von Hanna Vock

 

Ein Mädchen meiner Kindergartengruppe begann mit 4;9 Jahren selbstständig Lesen zu lernen. Als ich die Eltern darauf hinwies, konnten sie es sich nicht vorstellen. Zuhause würde sie auch nichts in dieser Richtung machen. Die Kleine wollte sich auch im Kindergarten überhaupt nicht von ihren Eltern „testen“ lassen.

Auch interessierte sich Ilka (Name geändert) auffällig intensiv und gründlich für alle im Kindergarten aufkommenden Themen.

Ilkas Eltern verfügten über keine höhere Schulbildung und hatten nach eigenen Aussagen zum Lesen und zu Büchern ein klar distanziertes Verhältnis.

Ich hatte beobachtet, wie sie seit einem Jahr die „Bildungsversuche“ ihres Kindes abwehrten. So erlaubten sie ihr nicht, Bilderbücher aus dem Kindergarten zu entleihen. Als Kindergartenausflüge zu einer Sternwarte und in ein Museum anstanden, ließen sie ihre Tochter zu Hause mit der Begründung, dass sie dafür noch zu klein sei. (Am Geld lag es ganz sicher nicht, da die Kosten aus der Kindergartenkasse bezahlt wurden.)

Ilka war brav und rebellierte nicht, äußerte sich im Kindergarten aber sehr enttäuscht und zeigte in ihrem Verhalten verständlichen Neid auf die anderen Kinder, besonders auf die Dreijährigen, die an allen Ausflügen teilnehmen durften.

Bei diesem krassen Missverhältnis zwischen den erkennbaren Bedürfnissen des Kindes und der verwehrten Förderung durch die Eltern, die bis in die Kindergartensphäre hineinreichte, machte ich nach mehreren Gesprächen einen weiteren Versuch, um die Eltern, die ich als wohlmeinende und liebevolle Eltern empfand, doch noch zur Mitarbeit zu bewegen.

Bisher hatte ich vorsichtig vorgefühlt. Wir hatten über die Einstellungen zum Lesen, zu Büchern gesprochen und ich hatte ihnen in Aussicht gestellt, dass Ilka meiner Meinung nach sehr bald lesen könnte und später eine Kandidatin für den Besuch eines Gymnasiums sei. Ihre ganze Entwicklung deute daraufhin. Die Eltern äußerten sich dazu ausgesprochen reserviert.

Es war nicht das erste Mal, dass ich mit einer solchen Haltung konfrontiert war. Manchmal bewegt die Eltern eine mehr oder weniger bewusste Sorge, dass ihr wissenshungriges Kind ihnen über den Kopf wachsen und sich von ihnen entfremden und entfernen könnte. Es kann auch sein, dass sie ihr Kind „in ihrer Spur“ halten wollen, wenn sie die Sorge haben, dass sie ihr Kind auf einem höheren Bildungsweg nicht ausreichend unterstützen könnten. So etwas in der Art vermutete ich auch bei Ilkas Eltern.

Bei diesem neuen Gespräch intervenierte ich massiver, um Ilka deutlicher zu unterstützen. Ich berichtete den Eltern meine Einschätzung, dass ihre Tochter erkennbar andere Bedürfnisse habe als sie selbst. Und dass es hier wirklich um die Bedürfnisse ihrer begabten Tochter ginge. Wenn sie dauerhaft darüber hinwegsehen würden, könnte es sein, dass Ilka ihnen später schwere Vorwürfe macht.

Als ich nun die erhöhte Aufmerksamkeit der Eltern hatte, referierte ich kurz einige Gedanken, wie sie in dem Beitrag Besondere Spiel- und Lernbedürfnisse… ausgeführt sind.

Die Eltern zeigten sich betroffen und machten deutlich, dass sie es so noch nicht gesehen hätten. Ich schlug ihnen vor, eine Begabungstestung  machen zu lassen, um meine Aussagen zu überprüfen. Die Eltern waren dazu bereit und ließen ihre Tochter testen. Nach dem eindeutigen, vom Psychologen gut erklärten Testergebnis waren die Eltern offen für meine Tipps und Hinweise.

Siehe auch:

DeepL Translator als Hilfe bei Elterngesprächen

Hochbegabung ist kein Luxusproblem

 

Datum der Veröffentlichung: Februar 2019
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