von Annika Hensel

 

Der fünfjährige (getestet) hoch begabte Ben hatte in der Kita einen Unfall. Als er an der Reckstange auf dem Außengelände kletterte, ist er abgerutscht und mit dem Gesicht auf den Boden geknallt. Seine Nase blutete stark und er schrie vor Schmerz und Schreck.

Ich war zufällig gerade in der Nähe und als erste bei ihm. Ich versuchte ihn zu beruhigen, trug ihn vom Außengelände rein und setzte mich mit ihm hin. Eine Kollegin brachte eine Mullbinde, um die starke Blutung zu stoppen.

Ben war sehr aufgelöst und schrie und weinte, weil es so stark blutete. Immer wieder schrie er: „Das blutet!“.

Da ich weiß, dass man Ben vieles sehr gut erklären kann, sagte ich ihm, dass es gut wäre, wenn er sich beruhigen würde, da dann sein Herz auch wieder langsamer schlagen würde. Das Herz pumpe ja das Blut durch den Körper – und die Nase würde bestimmt schneller aufhören zu bluten, wenn das Herz nicht so stark pumpen würde.

Er verstand es sofort und ich konnte spüren, wie er versuchte, sich zu beruhigen, was ihm trotz seiner spürbaren Angst auch gut gelang.

Trotzdem blutete seine Nase immer noch stark, deshalb beschlossen ein Kollege und ich, den Krankenwagen zu rufen. Dies versuchte ich Ben vorsichtig zu sagen. Er war aber bei dem Gedanken außer sich vor Angst und schrie, dass kein Krankenwagen kommen solle – nur die Mama.

Wieder erklärte ich ihm, dass eine Kollegin die Mama schon angerufen hat und dass ich es auf keinen Fall zulasse, dass wir ohne seine Mama ins Krankenhaus fahren. (Wir wussten, dass sie sehr schnell da sein konnte, da sie in der Nähe arbeitet.)

Er beruhigte sich etwas, aber es war mehr nötig.

Mir wurde noch mal deutlich klar, dass Ben durch seine Hochbegabung vieles wesentlich besser einschätzen kann, als andere Kinder seines Alters. Deswegen kann er auch die möglichen Konsequenzen eines Unfalls besser abschätzen und dies bereitet ihm dementsprechend auch mehr Angst als anderen Kindern.

Das Wissen über Bens Hochbegabung half mir auch jetzt, ihn mit sachlichen Erklärungen zu beruhigen. Ich erklärte ihm, dass ich ihn nicht einfach alleine ins Krankenhaus fahren lasse und dass ich das auch gar nicht darf, weil ich einen Vertrag mit seinen Eltern geschlossen habe, in dem steht, dass wir immer auf ihn aufpassen, wenn er im Kindergarten ist. Und viele andere Dinge über den Krankenwagen und die Untersuchung im Krankenhaus erklärte ich ihm außerdem.

Natürlich hatte er weiterhin Angst, aber keine Panik mehr. Er klammerte sich an mir fest und wartete ab, bis seine Mama da war. Obwohl die Sanitäter vor seiner Mutter ankamen, wurde er nicht mehr panisch.
Schlussendlich wurde deutlich, welch große Angst Ben vor dem Krankenhaus hat, aber auch, dass man ihm mit sachlichen Erklärungen helfen kann, seine Ängste zu verringern.

Mehr zu Ben:

Siehe auch:
Ängstlichkeit und Vor-Sicht bei hoch begabten Kindern

 

Datum der Veröffentlichung: Februar 2016
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