von Ellen Görg

 

Isabels Entwicklung verfolge ich in meiner Kita-Gruppe, seit sie 1;5 Jahre alt war. Mit 2;3 Jahren wurde sie zu meinem „Beobachtungskind“ im IHVO-Zertifikatskurs.

Meine bisherigen Berichte zu Isabel:

Hinweise auf Hochbegabung bei einer Zweijährigen
Eine Zweieinhalbjährige meistert schwierige Aufgaben
Isabel (2;10) und die Zahlen
Isabel (3;3) lernt „Halli Galli“
Nun ist Isabel 3;8 Jahre alt. Die Welt der Zahlen ist für sie weiterhin ein großes Thema. Mittlerweile verlässt sie immer wieder mal unsere Gruppe und sieht sich in der gesamten Kita um – wohl auch nach neuen Spielgefährten.

Vorüberlegungen

Mein Ziel für die nächste Zeit ist, dass Isabel
– das Zählen bis 15 in richtiger Reihenfolge beherrscht,
– die Ziffern bis 6 richtig erkennt und benennt und dass sie
– bei Angeboten in Kleingruppen positive Erfahrungen sammelt.

Deshalb möchte ich die Kleingruppen von Isabel selbst zusammen stellen lassen.

Was veranlasst mich dazu?
Ich glaube, sie kann schon ein bisschen beurteilen, mit welchen Kindern sie ähnliche Interessen und Bedürfnisse in Bezug auf Denken, Forschen, und Gestalten teilen kann.
Da Isabel sich bei Angeboten, zum Beispiel Zahlen-Spielen, in der Kleingruppe bisher oft verweigert hat, kam ich zu der Schlussfolgerung, diese Variante auszuprobieren. Ich bin sehr gespannt, ob sie sich darauf einlässt.
Isabel verfügt schon über ein sehr gut entwickeltes Sozialverhalten und ich möchte erreichen, dass sie öfter bereit ist, ihr Wissen mit anderen Kindern zu teilen, und dass sie die Erfahrung macht, dass auch sie von anderen Kindern etwas lernen kann.

 

… kurz gefasst …

Isabel hat gemerkt, dass sie im engen Kontakt mit ihrer Erzieherin (der Autorin) viel lernen kann. Der kognitive Input stimmt in diesen Situationen (siehe die anderen Berichte über Isabel) und Isabel liebt diese Zeiten, in denen ihre Erzieherin sie beim Lernen unterstützt.

Auf dieser Erfahrungsbasis baut die Erzieherin nun auf und bringt Isabel das Spielen und Lernen in einer Kleingruppe nahe, das Isabel bisher nicht annehmen konnte.
Der Kunstgriff ist, das dreijährige Mädchen seine Spielpartner für die Kleingruppe immer wieder selber wählen zu lassen. So entstehen schließlich Spielkontakte zu wesentlich älteren Jungen.

Zur Zeit beschäftigt Isabel sich am liebsten mit Zahlen-Spielen, sie hat viel Spaß dabei und fordert immer neue Impulse ein. Daran möchte ich bei der Kleingruppenarbeit anknüpfen.

In verschiedenen Situationen zeigte Isabel eigenwillige Lernstrategien (siehe: Hinweise auf eine mögliche intellektuelle… ).Ich möchte herausfinden, ob diese Strategien Zufall sind, oder ob dieses junge Mädchen schon in der Lage ist, Strategien zu erfinden.
Bei den Spielen werde ich eine Variante vorschlagen, die wir zunächst spielen. Dann überlegen wir in der Gruppe gemeinsam, welche Varianten wir noch finden können.

Planung

Folgende Vorgehensweise habe ich mir überlegt:

1. Phase:
Zahlwörter in bekannten Zusammenhängen in richtiger Reihenfolge nennen und anwenden.
Gezielte Aktivitäten dazu:
1. Zahlen, die wir kennen
2. Musik machen – mit Zahlen
3. Hilfe für den Kasper

2. Phase:

Ziffern von 1 bis 6 erkennen und benennen.
Dazu offene Angebote im Freispiel:
1. Würfelspiele
2. Zahlen fangen
3. Zahlen auf dem Taschenrechner und der Tastatur des Computers

3. Phase:

(Diesen Schritt möchte ich nur von Isabel abhängig machen.)
Erstellen eines Zahlenbuches nach Isabels Vorstellungen.

Isabel darf sich für die erste Aktion eine Kindergruppe auswählen. Ich gebe nicht vor, wie viele Kinder es sein sollen. Ich möchte beobachten, mit welcher Sorgfalt sie die Kinder auswählt und welche Kinder in dieser Situation für Isabel wichtig sind.

Ich habe mir auch überlegt, dass Isabel vor jeder Aktivität die Gelegenheit bekommt, die Kindergruppe auszusuchen. Vielleicht entwickelt sich ein Freundeskreis?

Ich werde verschiedene Räume nutzen: den Nebenraum unserer Gruppe, der oft für Rollenspiele genutzt wird, den Musikraum, die Vorschulkinderecke, wo die Computer stehen – und wenn es das Wetter zulässt – das Außengelände.

Einige Angebote möchte ich in den Gruppenalltag integrieren. Da ich meine Kinder, vor allem Isabel, genau beobachte, finde ich immer Situationen, in denen man Spielvarianten einfügen kann. Deshalb ist es wichtig, gut vorbereitet zu sein und zu wissen, welche Spiele mit entsprechenden Inhalten die Kinder interessieren.

Die Spiele, die ich ausgewählt habe, sollen die vielfältigen Spiel-Möglichkeiten im Bereich der Zahlen zeigen.

Zahlen, die wir kennen

Isabel war sehr begeistert, dass sie die Kleingruppe auswählen durfte. Es fiel ihr auch nicht schwer, die Kinder auszusuchen:
Fiona (3;11), Caspar (4;3), Valerie (4;4). Isabel selbst ist 3;8 Jahre alt.

Wir trafen uns um 13 Uhr. Ich habe immer wieder beobachtet, dass die Kinder zu dieser Zeit zur Ruhe kommen und sich mit verschiedenen Spielen beschäftigen. Alle kleinen Kinder schlafen dann, und die älteren Kinder sind ungestört.

Mein Einstieg war: „Da ihr alle schon so toll zählen könnt und euch viel mit Zahlen beschäftigt, möchte ich mit euch ein Spiel mit Zahlen spielen.“
Mehr brauchte ich gar nicht zu sagen, die Kinder waren begeistert. Wir setzten uns im Kreis auf den Teppich. „Ich möchte mit euch über Zahlen sprechen, die ihr schon kennt, die eure Lieblingszahlen sind. Wer möchte mit dem Zählen beginnen? Ich bin gespannt, wie weit ihr schon richtig zählen könnt.“

Caspar, Valerie, Fiona, Isabel (v. l. – Namen geändert)

 

Zuerst meldete sich Valerie, sie zählte bis 19, dann Caspar bis 17, Isabel bis 13 und Fiona bis 10. Alle zählten in der richtigen Reihenfolge.
Bei Isabel konnte ich beobachten, dass sie von Anfang an sehr konzentriert war und mit den anderen Kindern mitzählte. Sie bemerkte auch, wenn sich ein Kind verzählte, und äußerte dies.

Ich lobte die Kinder für ihre Leistung, wusste aber auch, dass Valerie und Caspar schon bis 20 zählen konnten. Und als ob sie meine Gedanken lesen könnten, fingen sie nochmal an zu zählen. Sie zählten bis 20 und darüber hinaus, dann aber nicht mehr in der richtigen Reihenfolge; ich ließ sie gewähren.

Isabels Reaktion: „Ich möchte auch nochmal zählen!“ Nun zählte sie auch bis 20. Wir alle staunten und lobten sie. Man konnte an ihrer Haltung sehen, dass ihr das Lob gut tat. Sie freute sich und wollte immer wieder zählen.

Ich fragte: „Habt ihr auch schon eine Lieblingszahl?“ Alle Kinder nannten mir eine Zahl: Isabel die Vier, Laurenz die Fünf, Fiona die Eins, Valerie die Vier und die Eins.
Auf die Frage: „Warum ist das eure Lieblingszahl?“ konnten mir die Kinder keinen besonderen Grund nennen – nur Isabel sagte: „Ich werde bald vier Jahre alt, deshalb ist die Vier meine Lieblingszahl.“
In diesem Moment wurde mir bewusst, dass Isabel schon eine genaue Vorstellung von Zahlen aufgebaut hat und sie flexibel verwendet.

Mengen von 1 bis 6 hören und mit Gegenständen darstellen

Nun erkläre ich den Kindern das erste Spiel:
„Ich habe hier eine Kiste mit bunten Bausteinen, die wir gleich für unser Spiel brauchen. Ich klatsche in die Hände, ihr zählt mit, wie oft ich klatsche – und so viele Bausteine legt ihr vor euch hin.“

Zuerst klatschte ich sechsmal in die Hände. Alle Kinder zählten richtig mit und legten sechs Bausteine vor sich hin.
Nun forderte ich die Kinder auf: „Nun seid ihr an der Reihe. Wer möchte mit Klatschen beginnen?“ Es meldeten sich alle. Ich bestimmte, dass Isabel beginnt. Sie klatschte siebenmal. Alle Kinder machten alles richtig.

Caspar und Valerie klatschten 15- bzw. 13-mal; da klappte das Zählen gut, jedoch das Abzählen der Bausteine bereitete den Kindern einige Schwierigkeiten. Gemeinsam überprüften wir die Ergebnisse und berichtigten sie.
Isabel, Valerie und Caspar waren sehr bestrebt, ihre Aufgaben richtig zu lösen und halfen sich auch untereinander. Bei Fiona konnte ich beobachten, dass sie überfordert war; sie hatte dann auch keine Lust mehr und zog sich zurück.

Die anderen drei Kinder spielten noch einige Zeit weiter, insgesamt waren sie länger als 40 Minuten damit beschäftigt. Sie suchten sich sogar noch andere Varianten: anstatt in die Hände zu klatschen, benutzten sie Musikinstrumente wie Klanghölzer und Triangel. Statt der Bausteine nahmen sie Tiere, Autos und Legofiguren.

Als die Kinder das Spiel selbst in die Hand nahmen, zog ich mich zurück und beobachtete nur noch. Über Isabel war ich erstaunt, denn sie hat dieses Spiel gut angenommen und eigene Ideen eingebracht. So aktiv hatte ich sie in einer Kleingruppe noch nicht erlebt.

Musik machen mit Zahlen

„Isabel, hast du Lust mit ein paar Kindern im Musikraum Musik mit Zahlen zu machen?“ – „Ja.“ – „Mit welchen Kindern möchtest du spielen? Du kannst sie fragen, ob sie mit in den Musikraum kommen.“

Isabel fragte dieselben Kinder wie beim ersten Mal – außer Fiona. Auf meine Frage, warum sie Fiona nicht gefragt hat, antwortete sie: „Fiona kann das noch nicht.“ Sie ging gleich weiter und wollte nicht mit mir darüber diskutieren. Stattdessen hat sie Marian (3;8) eingeladen, den sie auch schon in einer Kleingruppe erlebt hatte.

Ich legte die Instrumente bereit, die Kinder konnten wählen.
Isabel und Marian entschieden sich für Klanghölzer, Valerie nahm eine Triangel und Caspar griff sich eine Trommel.

Nun erhielten die Instrumente Zahlen zugeteilt; um einfach anzufangen, bekamen die Klanghölzer die 1, die Triangel die 2 und die Trommel die 3. Die Spielregel ist, dass die Kinder auf ihrem Instrument spielen, wenn ihre Zahl gerufen wird. Dazu müssen die Kinder sehr aufmerksam und konzentriert sein.

Zuerst rief ich die Zahlen langsam und mit großem zeitlichem Abstand, dann immer schneller. Die Kinder hatten viel Spaß. Isabel war sehr konzentriert, was ich an ihren großen Augen und dem zusammengebissenen Mund ablesen konnte.

Danach variierte ich mit dem Tempo, es entstand eine schöne Melodie, und die Kinder waren über das Ergebnis selber erstaunt.
Isabel behielt immer den Überblick und war sogar in der Lage, den anderen Kindern ihren Einsatz zu geben, wenn sie nicht sofort mit ihrem Instrument losspielten.

Schließlich wechselten die Kinder die Instrumente und es wurden größere Zahlen verteilt.
Isabel wollte meine Rolle als Zahlensprecherin übernehmen. Sie schaffte es sehr gut. Dabei war sie in der Lage, sich die Zahlen zu den Instrumenten zu merken und, wenn nötig, die Kinder auf ihren Einsatz aufmerksam zu machen. (Hier entdecke ich als Hinweise auf eine mögliche Hochbegabung: Gutes Beobachtungsvermögen, Früher Drang zu Selbststeuerung und Selbstbestimmung. Isabel erwartet, dass ihre Urteilskraft anerkannt wird, wenn sie der Meinung ist, eine Situation zu überblicken.)

Bei dieser Spielvariante konnten alle Kinder die Erfahrung machen, dass Zahlen und Musik auch eine Einheit bilden können, dass dabei etwas Wunderschönes entstehen kann, was individuell immer wieder abgewandelt werden kann.

Auch in dieser Kleingruppe konnte Isabel die Erfahrung sammeln: Der Freundeskreis bringt viel Humor und Unternehmungsgeist hervor.

Kaspertheater: Hilfe für den Kasper

Dies war ein Angebot an die gesamte Kita-Gruppe. Es fand im Musikraum statt, wo unser Kaspertheater steht.
Der Inhalt der kleinen Geschichte:
Seppel braucht Hilfe, denn sein bester Freund, der Kasper, hat noch Schwierigkeiten beim Zählen. Seppel erklärt, dass der Kasper eigentlich schon bis 15 zählen kann, aber nicht immer die richtige Reihenfolge weiß oder auch Zahlen auslässt.
Seppel bittet die Kinder, dem Kasper dabei zu helfen. Alle Kinder stimmten zu, denn die Kinder lieben den Kasper.

Bevor der Kasper erschien, wollte der Seppel von den Kindern wissen, wer schon bis 15 zählen kann. Valerie (4;4) und Caspar (4;3) meldeten sich sofort und zählten richtig bis 15. Auch unsere beiden Vorschulkinder (unsere Gruppe ist altersgemischt von 1 bis 10 Jahren) beteiligten sich. Auch Isabel wurde gefragt, ob sie zählen kann. Sie sagte kein Wort, blieb stumm. Obwohl die älteren Kinder erwähnten, dass Isabel schon bis 15 zählen kann, blieb sie still und stumm sitzen. Auch als alle Kinder noch mal gemeinsam zählten, machte sie nicht mit.

Ihr Verhalten (Verweigerung, der ganzen Gruppe ihr Wissen preiszugeben) veränderte sich im laufenden Spiel nicht mehr. Aber ich konnte beobachten, dass sie den gesamten Verlauf aufmerksam verfolgte. Als der Kasper erschien und immer wieder Zahlen vergaß, zeigte Isabel keine Mitarbeit, um dem Kasper zu helfen.
Alle anderen Kinder, auch die älteren, waren sehr aktiv beim Zählen in der richtigen Reihenfolge.

Auf meine Frage an Isabel, warum sie dem Kasper nicht geholfen hat, sagte sie, sie habe keine Lust. Meine Vermutung ist: Da Isabel inzwischen ziemlich sicher bis 15 zählen kann, war diese Spielvariante keine wirkliche Herausforderung für sie. Sie konnte es schon und nahm sich zurück.

Kommentar der Kursleitung:
Vielleicht sah sie auch den Sinn dieses Spiels nicht – vielleicht hat sie darüber nachgedacht, welchen Sinn es macht, einer Puppe beim Zählen zu helfen… Besonders begabte Kinder sind da manchmal sehr kritisch und fühlen sich durch „babyleichte“ Spiele nicht ernst genommen und wundern sich, warum die anderen Kinder daran so großen Spaß haben.

Ziffern von 1 bis 6 erkennen

Gemeinsam mit einigen Kindern der Gruppe hatte ich einen Zahlenwürfel gebastelt. Unsere beiden Vorschulkinder waren daran beteiligt, da bei ihnen Zahlen sehr aktuell sind. Isabel zeigte großes Interesse an dem Würfel. Als ich sie fragte, ob wir mit einigen Kindern ein Würfelspiel spielen wollen, willigte sie ein. Sie wählte auch wieder die Kleingruppe aus: Valerie, Caspar, Malte (5;1), Denis (5;3).

Zuerst betrachteten wir die Ziffern auf dem Würfel der Reihe nach. Damit wollte ich herausfinden, welche Isabel erkennt und bei welchen sie Schwierigkeiten hat. Es stellte sich heraus, dass sie nur die 5 und die 6 nicht erkennen konnte.

Die Spielregel war nun, entsprechend der gewürfelten Zahl Gegenstände dazu zu tun oder weg zu nehmen. Die Kinder ließen ihrer Fantasie freien Lauf und benutzten sämtliche geeigneten Gegenstände, die sie in der Gruppe finden konnten (Bausteine, Kissen, Teller, Autos usw.).

Je öfter Isabel das Spiel spielte, um so sicherer erkannte sie die Ziffern. Sie wollte aber immer nur mit den Kindern spielen, die beim ersten Mal dabei waren.

Dieses Würfelspiel regte auch bei anderen Kindern der Gruppe das Interesse an. Sie wurden neugierig und wollten am Spaß der Anderen teilhaben. Die Kinder und ich bastelten für die Jüngeren einen zweiten Würfel mit Punkten. So waren alle zufrieden und hatten Freude am Würfeln.

Zahlen fangen

Auch beim folgenden Spiel wurde deutlich, dass Isabel immer sicherer die Zahlen 1 bis 6 erkannte. Für das Spiel füllten wir eine Plastikwanne mit Sand und verteilten darin Holzziffern von 1 bis 6. Die Kinder sollten die Ziffern mit kleinen Sieben fangen und sie dann in die entsprechend nummerierten Eimer sortieren.

Als ich das neue Spiel vorstellte, fanden sich dieselben Spieler wie beim Würfelspiel zusammen. Hat sich da schon ein Freundeskreis entwickelt? Alle Kinder dieser Kleingruppe sind selbstbewusst, durchsetzungsfreudig, kooperativ und kreativ. Vor allem hat mich gefreut, dass sich Isabel in dieser Gruppe wohlfühlt. Sie langweilt sich nicht und kann sich neuen Herausforderungen stellen.

Isabel und die anderen Kinder zeigten großes Interesse an diesem Spiel. Alle beobachteten gespannt, welche Ziffer geangelt wurde. Und es wurde genau kontrolliert, ob sie auch in den richtigen Eimer sortiert wurde.

Isabel zeigte große Anspannung – sie wollte die Ziffern immer richtig zuordnen und benennen. Dazu entwickelte sie ihre eigene Strategie: Wenn sie zum Beispiel eine 6 gefangen hatte und sie nicht gleich benennen konnte, verglich sie die Ziffer mit denen auf den Eimern, zählte leise die Eimer, und schon konnte sie die Ziffer benennen. Damit hatte sie immer Erfolg und wurde auch gelobt.

Bei diesem Spiel war ich nur Beobachter. Ich fand es faszinierend, dass die Kinder das Spiel ohne Streit oder Schummeln etwa eine halbe Stunde lang allein spielen konnten.

Ziffern auf der Computer-Tastatur

Verstärkt interessierte sich Isabel nun für Computer. Ich bot ihr an, wenn sie möchte, könnten wir die Zahlen auf der Tastatur des Computers suchen und tippen. Isabel freute sich über das Angebot und wollte es gleich ausprobieren. Sie fand das sehr spannend und probierte alles aus.

Als ich sie fragte: „Hast Du schon alle Zahlen gefunden?“ zeigte sie sie mir auf der Tastatur. „Wie alt bist Du? Kannst Du die Zahl auf der Tastatur finden und eingeben?“
Da die Zahlen auf der Tastatur ziemlich klein sind, brauchte Isabel eine Weile, bis sie die 3 gefunden hatte. Aber es hat geklappt. Danach ließ Isabel keine Gelegenheit aus, um mit mir an den Computer zu gehen. Sie hat eine neue Herausforderung gefunden.

Nach meinem ursprünglichen Plan wollte ich nun Isabel ein Zahlenbuch nach ihren eigenen Vorstellungen erstellen lassen. Doch sie zeigte zu dieser Zeit kein Interesse daran – und so ließ ich es vorerst bleiben. Sollte sie später daran interessiert sein, werde ich es dann noch mal aufgreifen.

Isabel hat das Zählen gelernt

Ich habe mein Ziel erreicht: Isabel kann nun in richtiger Reihenfolge bis 15 zählen und die Ziffern 1 bis 6 erkennen und benennen. Bei den verschiedenen Spielen hat sie das geübt. Sie lässt nun keine Zahlen mehr aus und vertauscht sie auch nicht mehr.

Die Spiele waren abwechslungsreich. Für Isabel war es wichtig, dass sie eigene Ideen einbauen konnte. So blieb das Spiel interessant, Langeweile kam nicht auf.  Das war auch für mich eine wichtige Erfahrung, denn oft unterbrach Isabel Angebote oder zog sich zurück, weil sie sich meinen Regeln unterordnen sollte.

Aber bei diesen Spielen war sie Mitgestalter, und das ist es, was Isabel braucht und will.

Spaß in der selbstgewählten Kleingruppe

Als meinen größten Erfolg werte ich, dass Isabel in der Kleingruppe immer aktiv war. Sie zog sich nicht zurück, war immer mit Freude dabei. Sie hatte auch keine Hemmungen, ihre Ideen zu äußern. Das lag daran, dass sie die Teilnehmer der Kleingruppe selber auswählen konnte. Von Beginn an hat sie die Kinder gezielt ausgewählt, sonst wäre nicht so eine feste Gruppe entstanden. Ich konnte beobachten, dass sich Isabel darin wohlfühlte und Spaß hatte.

Eine gute Erfahrung für Isabel (3;8) war auch, dass sich die beiden Vorschulkinder Malte (5;1) und Denis (5;3) dazu gesellten. Vorher hatten die beiden Jungen kein großes Interesse gezeigt, mit Isabel etwas zu unternehmen. Für Isabel war die Teilnahme der Beiden eine Bestätigung, dass sie mit ihrem Wissen auch Anerkennung bei älteren Kindern findet. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein. Ich hoffe und wünsche, dass sich der kleine Freundeskreis, der sich entwickelt hat, weiterhin festigt. Ich werde das auf jeden Fall unterstützen.

Nächstes Ziel: der „Computerführerschein“

Isabels großes Interesse am Computer hatte ich nicht erwartet. Aber Isabel lässt mich immer wieder staunen. Ich werde ihr die Möglichkeit geben, mit mir am Computer zu arbeiten.
Unsere Vorschulkinder können bei uns einen „Computer-Führerschein“ erwerben. Der befähigt sie, selbstständig am Computer zu arbeiten. Vielleicht kann man es Isabel ermöglichen, den „Computer-Führerschein“ schon früher zu machen.

Zum Computer-Führerschein siehe auch den Beitrag: Computernutzung und Internet.

Im Verlauf der hier beschriebenen Lernvorgänge konnte ich beobachten, wie sich Isabels Persönlichkeit weiter entwickelte. Ich finde es bemerkenswert, dass sie in der Lage ist, immer wieder eigene Lernstrategien zu finden, um zum Ergebnis zu  kommen.

Datum der Veröffentlichung: Juni 2015
Copyright © Hanna Vock, siehe Impressum.