von Beate Kroeger-Müller


Jonas ist 6 Jahre alt, ich habe ihn an Hand des Fragebogens zu seinen Interessen interviewt.

Auf die Frage: Was spielst du gerne ?, nennt Jonas sein soeben von ihm selbst erdachtes Rollenspiel „Die zwei magischen Katzen“. 

Auf die Frage: Was kannst du besonders gut? gibt er nochmal „Die zwei magischen Katzen“ an.

Die von Jonas erdachten Spiele stecken oft voller Fantasie. Seine Spielideen sind originell, im Sinne von einmalig, wie ich sie von Kindern bislang nicht kenne. Seine oft naiven und unbekümmerten Spielinhalte verleihen Jonas´ Rollenspielen etwas Unkonventionelles. Allein die Vielfalt an Spielideen, die Jonas tagtäglich produziert, ist auffällig.

Diese Phantasiespiele sind eine wesentliche Basis für die weitere Entwicklung zu kreativen Prozessen, bei denen Jonas noch mehr seine Vorstellungskraft und seine Sprache einsetzen kann.

Auf die Frage, was er gerne lernen möchte, antwortet er:

„Sprachen – aus meiner Sprache und einer Fremdsprache könnte ich dann eine Geheimsprache machen.“

Im sprachlichen Bereich liegt bei Jonas eindeutig ein Entwicklungsvorsprung vor. Er verfügt über einen ungewöhnlich großen Wortschatz für sein Alter. Seine Sprache ist ausdrucksstark, ausgearbeitet und flüssig. Sein Spaß an Kommunikation und verbalem Austausch ist bei Jonas außergewöhnlich. Er bemerkt sehr wohl, dass sein „reden können“ etwas besonderes ist, und setzt es immer und überall ein.

Jonas´ ganze Haltung gegenüber neuen Dingen, die ihn interessieren und intellektuell herausfordern, zeigt sich in seinen Antworten auf die nächsten Fragen:

Was möchtest du noch besser können?:

„Das Rechnen!“

Als er gefragt wird, was ihn nervt, antwortet er:

„Babyhafte Filme wie Das Sandmännchen“.

Wie wie heißt dein Lieblingsbuch? Antwort:

„Christkindls Weihnachtsreise, weil da genau das Weihnachten beschrieben wird, so wie es richtig ist.“

Was machst du am liebsten?:

„Bücher angucken, die für mich interessant oder auch spannend sind.“

Was ist deine Lieblingssendung?:

„Die Sendung mit der Maus, die zeigen da immer lustige, neue und interessante Dinge für mich.“

Was ist deine Lebensfrage?:

„Wie die Welt genau entstanden ist und was aus dieser Welt sonst noch so entsteht.“

Jonas möchte die Welt und ihre Ordnung verstehen, den Sinn der Dinge erkennen – und das am liebsten mit all seinen Sinnen. Ihm genügt nicht ein genaues Hinschauen, sondern Jonas setzt all seine Neugierde und seinen Forscherdrang daran, den Dingen auf den Grund zu gehen. Er ist auf der Suche nach  Antworten auf Themen, die sich mit dem Verhältnis zum eigenen Leben und der Welt insgesamt befassen. Er will das erforschen und entdecken, was uns die Natur gibt,- das, was “naturgegeben“ ist.

Jonas lernt nicht in erster Linie, um Wissen zu sammeln. Er versucht, sein Wissen fantasievoll und kreativ zu benutzen, um eine Sache zu erhellen. Denn Jonas besitzt eine geistige Wendigkeit, die ihn schnell umdenken und ein Problem aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten lässt.

Auf die Frage: Mit wem spielst du am liebsten?, nennt Jonas blitzschnell seinen besten Freund Jonathan (5;8). Nach längerem Zögern erst nennt er Torben und Melvin (beide 5;4), mit dem Nebensatz:

„… wenn es gut klappt“.

Was ist schwierig für dich im Kindergarten? :

„Mit anderen Kindern zu spielen, weil ich nur weiß, wie ich mit Jonathan richtig spielen kann, – und in (…seinem Wohnort…) hab‘ ich nämlich nur sehr wenig Freunde.“

Auf meine Nachfrage, was er in seinem letzten Kindergartenjahr denn noch lernen möchte, ergänzt Jonas:

„Wie kann ich lernen, richtig mit anderen Kindern zu spielen, damit ich noch mehr Freunde haben kann?“

Für mich stellt diese Antwort eines 6-jährigen Kindes ein hohes Maß an Selbstreflexion und guter realistischer Selbsteinschätzung dar, gepaart mit der großen Sehnsucht nach mehr freundschaftlichen und dauerhaften Kontakten. Denn Jonas leidet zunehmend an dem Problem, nicht mit anderen Kindern ins längere Spiel zu kommen und dem daraus entstehenden Gefühl, nicht dazu zu gehören.
Was Jonas lernen muss, ist zwischen Selbstbehauptung und Sozialverhalten zu unterscheiden, um sein eigenes Verhalten situationsgemäß zu steuern.

Jonas kennt sehr wohl seine Stärken, aber er vermag auch seine Schwächen zu artikulieren, wie bei der Frage:

Gibt es etwas, das dich häufig nervt? Hier antwortet Jonas:

„Es nervt mich, wenn ein anderes Kind in das Spielgebiet von Jonathan und mir kommt“.

Ein Grund für ein soziales Problem liegt vielleicht auch in seiner hohen sprachlichen Fähigkeit. Jonas dominiert schnell die Spielverläufe der anderen Mitspieler oder er ändert die Handlungen, Regeln und Inhalte der Spiele, die die anderen Kinder begonnen haben, ohne sie näher damit einzubeziehen. Bislang kann Jonas es nicht verstehen, dass er sich damit keine Freunde macht, obwohl sein sprachliches Bemühen darin besteht, sich noch besser auszudrücken, um es den anderen Kindern noch besser zu erklären.

Häufig empfindet Jonas eine größere Gruppe, (zum Beispiel etwa 5 Kinder, die lebhafter im Außengelände spielen) für sich als Bedrohung, so dass er oft glaubt, sich gegen diese Kinder körperlich wehren zu müssen.
Aus diesen Einschätzungen entwickelte ich ein Projekt: In der Forschergruppe Freunde finden.

Datum der Veröffentlichung: Februar 2012
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