bitte!“ und sie wiederholt die Aufforderung freundlicher.

Alena schlägt nun vor: „Jetzt machen wir Essen!“ Darauf ich: „Können Schlaufüchse auch Zahlen kneten?“ – „Okay,“ sagt Alena.

Zuerst ritzen die Kinder Zahlen in die Knete, dann Buchstaben, schließlich rollt eines Würste und die Kinder formen daraus Zahlen und Buchstaben sowie entsprechende Tiere: zum Beispiel E wie Elefant.

Als Alena Probleme hat, eine 3 zu formen, zeigt ihr Frederik, wie es geht. Alena lobt ihn ehrlich.

Diese beiden ersten „offiziellen“ Beschäftigungen in der Lernwerkstatt lassen die Kinder verschiedene Bereiche der Werkstatt erkennen und zuordnen. Die Kinder malen sich die Rezepte für Knete und Seifenblasen auf.

Nun geht es an die chemischen Experimente

Nachdem wir die Knete in der U3-Gruppe abgegeben haben, kündige ich Alena den ersten chemischen Versuch an. Alena reagiert besorgt: „Mit Feuer will ich nicht spielen. Ich habe Angst, dass sich einer verletzt.“ Ich erkläre ihr, dass die Kinder mit gefährlichen Sachen wie Feuer, Strom und giftigen Stoffen aus der Apotheke sowieso nur mit mir gemeinsam arbeiten dürfen.
Alena: „Ja, wir machen nur einfache Experimente alleine!“

Ich denke, sie fühlt sich ein wenig überfordert. Deshalb mache ich ihr noch einmal deutlich, dass sie nichts machen werde, was sie nicht wolle, und dass ich immer in der Lernwerkstatt präsent sein werde. Schließlich sei ich die Erzieherin und nicht sie. Alena scheint erleichtert.

Ich erkläre den 6 Kindern der Kerngruppe, welche Materialien sie für unser erstes Experiment mitbringen sollen. Es geht um das Thema: „Was die Eierschale mit unseren Zähnen zu tun hat“ (nach der Anleitung von Gisela Lück). Über unser Vorhaben informiere ich alle Kinder mit einem Plakat, das ich gut sichtbar an die Ausgangstür anbringe.

Der Versuch mit der Eierschale

Diesen Versuch hat Alena vorgeschlagen. Aus Motivationsgründen soll dies nun auch unser erstes Projekt sein. Günstigerweise war nur wenige Tage zuvor die „Zahnputzfee mit Fridolin“ in der Kita, sodass die Kinder ihr Wissen um die Zahnpflege gerade aufgefrischt haben.

Fünf Kinder der Kerngruppe nehmen zunächst daran teil: Alena, Beatrice, Hannes, Amar und Frederik.

Ich frage nach dem Begriff „Versuch“. Hannes (4;7 Jahre alt) hat rasch eine Erklärung parat: „Ein Versuch ist, wenn man was versucht hat, wo man dachte, man kann es. Dann versucht man es. Dann klappt es – oder nicht.“ Alena dazu: „Ein Versuch ist, wenn ein Mensch es nicht kann, aber er versucht es, bis er es kann.“

(Hannes geht also davon aus, etwas zu können, während Alena erst einmal nicht davon ausgeht – das scheint geschlechtsspezifisch zu sein.) Hannes sagt kurz darauf, wir seien Forscher und einen Versuch nenne man auch Experiment.

Zunächst machen wir uns mit den chemischen Zutaten vertraut. Beim Schnuppern am Zahn-Gel erkennen die Kinder, dass es sich um Zahnpasta handelt. Am Essig riechend verstehen die Kinder den Begriff Säure, nachdem sie erst denken, es sei Öl (vielleicht, weil sie sich an die Herstellung von Knete erinnern).

Das erste Ei fällt nach dreiminütigem Putzen mit dem Zahn-Gel zu Boden. So lernen wir gleich, auch mit einem Scheitern zu leben. Dann sind wir vorsichtiger. Die drei Minuten erscheinen uns sehr lang. Sind drei Minuten lang? „Jetzt ja,“ sagt Alena. (Vielleicht machen wir später mal ein Zeitprojekt?)

Wir legen das geputzte Ei in Essig.

Hannes bemerkt: „Oben sind Sprudel!“ Beatrice sagt: „Das sind Gasbläschen!“ Ich frage nach dem Zustand der Eierschale dort, wo wir kein Gel aufgetragen haben. Alena: „Da sind keine Gasbläschen.“ (Sie hat sich diesen Begriff sofort gemerkt.) Auf meine Frage, warum sich das Ei im Essig bewegt, antwortet Alena, das sei wegen der Gasbläschen und Hannes meint, das sei wie im Sprudel.

Alena fragt, warum das Ei im Essig so dick werde. Ich fordere sie auf, sich das Ei von oben und unten anzusehen. Da erkennt sie, dass es sich wegen der Wölbung des (Marmeladen-)Glases um eine optische Täuschung handelt. Wir beobachten das Schauspiel noch zehn Minuten lang, dann richten wir eine „Beobachtungstation“ ein. Das heißt, auf einem leergeräumten Regalbrett in der  Lernwerkstatt (mit Glasfenster zum Gruppenraum) liegt nun eine blaues Stoffset; und drauf stellen wir Ergebnisse unserer Versuche aus.

Alena wiederholt den Versuch

Am folgenden Donnerstag bringt Pavel (3;3 Jahre alt) ein Glas mit einem hart gekochten Ei mit. Ich frage Alena, ob sie mit Pavel den Eier-Versuch machen will. „Kann ich mit ihm machen,“ stimmt sie zu.

Sie stellt alle Materialien auf ein blaues Set und fordert Pavel auf, ihr zu sagen was er alles sieht. Dann sagt sie: „Dann mach ich das mal mit der Zahnbürste.“ Ich mache sie darauf aufmerksam, dass sie es ihn so bald wie möglich selbst machen lassen soll. „Ja,“ sagt sie und grinst mich an.

Pavel sagt: „Das Ei haben wir gekocht.“ Darauf Alena: „Ja, schön. – Also, das geht so: Hol mal das Ei da raus. Ich halte die Hand darunter. Jetzt hol mir mal das Tuch da raus.“ (Pavel hat das in ein Tuch eingewickelte gekochte Ei in einem Glas mitgebracht.)

Alena will das Zahn-Gel auf das Ei drücken, sieht mich an und fordert dann Pavel auf es zu tun. Pavel: „Ich mach hier Gel drauf.“ – Alena: „Ja, richtig. Das machst Du gut!“ Sie blickt zu mir und sagt: „Wecker einstellen!“ Ich gebe Pavel Hilfestellung: „Bitte! Drei Striche sind drei Minuten. Du kannst das sicher einstellen.“

Pavel sieht erschrocken zu mir, hält sich die Ohren zu und fragt: „Ist das laut? Ich mag nicht mehr!“

Nun greift Alena ein: „Du brauchst keine Angst zu haben. Wir wollen nur drei Minuten Zahnpasta aufs Ei bürsten, weil das Ei kommt in Essig, der ist sauer und macht das Ei kaputt. Wir sehen, ob Zahnpasta wirklich die Zähne schützt.“ Dann zu mir gewandt: „Claudi, kannst Du die Uhr weg tun, bitte. Pavel hat Angst!“

Ich bin erstaunt, wie einfühlsam und klug Alena Pavel geholfen hat, seine Angst zu überwinden und weiterhin das Experiment machen zu wollen. Jedenfalls stelle ich die Zeitschaltuhr in den Gruppenraum. Pavel bleibt jedoch beunruhigt. (Die Mutter bestätigt mir später Pavels Problem mit tickenden Uhren – Ursache unbekannt. Vielleicht ein weiterer Anlass für ein Zeitprojekt?)

Pavel hört das Klingeln der Uhr nicht und beobachtet fasziniert die Gasbläschen: „Da sind kleine Kügelchen. Unten sind keine Kügelchen.“ Und dann erschrocken: „Wo ist die Uhr?“

Alena beruhigt ihn: „Die hat die Claudi weg gebracht. Sie ist schon abgelaufen. Also, hier siehst Du Kügelchen. Hier ist das Ei geputzt, da sind keine Kügelchen. Du musst Dir immer die Zähne putzen, das schützt vor Karius und Baktus. Hast Du gehört, Pavel?“ Er nickt. Alena hat ihn geschickt zum Thema zurück gebracht.

(Anmerkung der Red.: „Karius und Baktus“ ist ein norwegischer Puppenfilm aus dem Jahr 1954, der Kinder zum Zähneputzen animieren soll. Er basiert auf dem 1949 in Norwegen erschienenen gleichnamigen Kinderbuch von Thorbjørn Egner. Später erschien es auch auf Deutsch. Die Zahnteufelchen Karius und Baktus wurden bei Kindern zum Symbol für Löcher (Karies) in den Zähnen. – Quelle: Wikipedia-Artikel „Karius und Baktus“, abgerufen 3.5.2018)

Im Folgenden zeigt Alena dieses Experiment sehr gut den beiden Jungen Enno und Finn, die nicht zur Kerngruppe der Lernwerkstatt gehören.

(Siehe auch: Das Hühnerei, verlinkt auch bei: Projekte zu physikalischen und/oder chemischen Erkundungen.)

Zweiter Versuch: Luft ist nicht nichts

Dieses Experiment hat sich sofort in der Kita herumgesprochen; die Kinder sind sehr beeindruckt. Immer wieder kommen Kinder und wiederholen dieses Experiment, mittlerweile auch selbstständig. Von mir angeleitet, erleben 17 Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren die erstaunlichen Vorgänge. Alena ist immer wieder gern dabei.

Der neue Versuch ist auch wieder Anlass, weitere Definitionen für diese Art des Forschens zu finden. Beatrice, die bereits bei den Seifenblasen, bei der Knete-Herstellung und dem Eierschalen-Zahnpasta-Experiment mitgemacht hat, sagt nun: „Versuche sind Dinge, die man ausprobieren kann. Da kann man sehen, was passiert. Vielleicht passiert was Spannendes, oder es verändert sich was. Oder es löst sich was auf.“

Ein dreieinhalbjähriges Mädchen meint: „Bei einem Versuch kann man etwas vermischen.“

Als Alena einmal beim zweiten Versuch das mit Luft gefüllte Glas im Wassser schräg hält, sagt ein anderes dreieinhalbjähriges Mädchen sofort, es handele sich um Luftblasen. Dann bläst sie einem Kind ins Gesicht, was natürlich alle nachmachen: Luft sieht man nicht, aber man kann sie spüren.

„Da wo jemand sitzt, wo also der Körper von uns ist, kann keine Luft sein,“ erkläre ich einmal. „Nein,“ erwidert Hannes, „aber genau um uns rum!“ Ich bin schon sehr erstaunt, was durch den Impuls eines kleinen Versuches so alles von den Kindern geäußert wird.

Zu Luftblasen sagt Sina (4;5), in der Badewanne mache sie immer Blubberblasen: „Hätte man keine Luft, wäre man tot.“ Seit Sina von mir zu den „Schlaufüchsen“ (Vorschulgruppe) geholt wurde, spricht sie immer wieder über das Thema Tod (Sollte ich mal ein Projekt planen zu: Uhr-Zeit-Tod?)

(Siehe auch: Adrian entdeckt das Zeitunglesen – Fragen von Leben und Tod.)

Ich biete jedem jüngeren begabten Kind einen Platz bei den „Schlaufüchsen“ an, auch wenn die Kolleginnen – in Sorge um die Gleichbehandlung der Kinder – darüber nicht begeistert sind.

Später werde ich Ohrenzeuge, wie drei Jungen den Versuch eigenständig wiederholen. Einer sagt: „Bei uns zu Hause sind alle Gläser voller Luft.“ Einer antwortet: „Bei uns glaube ich auch.“

Das Experiment wird noch mit Teelichthülse und Gummibärchen weiter entwickelt. Es ist hier sehr schön anschaulich beschrieben und erklärt.

Dritter Versuch: Nicht alle Flüssigkeiten verhalten sich wie Wasser

Gestützt auf die Anleitungen bei Gisela Lück lasse ich die Kinder der Kerngruppe das Thema dieses Versuches zunächst weitgehend selbst entwickeln.

An der ersten Durchführung nehmen Alena (5;8), Hannes (4;7), Frederik (5;10), Mariana (5;11), Amar (5;4) und Caro (3;6) teil. Caro, die ja zunächst nicht für die Kerngruppe nominiert wurde, ist jetzt oft dabei. Sie würde gerne jedes Mal mitmachen. Sie drückt sich die Nase an der Scheibe vor der Beobachtungsstation platt, wenn sie lernen muss, dass auch mal andere Platz haben müssen.

Beim Umfüllen des Wassers erkennen die Kinder sogleich, dass sich Wasser aus verschiedenen Behältern vermischt – Alena: „Wasser bewegt sich.“ Sina: „Es ist flüssig.“

Welche Flüssigkeiten kennen sie noch? Zuerst nennen die Kinder typische wie Limo oder Milch. Nach meiner Aufforderung, sich in der Lernwerkstatt umzusehen, kommt „Spüli“ von Amar und „Glycerin“ von Mariana. Hannes meint: „Kerzenwachs vermischt sich mit Wasser.“ Dem stimmt Alena zu. Ich schlage vor, diese These zu überprüfen.

Also starten wir den Versuch. Alena zündet mit mir ein Teelicht an. „Wir warten auf dünnes Kerzenwachs.“ erklärt sie. „Auf flüssiges,“ korrigiert Mariana. Grinsend sagt Hannes: „Was ist, wenn man Feuer ins Wasser tut?“ Ich gebe die Frage an ihn zurück. Hannes: „Dann ist es aus.“

Ich bemerke bei dieser Beschäftigung, dass diese Gruppe wirklich jedem das Wort lässt – das fällt ansonsten Mariana besonders schwer.

Während wir beobachten, wie sich das Kerzenwachs im Teelicht verändert, erklärt Amar, dass Eis auch durch die Sonne schmilzt. Alena schüttet dann das heiße, flüssige Wachs in das Wasser und sagt zu Frederik: „Schnell, umrühren!“ Aber das Wachs wird natürlich fest und lässt sich nicht mit dem Wasser vermischen. Frederik stellt den Löffel ins Glas und Amar macht auf die Erhöhung des Wasserspiegels aufmerksam. Ich erkläre, dass der Löffel Platz braucht und das Wasser wegdrängt. „Aha,“ antwortet Amar. Hannes darf dann mit einem Esslöffel Wasser das Teelicht löschen.

Die Kinder selber haben also schon im Vorfeld einige Impulse gegeben.

Dann folgt die Frage, ob sich Öl mit Wasser vermischt. Jedes Kind nimmt sich ein Glas Wasser, Öl und einen Teelöffel. Alena: „Bei mir ist was passiert: unten vermischt es sich nicht, nur oben.“ Hannes: „Bei mir kommt ein Band!“ Auf meine Frage, ob denn das Band mit Wasser vermischt ist, antworten alle mit Nein.

Alena: „Öl ist kreisrund!“ – Sina: „Öl sieht aus wie Blubberblasen!“

Dann geben die Kinder Spülmittel dazu und beobachten, dass sich das Öl nun mit dem Wasser vermischt. Großes Staunen allerseits! Anschließend erkläre ich allen Kindern einzeln anhand der Schemazeichnungen in dem Lück-Buch das Prinzip der Wasserlöslichkeit von Öl durch Vermittlung des Spülmittels.

Vierter Versuch: Ein selbst gebauter Feuerlöscher

Dieser Versuch passt perfekt zu den Impulsen des vorherigen. Außerdem wollen wir ihn auf unserer Gruppen-Weihnachtsfeier den Eltern vorführen. Wie üblich stehen alle Materialien auf einem Set auf dem Tisch.

Alena kennt Backpulver. Der Essig wird für Öl gehalten. Aber nachdem sie daran riechen, erkennen sie den Essig. „Die wichtigste Flüssigkeit ist Wasser!“ sagt Sina.

Alena zündet wieder mit mir gemeinsam das Teelicht an. Selbstverständlich reden wir jedes Mal erneut über die Gefahren bei Versuchen.

Alena erstickt die Flamme mit einem Glas. Auf meine Frage, was eine Flamme zum Brennen braucht, sagen alle im Chor: „Luft!“ Ich bin immer wieder erstaunt – allerdings in Naturwissenschaften eine echte Niete…

Durch Entzug von Luft können wir also löschen. Immerhin fällt mir noch ein, dass man bei einem Brand Fenster und Türen schließen soll, falls dies noch möglich ist, weil die Zugluft das Feuer noch anfacht.

Dann mischen wir Backpulver mit Essig und löschen die Flamme nur durch die Nähe des leicht aufbrausenden Gemisches. „Da ist was im Backpulver!“ sagt Hannes.

Wir halten einen Löffel mit Backpulver an die Flamme. Oder ist es der Essig? Wir halten auch einen Löffel Essig an die Flamme.

„Da ist was im Sprudel, was die die Flamme löscht,“ sagt Alena. „Ein anderes Gas,“ antworte ich. „Welche Gemüsesorten kennt ihr? Genauso gibt es verschiedene Gase. Luft besteht aus einer Mischung von Gasen. Dieses Gas, das die Flamme löscht, heißt ‚Kohlenstoffdioxid‘ (oder Kohlendioxid). Es ist schwerer und drückt die Flamme aus.“ (Kohlendioxid verdrängt das zum Brennen erforderliche Sauerstoff-Gas, das in der Luft enthalten ist.)

Bei Wiederholung des Versuchs mit anderen Kindern sagt ein Junge: „Es gibt auch ein Gas im Ballon auf der Kirmes.“ Ich sage: „Ja, das nennt man Helium. Was denkt ihr: Ist es schwerer oder leichter als Luft?“ – „Leichter, es fliegt!“ antworten einige Kinder. Nicht schlecht für Fünfjährige!

Regeln für die Lernwerkstatt

Nach den ersten Experimenten erstellen wir nun feste Regeln, wie wir uns in der Werkstatt verhalten sollen. Vor allen Versuchen reden wir darüber. Wir planen, ein Fotoplakat an die Tür zu hängen, auf dem man sehen kann, was erlaubt und was nicht erlaubt ist. So erfahren alle Kinder davon.

Das sind die Regeln, die wir bisher gesammelt haben:

    • Bescheid sagen, dass man in die Lernwerkstatt (LW) geht.
    • Computer darf man nicht zu lange spielen, weil es ungesund sein kann.
    • Manche Tisch-Spiele darf man ungefragt spielen – damit sind zwei Regale gefüllt.
    • „Schlaufüchse“ (Mitglieder der Vorschulgruppe) dürfen allein in der LW sein, aber auch sie sagen vorher Bescheid.
    • Geräte dürfen nur mit Einverständnis der Erzieherin alleine auseinander genommen werden.
    • Chemische Versuche mit Feuer, Säuren, Pulvern und Salzen dürfen nicht allein gemacht werden.
    • Ungefährliche Experimente darf man allein durchführen.
    • Wenn wir fertig sind, muss alles wieder besonders gut aufgeräumt werden.
    • Die Beobachtungsstation darf immer besucht werden.
    • „Günter das Gerippe“ wird nicht angefasst.

Die „Experten“ der Kerngruppe kümmern sich mit um die Einhaltung der Regeln.

Eltern sind informiert und helfen

Da im Flur immer ein Plakat mit der Kopie des aktuellen Experiments hängt, sind die Eltern informiert und können sich nach Wunsch auch selber einbringen. Eltern aus meiner und anderen Gruppen kommen regelmäßig zu mir. Sie fragen nach dem Verlauf, ob wir noch Materialien brauchen, ob ihr Kind auch mitmachen darf und vieles mehr.

Auf diesem Weg haben wir einen Computer mit Flachbildschirm, zwei Computertische und ein Skelett-Modell („Günter daas Gerippe“) geschenkt bekommen. Ebenso wichtige Kleinigkeiten wie Pipetten, Spritzen (ohne Nadel!), Gläser mit Schraubverschluss, Eier, Backpulver, Tintenpatronen, Kerzen, Teelichter…

Die Eltern nehmen Anteil – ein Beispiel: Am frühen Morgen kommt ein Vater aufgeregt zu mir in die Lernwerkstatt und ruft: „Machen Sie gerade ein Experiment? Es riecht total nach Benzol im Eingang!“ Es ist jedoch nur der Mantel einer Mutter, die beim Tanken Benzin verschüttet hat… Aber ein bisschen stolz bin ich schon!

Finns Mutter ist Grundschullehrerin. Sie möchte eine Mathestunde wie in der Schule geben und dann auch inhaltlich auf ein aktuelles Experiment eingehen. Caros Vater bietet an, demnächst einen Stromkreislauf zu bauen.

Die Lernwerkstatt ist inzwischen wirklich
ein fester Bestandteil unseres Kita-Alltags!

 

Sie können Alenas Förderung, soweit sie in den Handbuch-Beiträgen dokumentiert ist, auch chronologisch über knapp zwei Jahre nachvollziehen:

Alena, 4;1 Jahre alt

Alena (4;8) leitet eine kleine Turngruppe

Alena (5;0) lernt Buchstaben – wann soll sie in die Schule?

Die tote Mutter von Pompeji und Buntstifte für Südafrika

Alena (5;2) lernt das Schattenspiel kennen

Elektrogeräte demontieren

und an den Schluss gehört der vorliegende Beitrag:
Alena (5;10) leitet die Kerngruppe der Lernwerkstatt

 

Datum der Veröffentlichung: Mai 2018
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