von Claudia Flaig

 

Alenas Bedürfnis, sich um jüngere Kinder der Gruppe zu kümmern und für sie auch Verantwortung zu übernehmen, ist besonders stark ausgeprägt. Deshalb hat mich die Anregung der Kursleitung sofort überzeugt, Alena (sie ist jetzt 4;6 Jahre alt) eine kleine Turngruppe führen zu lassen. (Siehe Alena; 4;1 Jahre)

Eine solche Aufgabe entspricht zum einen ihrer Hilfsbereitschaft und ermöglicht ihr außerdem einiges zu lernen: sich zurückzunehmen, auf die Bedürfnisse, Erwartungen und Ideen anderer Kinder Rücksicht zu nehmen, diese anzuerkennen und darauf einzugehen. Das alles sind wichtige soziale Fähigkeiten, die zudem Anerkennung und Freunde schaffen. Zugleich profitieren die anderen Kinder von Alenas Ideenreichtum.

… kurz gefasst…

Die Autorin sieht bei der vierjährigen Alena eine soziale Begabung, aber auch manchmal ein ungeduldiges, unfreundliches Verhalten gegenüber anderen Kindern der Gruppe.
Um sie zu fördern, lässt sie sie eine ganz kleine Gruppe – mit noch zwei anderen Kindern – anleiten.

Dabei erhält Alena ihrerseits Anleitung durch die Autorin, ihre Erzieherin, und es zeigt sich, dass Alena schnell dazulernt.

Vorgespräch mit Alena

Ich sage Alena, dass sie, wenn sie mag, mit einer kleinen Gruppe von drei bis vier Kindern turnen kann. Ich hätte erwartet, dass sie entweder drei clevere Dreijährige oder drei Zweijährige aus der Gruppe dafür auswählt. Doch ohne langes Zögern wählt sie Sina (3;2) und Amar (4;3) und begründet dies so: „Ich nehme Amar, weil er ein großes Kind ist und noch Vieles besser lernen muss, und Sina, weil sie ein Mädchen ist. Weil ich sie nett finde.“

Amar zeigt sich in seiner gesamten Entwicklung stark verzögert. Auch den Kindern in der Gruppe fällt auf, dass er spezielle Verhaltensmuster hat. Er braucht also dringend Förderung, was Alena erstaunlicherweise völlig richtig sieht.
Sina ist ein ausgesprochen aufgewecktes, kluges, insgesamt sehr weit entwickeltes Mädchen und hilfsbereit.
Ich muss Alena meinen Respekt für diese Kombination aussprechen.

(Anmerkung der Kursleitung: Hast Du es auch getan?)

Für Amar ist diese Minigruppe überschaubar, das wird ihm gefallen. Er ist schon in Kleingruppen mit fünf Kindern überfordert. Weitere Kinder möchte Alena nicht nehmen, höchstens noch eine zweite Gruppe.

(Anmerkung der Kursleitung: Klug)

Alena hat auch sofort Ideen, was sie alles mit den Beiden turnen kann:

    • auf Bänken rutschen,
    • Holzstäbe verwenden,
    • Ballspiele („Sina rollt ihn zu mir, und ich zu Amar“),
    • Laufspiele („Da kann man rennen“),
    • Rollbretter („Jeder hat das Brett dann ganz lange“),
    • mit Reifen turnen.

Ich schlage Alena vor, sich zu Hause ein Thema zu überlegen. Morgen könne sie dann mit mir und den Beiden in die Turnhalle gehen. „Ich kann das ja aufmalen“, sagt sie.

Erste Turnstunde (35 Minuten)

Am nächsten Morgen beim Frühstück erklärt Alena: „Ich habe mir was überlegt: Ich turne mit den Pappröhren. Wir legen sie nebeneinander und legen eine Matte drauf. Dann kann Amar sich drauf stellen und Sina kann drauf hüpfen.“
Alena differenziert schon in ihrer Vorstellung die unterschiedlichen Fähigkeiten der beiden Kinder.

Nach dem Frühstück gehen wir in die Turnhalle. Sina hat kein Turnzeug. „Das ist egal, dann turnst Du in Unterwäsche“, meint Alena. Nachdem sie umgezogen sind, möchte Amar laufen. Ich mache Alena darauf aufmerksam. Sie fordert ihn auf zu laufen. Dann muss Sina zur Toilette und ich gehe mit ihr.

Als wir wiederkommen, spielen Alena und Amar bereits mit den Matten. Sina läuft hin und spielt mit. Amar läuft brüllend über die Matten: “Ich bin Spiderman!“ Alena ruft: „Zuerst nimmst Du Deinen Kohlkopf!“ Ich bin total entsetzt und sehe anscheinend auch so aus, denn Alena sagt sehr freundlich zu ihm: „Soll ich Dir Rollbretter holen, Amar?“ Als er nicht antwortet, versucht sie noch zweimal eine Antwort von ihm zu bekommen. Ich flüstere ihr zu, dass sie ja auch nicht nett zu ihm gesprochen habe und er nun traurig sein könnte. Alena geht zu Amar, nimmt ihn an die Hand und geht mit ihm in den Materialraum. Sina geht mit und die Kinder kommen mit Holzstäben wieder.

Ich erinnere an den Plan, mit Pappröhren und Matten zu bauen. „Das geht auch mit Holzstäben“, sagt Alena. Sina möchte noch mehr Stäbe. Alena läuft los. Ich fordere sie auf, Sina mitzunehmen. Gemeinsam sortieren sie die Stäbe und die Matten, und Alena sagt: „Ich sage jetzt einen Namen: Sina!“ Ich erkläre Alena, dass sie die Kinder höflich zum Turnen auffordern soll, dass sie bitten und danken soll. Sofort schwenkt ihr Tonfall um.

Während Sina ihren Anweisungen aufgeschlossen Folge leistet, ist Alena offensichtlich von Amars Schwerfälligkeit genervt. Sie verdreht die Augen, atmet tief ein und wird lauter.

Ich fordere Sina und Amar auf, auf der kleinen Matte zu hüpfen, nehme Alena zur Seite und erkläre ihr, dass Amar ganz konkrete Anweisungen braucht, dass sie ihm am besten vormacht, was er tun soll.

Sie setzt das sofort um und sagt:
„Komm, Amar“, sieht mich an und fügt „bitte“ hinzu.

Sie spielen auf der Wackelmatte; Alena schneidet Grimassen und ruft: „Jetzt bin ich ein Drache!“ Sina sagt, sie sei ein kleiner Fuchs, der sich vor dem Drachen versteckt, denn er habe Angst vor dem Drachen. Amar sieht zu, Alena fragt ihn: „Was möchtest du bitte machen, Amar?“ Amar möchte kämpfen. Sie gibt ihm einen Holzstab, und er schlägt auf die Matten ein.

(Anmerkung der Kursleitung: Super, wie schnell sie lernt!)

Alena geht in den Nebenraum und sagt, sie wolle sich umziehen und kommt mit einem roten Stoffband wieder. Amar hält ängstlich blickend mit dem Schlagen inne und kämpft erst weiter, als der Drache an ihm vorbeigelaufen ist. Dann will Sina der Drache sein.

Während Sina sich mit Alena an einem Holzstab festhält, erzählt Alena die Geschichte vom Rotkäppchen. „Und jetzt holen wir Bälle und Kegel“, sagt sie. Ich schlage das für das nächste Mal vor und meine, dass wir nun zum Abschluss kommen sollten. Alena sagt dazu: „Rotkäppchen ist gestorben.“ Dann machen die Kinder noch ein bekanntes Abschlussspiel und ziehen sich an.

Obwohl die Kinder viel Spaß hatten, fand ich diese Beschäftigung sehr unruhig. Das nächste Mal sollte vorab eine inhaltliche Gliederung geplant werden. Alenas Ansprache an die Kinder sollte freundlicher werden, der Befehlston sollte mit der Zeit aus ihrer Ansprache verschwinden. Amar braucht ganz viel Lob und persönliche Ansprache. Alena kann Sina auffordern, Amar manche Dinge vorzumachen. Sie könnte auch Sina und Amar um Vorschläge bitten.

Nach der Turnstunde lobe ich Alena und rede mit ihr über meine Anregungen. Ich erinnere sie, dass sie mir vorgeschlagen hat, aufzumalen was man alles zu einem bestimmten Thema turnen könnte. Ich lobe diese Idee und schlage vor, dass wir dies vor der nächsten Turnstunde machen werden.

(Anmerkung der Kursleitung:
Gut, dass Du sofort Ideen zur Weiterqualifizierung Alenas hast. Es ist ja wie ein Trainer-Lehrgang!)

Planung der zweiten Turnstunde

Eine Woche später frage ich Alena, ob wir uns zusammensetzen, um die nächste Turnstunde zu planen. Begeistert sagt sie zu und wir setzen uns ins Büro, um ungestört zu sein.

Alena ist ruhig und konzentriert, sie möchte mit Seilen turnen. Ich betone, dass sie sich nun nur Aktivitäten mit Seilen überlegen sollte. Alena: „Zu schwer, ich nehme lieber Bälle.“ Das ist typisch für Alena: Wenn sie nicht sofort eine Idee hat, dann lässt sie es lieber ganz. Ich grinse sie an, schüttele den Kopf, sie grinst zurück, und ich sage: „Was fällt Dir zu Seilen ein?“

(Anmerkung der Kursleitung: Tolle Reaktion von Euch beiden!)

Und nun hat sie gleich fünf Vorschläge: Pferd – Hund – Seil von der Decke (haben wir aber nicht) – Seil auf die Erde legen und darüber springen, gehen, laufen – wilde Hühner.
Ihre Vorschläge malt Alena auf Karten auf, die sie mit die Turnhalle nehmen will.


Erinnerungskarte: Pferd spielen

Ich erkläre ihr, dass sie darauf achten soll, welche Vorschläge die beiden Kinder für das Turnen mit Seilen machen. Sie müsse dann darauf eingehen, damit den Kindern das Turnen auch Spaß macht und sie gerne mit ihr in die Turnhalle gehen. Alena antwortet: „Dann sage ich: mach mal vor. Aber wenn sie es falsch machen, zeige ich es Amar richtig.“ Ich stimme zu und frage sie, wer denn von den beiden Kindern besser turnen könne. Alena: „Amar guckt nicht richtig, deshalb kann er es nicht.“

Wir reden noch mal darüber, wie wichtig Lob für Amar ist. Eine Karte soll sie an das Loben erinnern. Sie sagt, sie könne ihren Namen schreiben, dann wisse sie, dass sie loben solle. Ich bin platt und lasse es gelten.

Zweite Turnstunde

In der Turnhalle ziehen sich die Kinder um, und ich zeige Alena ihre gemalten Karten: Hund, Pferd, Leiter, Loben – sie sagt dann meistens: „Das hast Du aber hübsch gemacht.“

Ich bitte Alena, die Seile aus dem Nebenraum zu holen. „Sina ist ein Mädchen, die kriegt rot. Amar ist ein Junge, der kriegt blau.“

„Wir spielen jetzt Pferd!“ Alle drei laufen im Galopp wiehernd durch die Halle und schwenken ihre Seile. Dann zieht Amar sein Seil als Schlange hinter sich her. Alena, durch mein Handzeichen darauf aufmerksam gemacht, sagt sofort: „Wir machen alle eine Schlange wie Amar!“

Dann versucht Alena auf Amars Seil zu treten, der ist davon alles andere als begeistert. Ich sage, Alena solle diese Art des Fangspiels erklären. Das macht sie sehr gut und die drei spielen es eine Zeitlang.

Ich zeige Alena ihre Karten, damit sie sich ein weiteres Spiel aussucht. Sina schaut ihr über die Schulter und sagt: „Das Seil um den Bauch binden.“ Alena: „Ja, Du bist ein Hund, Sina. Geh auf allen Vieren!“ Sie bindet ihr das Seil um und führt sie durch den Raum, Sina krabbelt bellend umher. Auch Amar krabbelt gleich los, und ich binde ihm das Seil um. „Das hast Du schon richtig gut gemacht!“ sagt Alena – ohne dass ich ihr die Lob-Karte gezeigt hätte. Amar strahlt: „Oder Katze!“ antwortet er und miaut. „Oder willst Du ein Frosch sein?“ fragt Alena. „Nein!“ brüllt Amar. Er ist ein wilder Kater und hat viel Spaß. Er sagt: „Sina ist dran!“ Sina hüpft wie ein Frosch, ich zeige die Lob-Karte und Alena lobt: „Das hast Du hübsch gemacht, Sina.“

Nun schlägt Alena vor, eine Leiter zu bauen. Während Sina aktiv hilft, schaut Amar interessiert zu. Ich rege Alena an, mit Amar gemeinsam ein Seil hinzulegen. Sie gehen, hüpfen und krabbeln in verschiedenen Variationen über die Leiter. Ohne Aufforderung lobt Alena immer wieder.

Nach unserem Luftballon-Abschiedsspiel ziehen sich die Kinder an und Alena sagt: „Amar war heute richtig gut, ne?“ Und ich bestätige: „Du hast ihm aber auch wirklich gut geholfen, Alena. Das hast Du hübsch gemacht!“ Wir lächeln.

Ich frage Sina und Amar, ob Alena eine gute Turnlehrerin ist. Sina: „Jaaa!“ – Amar: „Hat Spaß gemacht!“
Auf die Frage, ob sie nächste Woche wieder mit Alena turnen wollen, antwortet Sina: „Ja, aber nur Amar und ich!“ Amar möchte auch wieder turnen. Alena sieht sehr zufrieden aus.

Ich lobe Alena noch mal dafür, dass sie Rücksicht auf Amar genommen hat, ihn viel gelobt hat und er deswegen heute auch besonders gut war.

Das war wirklich eine ruhige, strukturierte Situation.

Planung der dritten Turnstunde

Ich gehe mit Alena in den Materialraum der Turnhalle. Sie entscheidet sich für eine Turnstunde mit Tüchern. Ihre Vorschläge kommen ohne jedes Zögern:

    • Tuch hinlegen, drauf stellen und durch den Raum rutschen,
    • Tuch schwingen,
    • Ball aufs Tuch legen, tragen und springen,
    • Tuch über den Kopf legen,
    • Seeräuber-Kopftuch binden (verkleiden),
    • Tuch in die Hose stecken, weglaufen, ein Kind ist der Fänger,
    • laufen und dabei das Tuch auf der Brust schweben lassen.


Erinnerungskarte: Tuch auf dem Kopf balancierenSpiel


Erinnerungskarte: Spiel: Fänger muss Tuch schnappen

Ich erinnere sie daran, wie wichtig das Loben für Amar ist. Beim Malen der Karten malt sie ein Smiley in der Seitenansicht und möchte wissen, wie man „Lob“ schreibt.


Erinnerungskarte: Loben

Dann möchte sie auch ein trauriges Smiley malen, um den Kindern zu zeigen, wenn sie „nicht gut“ seien. Wie reden wieder über die unterschiedlichen Fähigkeiten der Menschen, über Begabungen und Defizite. Ich betone, dass jeder Mensch auch Stärken hat! Ich erinnere sie daran, dass Amar sämtliche Automarken kennt, dass er als einziges Kind einen neuen Spruch noch komplett konnte. Er hat jedoch Probleme, ganz einfache Dinge spontan zu wiederholen, und dass er in diesen Fällen auf ihre Mithilfe angewiesen ist.

Auf meine Frage, ob Alena glaubt, dass Amar merkt, vieles nicht so gut zu können wie andere Kinder, antwortet sie mit Ja. Also brauchen wir es ihm nicht noch extra zu sagen oder zeigen.

Nur Lob gibt ihm Mut.

Alena legt die Karten weg, sie ist fertig.

(Anmerkung der Kursleitung: Ganz prima!)

Dritte Turnstunde

Alena kommt morgens als Letzte in die Gruppe und macht einen ausgesprochen schlecht gelaunten Eindruck. Dennoch fragt sie als erstes, ob wir jetzt turnen gingen. Sie muss sich noch kurz gedulden und geht an den Maltisch.

Vor der Turnhalle möchte sie den Schlüssel haben und selber aufschließen. Beim Öffnen der Tür lässt sie sich von mir helfen. Sie hilft Amar sofort beim Umziehen, was er sich gerne gefallen lässt. Er kann es zwar auch alleine, aber das dauert ewig. Ob Alena ihm hilft, um Zeit zu sparen, oder aus Hilfsbereitschaft, frage ich nicht nach. Ich will es mit Kritik nicht übertreiben.

Als die drei umgezogen sind, sieht Alena mich grimmig an. Als ich sie frage, was sie sich denn für heute ausgedacht hat, sagt sie, sie wisse es nicht mehr. Ich zeige auf die auf der Fensterbank liegenden Karten. Sie nimmt die Karten, schaut sie sich an, geht in den Nebenraum und holt die Kiste mit den Tüchern.

„Magst Du mit Tüchern fahren?“ sagt sie, zu Sina gewandt. Sina startet sofort, ich suche den Blickkontakt zu Alena und mache sie mit einer Kopfbewegung auf Amar aufmerksam. Sie sieht durch mich hindurch. Ich ziehe die Augenbrauen fragend hoch. Sie hält den Blickkontakt – aber wieder nichts. „Vielleicht haben Amar und Sina auch Ideen, Alena!“ sage ich. „Amar hat immer Baby-Ideen“, antwortet sie. Dann wendet sie sich an Amar: „Als was möchtest Du Dich verkleiden – bitte verkleide Dich, Amar!“ – „Ich will Seeräuber sein!“ meint er und versucht, sich das Tuch über den Kopf zu binden, während Sina gleichzeitig mit ihrem Tuch ausrutscht und weint. Alena läuft betroffen zu ihr und tröstet sie, ich helfe Amar.

Nun möchte Sina einen Rock. Während sich Sina und Alena gegenseitig verkleiden, läuft Amar durch die Halle und ruft: „Ich bin ein Seeräuber!“

Er setzt sich vor den Spiegel auf die Matte und sagt, dies sei sein Seeräuberschiff. „Amar ist mein Prinz“, sagt Sina. Alena fordert, dass sie auch eine Prinzessin sein möchte. Sina hätte gerne einen Schleier, doch Alena sagt: „Nein!“ Ich erkläre, dass zu Prinzessinnen Schleier gut passen, und Sina holt sich ein weiteres Tuch. Alena akzeptiert das, ohne eine Emotion zu zeigen.

Amar läuft wieder durch die Halle und ruft, er sei ein Tiger, dann ein Drache und schließlich ein Ritter. Mehrmals versucht Alena, ihn zum Verkleiden zu überreden – bis sich Amar schmollend zurückzieht. Alena lässt nicht locker. Ich fordere Amar auf, laut zu Alena zu sagen, dass er sich nicht verkleiden möchte. Amar macht dies laut und deutlich.

Während er zurück zu seinem Schiff geht, läuft Alena hinter ihm her. Amar wehrt sich nochmal verbal, sammelt Tücher ein und bringt sie zum Schiff. Eines ist klar: für Amar ist diese Stunde echt eine Förderstunde. Ich hoffe nur, für Alena auch!?

Ich mache Alena auf ihre Karten aufmerksam und versuche, damit nochmal auf ihre Planung einzugehen und etwas Struktur in diese Stunde zu bringen. Ich bitte die Kinder, alle Tücher in die Kiste zu räumen und frage, was man noch alles mit Tüchern machen kann. Amar wirft ein Tuch hoch und fängt es auf. Alena lobt ihn – nachdem ich ihr die Lob-Karte gezeigt habe. (Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass sie nicht genervt oder gereizt klingt, wenn man sie zum Loben auffordert.)

Dann turnen die Kinder zügig sämtliche Übungen durch:

    • Sina klemmt sich das Tuch zwischen die Beine und hüpft (Lob-Karte).
    • Alena schlägt „Fangen“ vor – alle sind mal der Fänger.
    • Sie laufen mit den Tüchern auf dem Kopf durch die Halle.
    • Nach Blick auf ihre Karte holt Alena Bälle und sie transportieren sie; erfinden einen Ballmann.

Unser Karussell-Spiel bildet nach meiner Aufforderung den Abschluss. Die gesamte Turnstunde dauerte 30 Minuten.

Ich empfand diese Stunde als sehr anstrengend. Alena war wirklich schlecht gelaunt, auch den restlichen Tag über.
Mir kommen Zweifel:
Hatte sie schlechte Laune wegen unseres Gesprächs am Vortag, als sie den traurigen Smiley malen wollte?

(Anmerkung der Kursleitung: Hast Du sie danach gefragt?)

Ist Alena vielleicht mit der Art und Weise der Stundengestaltung überfordert?

Allerdings erarbeiten wir durch unsere Gespräche bei der Planung und der Durchführung Formen des Sozialverhaltens wie Rücksichtnahme und Erlernen der Wirkungsweise positiver Verstärkung. Alena denkt über diese Gesprächsinhalte nach und zeigt mir Verständnis. Ich habe doch den Eindruck, Alenas soziales Bewusstsein damit zu stärken.

(Anmerkung der Kursleitung: Das ist gut. Vielleicht wäre auch ein ruhiges Gespräch mit ihr sinnvoll, in dem Du ihr mal auflistest, was sie alles in diesen Turnstunden gelernt hat. Wir haben gespürt, dass Du sehr behutsam mit den Dreien umgehst und Dich in jedes hinein zu versetzen versuchst. Das sind die besten Voraussetzungen zur Hochbegabten-Förderung. Wenn bei Alena mal eine Stunde nicht so klappt (geht uns ja auch mal so), ist das nicht dramatisch. Wichtig ist, falls Du die Turnstunden beenden willst, dass das Ende mit einer tollen und harmonischen Stunde einhergeht (Erfolgserlebnis) )

Amar profitiert auf jeden Fall durch diese Stunden. Sina fragt täglich, wann sie wieder mit Alena turnen gehen kann – wöchentliches Turnen scheint ihr zu wenig zu sein. Die ganze nächste Woche werden wir in einem Stadtwald-Gebiet verbringen. Dort werden wir dann unsere, trotz aller Zweifel begehrte Turnstunde unter Alenas Leitung im Wald abhalten.

(Anmerkung der Kursleitung: Nach unserem Gefühl müsste jetzt – zusätzlich , wenn möglich, notfalls auch anstatt – etwas kommen, das nicht nicht nur Alenas helfendes Sozialverhalten weiter entwickelt, sondern auch ihr expansives: Zusammenarbeit mit ähnlich fähigen und lernschnellen Kindern. Sie hat viel gelernt, fühlt sich jetzt aber vielleicht doch zu sehr auf das liebe, verständnisvolle, helfende Mädchen festgelegt.

Positiv ist ganz sicher auch, dass sie gemerkt hat, dass sie in Dir eine gute Lern-Anleiterin hat. Und nun hat sie dieses Vertrauen in Dich, dass Du verstehst, dass es vielleicht nicht ihr Leben sein soll, immer nur langsamen Jungs zu helfen, sondern doch eher eine Rakete zu steuern – wie sie das bei der Fragebogen-Beantwortung ja äußerte?)

Siehe: Alena, 4;1 Jahre

 

Sie können Alenas Förderung, soweit sie in den Beiträgen dokumentiert ist, auch chronologisch weiter verfolgen:

 

Alena (5;0) lernt Buchstaben – wann soll sie in die Schule?

Die tote Mutter von Pompeji und Buntstifte für Südafrika

Alena (5;2) lernt das Schattenspiel kennen

Elektrogeräte demontieren

Alena (5;10) und eine Kerngruppe werden Experten der Lernwerkstatt

 

Datum der Veröffentlichung: April 2018
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