von Hanna Vock

 

Bitte lesen Sie auch: Erzieherinnen unterstützen Kinder beim Lesen / Schreiben Lernen

Siehe auch: Lesen und Schreiben im Kindergarten

Irena war 3 Jahre und 6 Monate alt, als sie zum ersten Mal in den Kindergarten kam. Sie war freudig erregt und sehr aufmerksam, als ich ihr erklärte, an welchen Haken sie jetzt immer ihre Jacke hängen sollte, nämlich an den mit dem Segelschiff-Bildchen. Sie flüsterte ihrer Mutter zu: „Mama, das kann ich mir ja leicht merken, dass das Segelschiff mein Zeichen ist, weil da steht ja mein Name daneben.“ Eine ungewöhnliche Äußerung für ein dreijähriges Kind. Sie zeigt, dass Irena nicht nur ihren Namen lesen konnte, sondern dass sie das Lesen auch bereits als Werkzeug benutzte, um sich in einer neuen Situation zu orientieren.

Frühes Lesen oder auch der frühe Wunsch, Lesen zu lernen, ist ein Hinweis auf eine besondere kognitive und sprachliche Begabung. Die weitere Beobachtung von Irena ergab noch viele andere Hinweise auf außergewöhnliche Fortschritte im Denken und Sprechen.

 

… kurz gefasst …

Viele hoch begabte Kinder wollen früh lesen. Sie begreifen die Fähigkeit des Lesens als prima Methode zur Informationsbeschaffung – und damit zur Stillung ihres Wissensdurstes. Hoch begabte Kinder streben früh zu möglichst großer kognitiver Selbstständigkeit. Lesen zu können gehört für sie dazu.

Und wie können Erzieherinnen sie darin unterstützen, es rechtzeitig zu erlernen? Rechtzeitig, das heißt dann, wenn das Kind es will und die nötigen kognitiven Voraussetzungen hat.

Methodische Hinweise, wie der Leselernprozess unterstützt werden kann, runden den Beitrag ab.

Sven, fünf Jahre alt, konnte auf einmal lesen. Er fing (plötzlich?) an, lange Texte fließend und fehlerfrei zu lesen, als hätte er das schon immer getan. Auf die Frage „Wie hast du das denn gelernt?“, antwortete er: „Weiß ich nicht. Ich kann es eben.“

Ilka sagte an ihrem 4. Geburtstag, als sie ein Bilderbuch geschenkt bekam, zu ihrer Mutter: „Ich finde das gemein: Ihr könnt alle lesen, bloß ich nicht.“ Hat Ilka das nur so dahingeplappert?

Als die Familie kurz darauf für drei Wochen in den Sommerurlaub fährt, packt Ilka die Fibel, nach der ihre Mutter vor vielen Jahren lesen gelernt hat und die bei Ilkas Bilderbüchern steht, in ihren kleinen Koffer. Jetzt können die Eltern nicht sagen, sie hätten keine Zeit, ihr beim Lesenlernen zu helfen. Ilka arbeitet die Fibel in den drei  Wochen komplett durch, oft will sie noch eine Seite und noch eine Seite bearbeiten.

Am Ende des Urlaubs kann sie lesen. Worte wie „Telefon“ oder „Ampel“ schreibt sie auch ohne Übung und Hilfe richtig. Hier zeigt sich ein außergewöhnlich großes Lerntempo.

Etliche Jahre später berichtete eine IHVO-Teilnehmerin von einem kleinen viereinhalbjährigen Mädchen in ihrer Kindergartengruppe, das zu ihrer Mutter fast dasselbe gesagt hat: „Ihr seid alle gemein, ihr könnt alle lesen, aber ich nicht.“

Wie klar und drastisch sich kleine, liebe Mädchen ausdrücken müssen, um auf ihren Lernwunsch hinzuweisen! Trotzdem werden sie leider nicht immer Ernst genommen.

Warum wollen viele hoch begabte Kinder mit 4 Jahren schon lesen lernen?

In unseren Zertifikatskursen nutzen die Teilnehmerinnen den Interessenbogen nach Joelle Huser, um mit besonders begabten (möglicherweise hoch begabten) Kindern in ein Gespräch über ihre Spiel- und Lernbedürfnisse zu kommen. Neben vielen anderen Fragen ist darin auch enthalten: „Was möchtest du gerne lernen?“ Eine ganz harmlose Frage, die aber Kindern viel zu selten gestellt wird.

Immer wieder sind die Kolleginnen dann bass erstaunt, dass etliche Kinder aus den unendlich vielen möglichen Antworten, die sie geben könnten, völlig unprovoziert „Lesen“ auswählen.

Und es wird von den Kolleginnen immer wieder erkannt, dass es den Kindern ernst damit ist.
Warum ist das so wichtig für sie?

Darauf gibt uns ein Blick in die Entwicklungspsychologie Antworten.

1. Intellektuelle Hochbegabung bedeutet immer auch einen weit überdurchschnittlichen Wissensdurst, Hunger nach geistiger Nahrung, nach Input von Informationen über die Welt.

2. Jedes Kind durchläuft in seiner frühen Entwicklung verschiedene Stadien, die seine Möglichkeiten betreffen, sich Informationen über die Welt zu beschaffen.

Es lohnt sich, diese Phasen genauer zu betrachten, um hoch begabte Kinder besser zu verstehen.

Phase 1:

Das neugeborene Kind nutzt zunächst seine Nahsinne, die sich schon im Mutterleib gut entwickeln konnten: Tastsinn, Geruchssinn, Geschmackssinn, Lagesinn. Die Informationen, die es darüber erhält, integriert es beständig in sein sich entwickelndes Weltbild.

Indem es die Sinne jetzt in einer neuen Umwelt außerhalb des Mutterleibes benutzt, übt es sie, so dass es immer differenzierter und genauer wahrnehmen lernt.

Die Nahsinne sind wichtig für die Orientierung des Kindes (zum Beispiel bei seiner Hauptarbeit, beim Trinken) und sie sind sehr wichtig für das ungebrochene Sicherheits- und Geborgenheitsgefühl.

Die Fernsinne Hören und Sehen konnten sich im engen ersten Zuhause des Kindes, dem Bauch der Mutter, zwar auch schon ein wenig entwickeln, aber sie konnten nur wenige und diffuse Informationen liefern.

Sobald das Kind aber geboren ist und sobald es die ersten anstrengenden Anpassungen an das neue Lebensmilieu geleistet hat, entwickeln sich die Fernsinne Hören und Sehen rapide.

Vor allem beim Sehen kann man es sehen: Die Kinder üben fokussieren, das heißt, bestimmte Einzelheiten und Strukturen der Außenwelt absichtlich, gezielt und konzentriert zu betrachten. Dabei entstehen nicht nur unglaublich viele neue Neuronenverbindungen, auch die Augenmuskulatur wird geübt.

Es ist zu beobachten, dass „hellwache“ (möglicherweise hoch begabte) Säuglinge motivierter sind und mehr daran „arbeiten“ als andere Kinder. Hier sei noch einmal das Beispiel von dem kleinen Pete erwähnt. (Siehe auch: Beobachtungen an einem Baby.)

Der kleine Junge Pete zeigte im Alter von 3 Monaten und 11 Tagen folgendes Verhalten:

Innerhalb von 24 Stunden fixierte er über seinem Bettchen oder seiner Strampeldecke aufgehängtes Spielzeug (leicht bis heftig strampelnd, hochkonzentriert, freudig) über lange Dauer:

von 3.10 Uhr bis 4.07 Uhr (57 Minuten),

von 9.12 Uhr bis 9.38 Uhr (26 Minuten),

von 15.06 Uhr bis 16.21 Uhr (75 Minuten),

von 21.33 Uhr bis 22.18 Uhr (45 Minuten).

Das ergibt eine selbst gewählte „Arbeitszeit“ von 3 Stunden, 23 Minuten – nicht eingerechnet die Arbeitszeit „Trinken“.

Am Ende dieser ersten Phase kann das Kind schon sehr viele Informationen über die Welt durch Hingucken gewinnen. Auch weiter entfernte Farben und Strukturen kann es jetzt gut sehen. Diese Methode, Informationen durch Hingucken zu gewinnen, wird für sein weiteres Lernen lebenslang von großer Bedeutung bleiben. Aber neue Fähigkeiten werden hinzukommen.

Das Baby verlangt nach immer neuen Anreizen zum Gucken. Am liebsten wird es auf dem Arm oder auf dem Rücken durch die Gegend getragen, so dass immer neue Farben und Strukturen in sein Blickfeld kommen. Das „hellwache“ Baby wird schnell unzufrieden und unruhig, wenn es im Wachzustand und ohne interessante Guck-Anregungen hingelegt wird oder im Bauchbeutel zu sehr am Sehen gehindert wird.

Phase 2:

Das Baby lernt greifen und mit Gegenständen hantieren. Die sich entwickelnde Auge-Hand-Koordination erlaubt dem Kind, sich Dinge, die es sieht, heran zu holen und sie mit allen seinen Sinnen und von allen Seiten zu untersuchen.

Weiter im Beispiel von Pete (0;3):

Während dieser Zeiten, in denen er Sehen übte, fixierte er das Spielzeug fast durchgängig, nur unterbrochen durch kurzes, konzentriertes Rundumblicken mit Drehen des Kopfes. Die Hände zuckten immer wieder leicht in Richtung des Spielzeugs, ohne es zu erreichen.

Es entstand bei der Beobachterin der Eindruck, dass etwas gewollt wurde, was motorisch noch nicht gelang.

Und im Gehirn bildeten sich während dieser konzentrierten Aktivitäten vermutlich verhältnismäßig zügig die notwendigen neuen Nervenbahnen und Programme, die das gezielte Berühren des Spielzeugs schließlich ermöglichten.

Einen Tag später war erstes gezieltes Greifen (mit einer Hand) zu beobachten. Bei Erfolg (der zunächst nur bei wenigen Versuchen eintrat) lächelte das Baby verstärkt. Auch diese „Greifübungen“ wurden mit derselben hochkonzentrierten Ausdauer über lange Zeiträume wiederholt. Wurde das Baby aus dieser Tätigkeit „gerissen“ (hoch genommen), reagierte es sehr verärgert und empört.

Hier zeigen sich (im Vergleich zu anderen, gleichaltrigen Babies) eine beachtliche intrinsische Motivation und eine große Ausdauer bei Tätigkeiten, die im Grenzbereich der Fähigkeiten liegen und eine hohe (geistige) Herausforderung darstellen.

Die große Ausdauer führt zu viel Übung und infolgedessen zu schnellem Erfolg. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn man die Erfahrungstatsache bedenkt, dass hoch begabte Kinder im Alter von drei bis vier Jahren ihren Altersgenossen kognitiv etwa zwei Jahre voraus sind.

Das Greifen und Hantieren können bringt dem Kind eine neue Methode, eine größere Selbstständigkeit und eine größere Unabhängigkeit in der Informationsbeschaffung.

Es ist nicht mehr so stark wie vorher darauf angewiesen, dass der Erwachsene ihm etwas in die Hand gibt, und so kann es seinen Informationshunger auf neue Art stillen.

Phase 3:

Das Kind lernt sich fortzubewegen und sich aufzurichten. Jedes Kind verfolgt da ein eigenes Programm. Manche krabbeln nicht, sondern gehen gleich vom Kriechen in den Stand über, manche kriechen auch nicht, sondern perfektionieren das Rollen um die Längsachse, um erblickte Dinge zu erreichen. Manche setzen sich spät auf, aber hantieren sehr geschickt in Rückenlage… Wie auch immer: Das Ziel ist, den Horizont zu erweitern.

  • Durch das Aufrichten in den Sitz oder den Stand gewinnt das Kind einen ganz neuen Überblick über die Umgebung (bitte mal selber ausprobieren).
  • Durch die Fortbewegung kann es sich an erblickte oder erlauschte Dinge, Tiere und Menschen selbstständig annähern. Sie werden für es erreichbar.

Eine Revolution in der Informationsbeschaffung!

Besonders intelligente und sozial besonders begabte Kinder bewegen sich nicht nur selbst im Raum, sondern erreichen durch Lust- bzw. Missmutsbekundungen, dass die Erwachsenen sich im Lerninteresse des Kindes verstärkt bewegen (indem sie das Belohnungszentrum im Gehirn der Erwachsenen konsequent ansprechen: Bring mir mal was Neues – oder stelle etwas Neues, Interessantes wenigstens in meine Reichweite, dann spiele ich wieder eine Weile friedlich).

Auch die Methoden:

    • Hingehen/ später auch Hinfahren zu den Dingen und
    • von weiter oben einen besseren Überblick gewinnen

bleiben lebenslang wichtig für das Lernen. Man denke an Schulen, Museen, Reisen… und an Beobachtungstürme, Flugzeugerkundung, Landkarten und Stadtpläne…

Auch mit der Aufrichtung und der Fortbewegung erlernt das Kind neue Methoden, die ihm wiederum eine größere Selbstständigkeit und eine größere Unabhängigkeit in der Informationsbeschaffung bringen.

Phase 4:

Die Lautsprache wird allmählich und immer stärker zu einer Methode der Informationsbeschaffung.

Das Kind beschäftigt sich von Geburt an lustvoll mit seinen Möglichkeiten, mit seinen „Sprechwerkzeugen“ Laute zu erzeugen. Es gewöhnt sich an die gehörte(n) Sprache(n) seiner Umgebung und versucht die darin gehörten Laute nachzubilden.

Es hört aus seiner Umgebungssprache darüber hinaus komplexere Muster (Worte, Satzmelodien, Rhythmen, Lautverbindungen) heraus und erkennt durch die Kommunikation mit den Menschen seiner Umgebung den Sinn und Zweck einzelner Worte, Ausdrücke und schließlich ganzer Sätze.

Es filtert aus dem Gehörten Informationen heraus, die ihm wichtig sind. Es hat jetzt viel Stoff, um sein Denken zu intensivieren und seine Umgebung durch das gesprochene Wort zu beeinflussen, sich nicht nur lautlich, sondern auch sprachlich zu äußern.

Nicht nur mit dem Zuhören, sondern auch mit dem aktiven Fragenstellen bilden sich neue und aufregende Strategien der Informationsbeschaffung heraus. Es entsteht die Idee, dass es für die verschiedenen Gebiete Experten gibt, an die man sich gezielt wenden kann. Das ist anfangs vielleicht zum Beispiel die Oma, die besonders viele Lieder kennt, oder die Erzieherin, die weiß, wie man einen Flieger faltet. Das Kind beginnt, Experten zu sammeln.

Hoch begabte Kinder streben danach, die Strategie der Informationsbeschaffung über die Lautsprache zügig zu vervollkommnen. Das gilt nicht nur für die Kinder, die auch eine hohe Sprachbegabung haben.

Es geht hier um Werkzeuggebrauch, und der kann bei nicht sprachbegabten hoch begabten Kindern zunächst durchaus nicht elegant und wenig geschliffen sein – Hauptsache effektiv!

Mit drei Jahren, wenn andere Kinder noch mit den Elementen ihrer Muttersprache kämpfen, haben hoch begabte Kinder dieses Werkzeug Lautsprache fast immer schon sicher zur hauptsächlichen Strategie zur Stillung ihres Wissensdurstes und zur Befriedigung ihres Erkenntnisdrangs entwickelt. Zu diesem Zeitpunkt verstärkt sich unter Umständen auch das Interesse am Telefonieren – nicht mehr nur um die liebe Stimme der abwesenden Mama zu hören, sondern um sie etwas zu fragen, das man wissen möchte.

Ist der Spracherwerb bewältigt,
wird eine qualitativ neue Entwicklung möglich.
Und nun, was ist der nächste Schritt?

Phase 5:

Lesen lernen.

Es ist nur folgerichtig, dass sehr begabte Kinder Lesen können wollen. Wer lesen kann, ist im Vorteil, das begreifen sie früh. Sie erkennen: Es gibt sehr, sehr viele Bücher mit höchst interessanten Inhalten.

Bilderbücher enthalten zwar meistens auch Texte – oft ist es aber sinnvoll, die Texte, auch wenn sie sehr gut sind, nicht nur wortgetreu vorzulesen. Entsprechend dem Verständnis und dem Vorwissen des Kindes wird man die Texte abwandeln, in den Dialog mit dem Kind / den Kindern gehen, Fragen stellen, Meinungen austauschen, assoziative Bemerkungen der Kinder begrüßen, usw. Erst so erschließen sich die Bilderbücher optimal.

Es gibt dann einen Punkt in der Entwicklung des Kindes, der bei hoch begabten Kindern auch schon am Anfang des 4. Lebensjahres liegen kann, an dem es begreift, dass sich hinter den Buchstaben auf der Seite ein ganz bestimmter Text (und damit Information) verbirgt. Es verlangt dann, dass man vorliest, was dort steht.

So geht das anfängliche Interesse an den Buchstaben als Zeichen, die oft schon im 3. Lebensjahr von Interesse sind und vom Kind gelernt werden, in die Vorstellung über, dass Texte viel mehr Information enthalten als die Namen der Buchstaben.

Lesen können rückt als lohnende Fähigkeit in den Blickpunkt des Kindes.

Es befreit das Kind aus der Abhängigkeit vom Erwachsenen, der oft keine Zeit und oft auch keine Lust zum Vorlesen hat – jedenfalls nicht in dem Maße, wie wissenshungrige Kinder sich das wünschen und für angemessen halten.

Außerdem entdeckt das Kind, dass es auch vorteilhaft ist, Schrift außerhalb von Büchern lesen zu können: auf Schildern, Verpackungen, usw. Das zur Selbstständigkeit drängende Kind sieht hier wichtige Hilfsmittel zur eigenständigen Orientierung in der Umwelt.

Wie schade, dass die Kinder hier dann so wenig Verständnis für ihren Lernwunsch und kaum unbefangene aktive Unterstützung erfahren.

Siehe auch:

Erzieherinnen unterstützen Kinder beim Lesen / Schreiben Lernen.

Manche Kinder sind so intelligent und haben so eine hohe intrinsische Motivation, Lesen zu lernen, dass sie es sich (im Alter von vier bis sechs Jahren) selber beibringen. Die anderen müssen, wenn ihnen nicht geholfen wird, bis zur Einschulung warten.

In meiner langjährigen Beratungstätigkeit habe ich nur sehr wenige Eltern getroffen, die keine Hemmungen hatten, ihrem Kind vor der Schule das Lesen beizubringen. Und wenn doch, dann waren es in fast allen Fällen ausländische Eltern.

Schlagartig befreiend wirkt für viele Eltern, aber auch für Erzieherinnen, oft das folgende Argument:

Schwimmen ist im Lehrplan vielleicht erst für die 5. Klasse vorgesehen; aber es ist vermutlich kein einziger Sportlehrer in unserem Lande zu finden, der auf die Idee kommt, den Eltern einen direkten oder unterschwelligen Vorwurf daraus zu machen, dass sie ihrem motorisch begabten Kind das Schwimmen schon beigebracht haben, als es vier oder fünf Jahre alt war.

Die Leserin Vera Losemann machte mich nach dem Lesen des Beitrags auf Folgendes aufmerksam:

„Für hoch begabte Kinder mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) beginnt hier ein Leidensweg: Sie erkennen – so wie es im Beitrag beschrieben ist – bereits sehr früh Schriftsprache als Informationsquelle. Sie wissen, was das alles soll, sie sehen genau, wie andere Menschen lesen und schreiben. Sie bemühen sich redlich, es ihnen gleich zu tun und prägen sich vielleicht auch viele Wortbilder ein – Der Weg zum Lesen (und Schreiben) bleibt aber verschlossen, da die (neurophysiologische) Entwicklung dieses Teilbereiches verzögert ist oder anders funktioniert, als bei Menschen ohne LRS.“

Siehe auch Informationen zu LRS:

Lese-Rechtschreib-Schwäche

Phase 6:

Ist das Lesen lernen bewältigt und haben die besonders und hoch begabten Kinder es in ihren Alltag integriert, rückt ein neues Werkzeug in den Fokus.

Was machen die Erwachsenen, wenn sie Informationen suchen, die sie nicht in ihrem eigenen Kopf, nicht in den Köpfen der in Rufnähe befindlichen anderen Menschen und auch nicht in verfügbaren Büchern finden?

Sie gehen ins Internet.

Fünfjährige können googlen, wenn man sie lässt und anleitet (wie man das auch beim Erlernen des Radfahrens tut und beim Erlernen der Lautsprache getan hat). Sicher sollten die Erwachsenen dabei sein, wenn das Kind im Internet surft, auch dann noch wenn die Technik beherrscht wird. Denn Internetrecherche ist nicht nur vom Jugendschutzgedanken her heikel, sie ist vor allem Gedankenarbeit, die frustriert, wenn man sich im riesigen Netz verirrt und die gesuchten Antworten nicht findet.

Auch hier brauchen junge Kinder praktische Unterstützung und Ermutigung.

Siehe auch: Computernutzung und Internet

Zusammenfassung: Wie kommt das Kind an Informationen?

Die aktive Beschaffung von Informationen ist eine wichtige Grundlage der kognitiven Entwicklung. Bei der Informationsbeschaffung wird das Kind immer selbstständiger.

Diese Entwicklung vollzieht sich in Phasen. Das Kind übt immer so lange intensiv, bis es sich eine neue Methode zur Informationsbeschaffung erarbeitet hat.

Hoch begabte Kinder durchlaufen einzelne oder alle diese Phasen früher und schneller.

1.

Das Kind verarbeitet Sinneseindrücke aus der unmittelbaren Umwelt (bereits im Mutterleib). Als Neugeborenes ist es noch darauf angewiesen, dass ihm eine interessante Umgebung nahe gebracht wird. Es lernt seine Aufmerksamkeit zu fokussieren, es trainiert insbesondere seinen Sehsinn.

2.

Die immer bessere Hand-Auge-Koordination erhöht die Selbstständigkeit und erweitert die Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung.

3.

Selbstständiges Aufsetzen erweitert vor allem den wichtigen visuellen Horizont.

Die neu erlernte Fortbewegung (Rollen, Kriechen, Krabbeln, Laufen) ermöglicht es dem Kind, zu interessanten Dingen hinzukommen und sie zu untersuchen.

4.

Die Lautsprache (passiv und aktiv) ermöglicht dem Kind, das Wissen und die Erfahrungen anderer Menschen aktiv auszunutzen: Zuhören, Fragen stellen. Hoch begabte Kinder haben diese Möglichkeit oft schon mit drei Jahren voll entwickelt.

5.

Lesen können bedeutet einen riesigen Sprung, es vervielfältigt die Möglichkeiten, sich (gezielt) Informationen zu beschaffen. Besonders wissensdurstige Kinder streben deshalb früh zum Lesen.

6.

Gekonnte Internet-Nutzung vervielfältigt die Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung nochmals.

Ein Kind, das über gute Strategien zur Informationsbeschaffung verfügt (zum Beispiel um Aufgaben oder Probleme jeglicher Art zu lösen), integriert alle seine bisher entwickelten Strategien und nutzt ihre Synergien.

Auch ganz junge Menschen können lernen, das ganze Spektrum der Strategien virtuos zu nutzen: vom intensiven In-sich-hinein-Horchen bis zum effektiven Surfen im Internet.

Und wie geht es nun, Kindern beim Lesen lernen zu helfen?

Es ist sicherlich schwierig, Kindern das Lesen nahe zu bringen, die für sich überhaupt noch gar keine Motivation finden konnten, sich mit der Schriftsprache zu beschäftigen, oder die visuelle oder auditive Wahrnehmungsschwächen oder eine geringe Intelligenz haben. Aber:

Hoch begabten Kindern das Lesen beizubringen, ist einfach.

Vor der Einführung der allgemeinen Schulpflicht haben auch ganz viele Eltern, Großeltern, Tanten oder Geschwister den interessierten Kindern selbstverständlich das Lesen beigebracht.

Man kann dabei auch gar nichts falsch machen. Man kann nicht „falsch“ lesen lernen. Nur wenn der Lehrende sich sehr ungeschickt anstellt, kann es passieren, dass das Kind vorübergehend aus dem Lernprozess „aussteigt“.

Deshalb hier einige Tipps, die weiter unten noch erläutert werden:

1.

Um Lesen zu lernen muss man nicht Buchstaben schreiben können. Schreiben lernen ist ein eigener Lernprozess, der überhaupt nicht mit dem Leselernprozess verknüpft sein muss.

2.

Hoch begabte Kinder wollen in den seltensten Fällen Buchstaben kneten, basteln, verzieren oder gar tanzen. Sie erfassen die abstrakte Form auch ohne solche „Hinführungen“ und reagieren unter Umständen eher verstört auf solche unmotivierten Umwege zum Glück (des Lesenkönnens).

3.

Das Lesenlernen passiert in mehreren Schritten. Damit ein Kind zum nächsten Schritt übergehen kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

4.

Ein motiviertes Kind sollte nicht warten müssen, bis andere Kinder auch so weit sind.

Erläuterungen zu 1.-4.:

Zu 1.
Um Lesen zu lernen muss man nicht Buchstaben schreiben können. Schreiben lernen ist ein eigener Lernprozess, der überhaupt nicht mit dem Leselernprozess verknüpft sein muss.

Manche hoch begabte Kinder möchten und können beides gleichzeitig lernen: Lesen und Schreiben. Sofern ihre Feinmotorik schon hinreichend entwickelt ist, dass bei geringer Mühe Erfolge eintreten, ist dagegen auch nichts einzuwenden. Oft interessiert Kinder auch zuerst das Schreiben und sie lernen darüber das Lesen. Oft sind es kleine Mädchen, die dies betrifft.

Kinder dagegen (es betrifft häufig Jungen, aber auch drei- bis vierjährige Mädchen), deren Feinmotorik noch nicht so weit ist, werden schlimm ausgebremst und frustriert, wenn das Lesenlernen mit Buchstaben schreiben beginnen soll.

Sie haben zwar alle Voraussetzungen, um sofort und schnell Lesen zu lernen (und alle Vorteile zu genießen, die das mit sich bringt), scheitern aber am Malen der Buchstaben und steigen aus und glauben, dass sie fürs Lesen noch zu klein sind.

Grundsätzlich ist es mir völlig unverständlich, weshalb in unserer Lernkultur Kinder zunächst sechs Jahre lang vom Lesen, Schreiben und Rechnen weitgehend ferngehalten werden und dann plötzlich ab Einschulungstermin alles gleichzeitig erlernen sollen: Für viele weniger begabte Kinder ist das eine  Überforderung und sie erleiden schon im ersten Schuljahr viele Misserfolge.

Hoch begabte Kinder gehen, wenn sie ihre Lernprozesse weitgehend selber steuern, oft weitaus ökonomischer vor: Die einen befassen sich zunächst intensiv mit Zahlen und den Anfangsgründen des Rechnens und fangen erst später an, sich für Buchstaben zu interessieren. Die anderen befassen sich vordringlich mit der Schriftsprache. Schon im 3. oder 4. Lebensjahr interessieren sie sich für Buchstaben und fragen danach.

Es ist für junge Kinder, die fließend und viel lesen, vergleichsweise einfach, das Schreiben zu erlernen. Natürlich müssen sie es auch feinmotorisch bewältigen lernen (aber zu einem günstigeren Zeitpunkt, zu dem ihre Feinmotorik bereits weiter entwickelt ist) – aber die Fragen der Rechtschreibung sind für sie vergleichsweise harmlos: Wer schon tausendmal das Wort „und“ gelesen hat, weiß einfach längst, dass es am Ende mit d geschrieben wird. Und Entsprechendes gilt für viele andere häufig vorkommende Wörter…

Zu 2.
Hoch begabte Kinder wollen in den seltensten Fällen Buchstaben kneten, basteln, verzieren oder gar tanzen. Sie erfassen die abstrakte Form auch ohne solche „Hinführungen“ und reagieren unter Umständen eher verstört auf solche unmotivierten Umwege zum Glück (des Lesenkönnens).

Es ist grundsätzlich eine gute Methode, Dinge zu veranschaulichen und zum Lernen möglichst alle Sinne anzusprechen.

Die Schriftsprache ist ein hoch abstraktes System: Zeichen (Buchstaben und Satzzeichen), die nach bestimmten Regeln kombiniert werden, stehen für die unendliche Zahl der konkreten Erscheinungen unserer Welt und für die ebenfalls unendlich vielen mehr oder weniger abstrakten Verallgemeinerungen (zum Beispiel Gebäude, Tierwelt, Esswaren) und Konstrukte (zum Beispiel Freundschaft, Gemeinheit, Mut, Sauberkeit).

Viele Kinder können sich mit diesem System nur anfreunden, es begreifen und behalten, wenn sie behutsam herangeführt werden – und dabei verschiedene Sinne angesprochen und die Buchstaben mit etwas Schönem verknüpft werden. So ist es gut, wenn im Kindergarten farbige und dreidimensionale Buchstaben vorhanden sind, die schön aussehen und deren Form mit dem Tastsinn erfahren werden kann.

Auch das Herstellen von Buchstaben macht nicht nur vielen Kindern Spaß, sondern das eigenständige Tun hilft ihnen auch die Form und den Namen des Buchstabens (spielerisch) zu verinnerlichen und einzuprägen. Buchstaben ausschneiden, Buchstaben kneten, Buchstaben mit dem Finger auf den Rücken schreiben und vieles andere mehr ist beliebt und hilft den Kindern.

Hoch begabte Kinder allerdings sind oft gerade von abstrakten Formen fasziniert, auch haben sie oft bereits erfasst, dass es gerade diese abstrakten Zeichen sind, die die Schriftsprache (das was man Lesen kann) ausmachen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn sie alle Spiele und Geschichten und Basteleien, die um Buchstaben gerankt werden, als irritierende Ablenkung empfinden. Sie verstehen nicht, warum sie das brauchen, um ihr Ziel Lesen können zu erreichen. Kinder, die ohnehin nicht so besonders gern malen oder basteln oder Dinge verzieren, fühlen sich auch leicht genervt, wenn „es nie richtig losgeht“ (Originalton eines hoch begabten Fünfjährigen).

Andere Hochbegabte, die gern malen, basteln und verzieren, nehmen dieses freudig mit, wundern sich aber auch, warum diese ganzen Umwege gemacht werden.

Deshalb hat es sich bewährt, alle Umwege zu vermeiden und dem Kind einfach (!) das Lesen beizubringen, wie es im nächsten Abschnitt des Textes skizziert ist.

Zu 3.
Das Lesenlernen passiert in mehreren Schritten. Damit ein Kind zum nächsten Schritt übergehen kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Erster Lernschritt:

Einige häufig vorkommende Buchstaben kennen lernen und sicher wieder erkennen.

Hoch begabte Kinder beginnen oft mit drei Jahren, sich ernsthaft für Buchstaben zu interessieren. Manchen reicht es, sie zu erkennen und zu benennen, andere möchten sie auch schreiben können. Beide Lernwege sollten akzeptiert und unterstützt werden.

Zunächst sollte also geprüft werden, welche Buchstaben das Kind schon sicher kennt und welche es noch besser kennen lernen muss. Eine einfache Methode wird im Beitrag Lesen und Schreiben im Kindergarten beschrieben. In Anlehnung daran dieser methodische Vorschlag:

In einer Kleingruppe buchstaben-interessierter Kinder wird ein Buchstabe ausgewählt. Die Kinder, die ihn sicher beherrschen, erhalten ihn für ihren Buchstabensammelkasten. Wer mit dem Buchstaben noch unsicher ist, nimmt ein Exemplar dieses Buchstabens (aus Pappe oder als Papierausdruck oder wie auch immer) mit nach Hause und lernt ihn. Wenn das Kind den Buchstaben dann sicher kann, bringt es ihn wieder mit in den Kindergarten.

Wichtig ist zu beachten, dass jeder Buchstabe einen Namen hat, also zum Beispiel (gesprochen) We, dass aber beim Lesen der reine Laut “w” gilt und der “Name” (“We”) lediglich gesprochen wird, wenn man über den Buchstaben spricht. Andernfalls kann diese Unterscheidung schnell zu Verwirrung und Frustration beim Kind führen.

Es ist sinnvoll, mit den Buchstaben zu beginnen, die im Deutschen am häufigsten vorkommen. Das sind zunächst die Vokale E, A, I, O und U und die Konsonanten N, R, S, H, K, L, T, W. Wer diese Buchstaben kennt, kann schon ganz viele Wörter lesen.

Deshalb kann auch der zweite Lernschritt schon starten, während das Kind noch die restlichen Buchstaben kennen lernt.

Voraussetzungen für die Bewältigung des ersten Lernschritts:

  • Die Motivation, Buchstaben lernen zu wollen
  • Die visuelle Fähigkeit, die Buchstabenzeichen auseinander zu halten
  • Die Gedächtnisfähigkeit, sich die Buchstaben dauerhaft einzuprägen

Zweiter Lernschritt:

Laute zu einem Wort zusammenziehen (Lesen).

Hoch begabte Kinder verstehen sehr schnell, dass die Leserichtung (im Deutschen) von links nach rechts geht und dass ein leerer Zwischenraum ein Wort vom andern trennt.

Jetzt kommt der entscheidende Schritt: Das Zusammenziehen der einzelnen Laute zu einem Wort. Dabei muss das Kind genau lauschen, während es die Buchstaben erkennt und den entsprechenden Laut ausspricht. Das schaffen auch hoch begabte Dreijährige meistens noch nicht, es ist aber oft irgendwann im 5. Lebensjahr „dran“.

Wenn das Kind diesen Lernschritt bewältigt hat, weiß es wie Lesen geht. Alles andere ist dann nur noch Ergänzung (weitere Buchstaben) und Übung.

Wir können dem Kind helfen, wenn wir Lernmaterialien benutzen (oder auch selber herstellen), die das Prinzip vom Einfachen zum Komplizierten beachten. Dies ist bei Schulfibeln gegeben. Dort kommen die schwierigeren Dinge (lange Worte, zusammengesetzte Laute wie eu oder äu oder sch) erst später vor, wenn das Kind schon viele einfache Worte lesen kann. Dieses Prinzip ist wichtig für die Übersichtlichkeit und für die Pflege der Motivation des Kindes.

Für junge Kinder ist es auch hilfreich, wenn wir uns zunächst auf große Druckbuchstaben beschränken; die Kleinbuchstaben erarbeiten sich viele hoch begabte Kinder dann erfahrungsgemäß selbstständig, zum Beispiel mit Hilfe einer Tabelle, auf der neben jedem Großbuchstaben der Kleinbuchstabe abgebildet ist.

Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, kleine Texte (Witze, Rätsel, Briefe) in Großbuchstaben zu schreiben. So entstand mit der Zeit ein kleiner Fundus mit Großbuchstabentexten, an denen die Kinder üben können, die gerade an dieser Lernklippe des Zusammenziehens stehen.

Voraussetzungen für die Bewältigung dieses Lernschritts:

  • Eine gute phonologische Bewusstheit, das heißt, das Kind muss die Laute gut unterscheiden und bewusst heraushören können. Dieser Entwicklungsstand ist erreicht, wenn die Kinder sich fürs Reimen interessieren und hören/erkennen können, mit welchem Laut ein Wort beginnt.
  • Ein ausreichendes Rhythmusgefühl, das dem Kind erlaubt den Takt eines einfachen Liedes oder auch die Silben eines Wortes zu klatschen.
  • Die kognitive Fähigkeit, das gesehene Zeichen sofort in einen zu hörenden Laut umzuwandeln und mehrere aufeinander folgende Laute so lange im Arbeitsgedächtnis zu speichern, bis das ganze Wort erklungen ist.
  • Die kognitive Fähigkeit, den Sinn des Gehörten zu erkennen, also noch einmal innerlich nachzuhorchen. Das innere Nachhorchen ist so lange wichtig, bis der Lesevorgang hinreichend automatisiert ist.

Dritter Lernschritt:

Das selbstständige Üben des Lesens. Dabei geschieht die Erschließung immer schwierigerer Lautverbindungen und immer längerer Wörter und Sätze.

Erhöhung des Lesetempos.

Hier besteht die Hilfestellung nur noch in der Bereitstellung spannender, interessanter oder lustiger Lektüre, die dem Lesevermögen des Kindes angepasst ist. Die im Buchhandel erhältlichen Erstleserbücher sind nur bedingt tauglich, denn manchmal überfordern die Geschichten die Lebenserfahrung und den Interessenkreis ganz junger Lesekinder. Das ist also im Einzelfall zu prüfen.

Gute Erfahrungen habe ich damit gemacht, (nicht zu lange) Texte beliebter Bilderbücher in Großbuchstaben abzutippen, auszudrucken und in die Bilderbücher einzulegen oder (wenn man es wie ich über sich bringen kann) die Bilderbuchtexte mit den Ausdrucken zu überkleben.

Man sollte auf dieser Lernstufe außerdem offen dafür sein, dem Kind über Klippen jederzeit sofort hinweg zu helfen. („Das Wort kriege ich nicht raus!“)

Voraussetzungen für die Bewältigung dieses Lernschritts:

  • Die gute Bewältigung der ersten beiden Lernschritte und das Teilen der Freude über die Lesefähigkeit.
  • Wichtig ist auch, dass das Kind das sichere Gefühl haben kann, dass ihm auch jetzt noch gerne und ausgiebig vorgelesen wird. Denn das gemeinsame Betrachten eines Buches oder einer Geschichte hat ja besondere emotionale und kommunikative Qualitäten, die das Kind nicht verlieren möchte.
Zu 4:
Ein motiviertes Kind sollte nicht warten müssen, bis andere Kinder auch so weit sind.

In einer Kindergartengruppe finden wir die unterschiedlichsten Entwicklungsstufen vor, was den Leselernprozess angeht.

Manche Kinder können schon ihren Namen und einzelne Buchstaben erkennen, sind damit aber noch eine ganze Weile zufrieden. Wenn sie in einer „Lesegruppe“ zusammengefasst werden und ein hoch begabtes, wenn auch vielleicht viel jüngeres Kind dazwischen steckt, dann kann es sein, dass dieses Kind das einzige ist, das zügig und ohne Schnörkel Lesen lernen möchte und schon den nächsten Lernschritt machen will.

Dann sollten wir es dabei aktiv unterstützen, denn (zur Erinnerung):

Es geht ja nicht darum, der Schule vorzugreifen, sondern dem Kind ein Werkzeug zu geben, mit dem es seinen Wissenshunger und –durst besser und selbstbestimmter befriedigen kann.

In der Einstein-Biografie von Jürgen Neffe ist zu lesen (auf S. 29):

„Was den jungen Albert Einstein von den meisten anderen Schülern damals wie heute unterscheidet: Er schlägt parallel zur Schule seinen eigenen zweiten Bildungsweg ein und verschafft sich das Rüstzeug für seinen späteren Werdegang im Selbststudium. Er liest und liest und liest…“

Ähnlich geht es auch anderen, nicht so genialen Hochbegabten: Sie sind darauf angewiesen, sich ihr Wissen zum größten Teil außerhalb der Schule anzueignen.

Und dies gilt auch für ältere hoch begabte Kindergartenkinder: Ihr Wissenshunger wird in der Kita nicht gestillt; deshalb ist frühes Lesen für sie vorteilhaft.

 

Siehe auch: Erzieherinnen unterstützen Kinder beim Lesen-/ Schreiben lernen

Siehe auch: Lesen und Schreiben im Kindergarten

Siehe auch: Soziale Begabung zeigt sich

 

Die Übersetzung dieses Beitrags ins Englische wurde gesponsert von Brigitte Gudat aus Eschweiler.
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