von Hanna Vock
Das IHVO (Institut zur Förderung hoch begabter Vorschulkinder) wurde gegründet, weil die Situation kognitiv hoch begabter und weit überdurchschnittlich begabter Kinder im Kindergarten verbesserungswürdig ist.
Dies betrifft insgesamt etwa 15 Prozent eines Jahrgangs, also etwa jedes 7. Kind. Um zu einer Verbesserung beizutragen, bietet das Institut Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte und Kindergarten-Teams an.
Dreh- und Angelpunkt für alle inhaltlichen und methodischen Überlegungen sind die Spiel- und Lernbedürfnisse überdurchschnittlich und hoch begabter Kinder – insbesondere ihre emotionalen, sozialen und kognitiven Bedürfnisse.
Ein besonderes Anliegen des Instituts ist es, dazu beizutragen, dass hoch begabte Kinder unabhängig vom Einkommen und Bildungsstand ihrer Eltern frühzeitig erkannt und durch den Kindergarten angemessen gefördert werden.
Pädagogische Fachkräfte können in den Fortbildungen des Instituts lernen, diejenigen Kinder angemessener als bisher zu fördern, bei denen die folgenden Eigenschaften und Fähigkeiten weit überdurchschnittlich ausgeprägt sind:
- Freude an geistiger Tätigkeit und am Erkennen von Zusammenhängen,
- schnelle Informationsaufnahme und -verarbeitung
- logisches, komplexes, originelles und abstraktes Denken,
- selbstständiges und kreatives Problemlösen,
- große Ausdauer bei interessierenden Themen,
- Wissensdurst,
- Interesse an Themen, die weit über die Interessen Gleichaltriger hinausgehen,
- frühe Fähigkeit zu Kritik.
Indem der Blick in den Kursen auf die etwa 3 % hoch begabten Kinder gerichtet wird, werden auch für die Förderung der etwa 12 % weit überdurchschnittlich begabten Kinder wichtige Erkenntnisse und Kompetenzen gewonnen.
Das Institut bietet Einstiegsseminare an, bei denen Erzieherinnen und Kindergarten-Teams “schnuppern” können. Erste Informationen und die Darstellung grundlegender Zusammenhänge der Hochbegabtenförderung ermöglichen es den Teilnehmerinnen, eigene Vorstellungen zu überprüfen und sensibler auf die Bedürfnisse hoch begabter Kinder zu reagieren.
In umfangreichen und vertiefenden Fortbildungen (Zertifikatskurs und Projekt Schwerpunktkindergärten) erarbeiten sich die Teilnehmerinnen ein detailliertes und fundiertes Verständnis für die Spiel- und Lernbedürfnisse der hoch begabten Kinder. Sie entwickeln neue Handlungskompetenzen für die Kommunikation, Integration und Elternarbeit im Bereich Begabtenförderung. Sie entwickeln Konzepte für passgenaue, individualisierte und kognitiv anspruchsvolle Förderung der Kinder in der Gruppe.
Durch eine solche Förderung können früh einsetzende, negative Entwicklungen bei hoch begabten Kindern vermieden werden. Es muss erst gar nicht dazu kommen, dass Kinder aggressiv oder depressiv auf die Dauerfrustration reagieren, die es bedeutet, wenn sie sich sehr oft langweilen oder sich nicht verstanden fühlen. Es muss auch nicht dazu kommen, dass Kinder früh resignieren, ihre Begabungen verbergen und ihr Wohlbefinden nur sichern können, indem sie sich anpassen. Es kann verhindert werden, dass hoch begabte Kinder zu Einzelgängern oder Außenseitern werden, um ihre Identität zu wahren. Hier hat der Kindergarten große Möglichkeiten zur Prävention.
Der deutschlandweit erste Zertifikatskurs ist von der Institutsleiterin Hanna Vock angeregt und konzipiert worden. Er wurde unter ihrer Leitung von März 2003 bis März 2005 – mit freundlicher Unterstützung durch die Imhoff Stiftung Köln – durchgeführt. Es wurde ein Abschlussbericht erstellt. Bisher (2020) wurden 21 Kurse erfolgreich abgeschlossen.
Über diese Fortbildungstätigkeit hinaus will das Institut auch dazu beitragen, dass (Hoch-) Begabtenförderung zu einem selbstverständlichen Thema der Elementarpädagogik wird.
Dies berührt auch den Übergang vom Kindergarten in die Schule. Manche hoch begabte Kinder wünschen sich eine frühe, manchmal sehr frühe Einschulung. Im Zusammenhang mit neueren Schulrechtsänderungen wachsen die Möglichkeiten, einen individuell begründeten Einschulungstermin zu finden. Hier ist gerade auch für hoch begabte Kindergartenkinder die Kompetenz der Erzieherinnen stärker gefragt. Hintergrundwissen zur Hochbegabtenproblematik ist nötig, damit sie auch für diese Kinder eine begründete Empfehlung geben und gegenüber Eltern und Schule fundiert vertreten können.
Früheinschulung sollte aber nur eine Möglichkeit sein, das Lernklima für hoch begabte Kinder angenehmer und förderlicher zu gestalten. Ein wichtiger Ansatz zur Verbesserung liegt in den Kindergärten selbst.
Das Institut will mit seiner Arbeit eine Entwicklung unterstützen, die forschendes Lernen im Kindergarten stärker verankert und der kognitiven Förderung endlich einen gleichberechtigten Platz im Rahmen ganzheitlicher Förderung zuweist. Dabei geht es um Entdecken, Erforschen, Verstehen, gemeinsam Knobeln; es geht um kreatives Denken und Handeln, um entwickelte Kooperations- und Kommunikationsfähigkeiten.
Stärkere kognitive Förderung bedeutet auch, dass Erzieherinnen in Fortbildungen neue Kompetenzen entwickeln können, um Vorschulkinder auf ihren Wegen zum Lesen, Schreiben und Rechnen aktiv zu fördern. Das Interesse an diesen wichtigen und nützlichen (Lern-) Werkzeugen gilt es schon im Kindergarten zu wecken und zu pflegen.
Es geht um Anreichern und Durchdringen der Kindergarten-Angebote und -Projekte in kognitiver Hinsicht, es geht um das stärkere Aufgreifen und Würdigen der kreativsten Ideen der Kinder im Kindergartenalltag.
Wichtig ist die Individualisierung von Lernprozessen, wichtig sind aber besonders für hoch begabte Kinder auch positive Gruppenerlebnisse. Sie brauchen dazu auch entwicklungsähnliche – also sowohl deutlich ältere wie auch gleichaltrige, aber hoch begabte – Spielgefährten. Nur so können sie immer wieder die wertvolle Erfahrung machen, dass sie ihre oft komplexen Spielideen gemeinsam mit anderen Kindern erfolgreich umsetzen und sich intensiv über interessierende Fragen austauschen können. Hier sind die Kindergärten gefordert, Konzepte für gelungene Integration zu entwickeln. Gezielte Fortbildung kann ihnen dabei helfen.
Nicht zuletzt ist es ein Ziel der Institutsarbeit, die vereinzelten und verstreuten guten Ideen und Erfahrungen von Erzieherinnen zur Hochbegabtenförderung zu sammeln und Möglichkeiten zur Vernetzung des Engagements zu entwickeln.
Bonn, im Juni 2003, Hanna Vock.
Siehe auch: Die Geschichte einer Idee.
Arbeitsaufgaben des Instituts:
- Fortbildungsangebote an einzelne Erzieherinnen, an Kindergarten-Teams, an GrundschullehrerInnen;
- IHVO-Zertifikatskurs “Hochbegabtenförderung im Vorschulbereich”;
- IHVO-Projekt “Integrative Schwerpunktkindergärten für Hochbegabtenförderung”;
- Förderung des Erfahrungsaustauschs von Kindergärten und Erzieherinnen, die Hochbegabtenförderung machen (wollen);
- Herausgabe und Erweiterung des Online-Handbuchs “Hochbegabtenförderung in Kindertagesstätten”.
Siehe auch: Über das IHVO
Siehe auch: Berufliche Fortbildungen
Siehe auch: Elternberatung und Begabungsdiagnostik
Datum der Veröffentlichung im Handbuch: 2012 / Version 2020 – inhaltlich unverändert seit 2003.
Veröffentlichung auf www.ihvo.de: 2003
Die Übersetzung dieses Beitrags ins Englische wurde gesponsert von
Brigitte Gudat, Eschweiler.
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