von Hanna Vock

 

Der nachfolgende Artikel wurde 2004 geschrieben und in einer Tagungsdokumentation veröffentlicht. Der Anlass war die Tagung „Das kompetente Kind. Zwischen Bildungs(ver)planung und Eigendynamik“. Die Tagung wurde veranstaltet von der Abteilung Tageseinrichtungen für Kinder im Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln.
Die Struktur „Leitlinie – Konkretisierung – Praktische Anregungen“ war von der Tagungsleitung vorgegeben, die Inhalte stammen von mir.
2021 wurde der Text von mir leicht überarbeitet.

(Hier finden Sie den ursprünglichen Text in Tabellenform.)

Kurz nach der Veröffentlichung der Tagungsdokumentation rief mich eine Kita-Leiterin an und berichtete, dass sich ihr Team bei einem Team-Tag gründlich durch den Artikel durchgearbeitet habe. Die Kolleginnen haben danach einhellig festgestellt, dass es im Team nun eine viel klarere und einheitlichere Auffassung von kognitiver Förderung gebe und dass sie viele Anregungen in der zukünftigen Arbeit umsetzen bzw. stärker beachten wollen.

Siehe auch: Checkliste: Kognitive Förderung

Diese Idee,
mit dem Artikel im Team zu arbeiten,
gebe ich hier gerne weiter.

Und hier beginnt der Artikel:

Denken macht Spaß
Kognitive Förderung in der Tageseinrichtung für Kinder

Was ich gern tue, tue ich gut. Den Kindern den Spaß, die Freude am eigenständigen Denken zu erhalten und sie bei der Entwicklung ihrer Denkfähigkeiten zu unterstützen, ist eine wichtige und faszinierende Aufgabe für Erzieherinnen und Erzieher im Rahmen einer ganzheitlichen Förderung. Nebenbei kann das auch zum späteren Schulerfolg der Kinder beitragen.

Hier zunächst eine grobe Übersicht über die Leitlinien, die weiter unten konkretisiert und mit praktischen Anregungen versehen werden:

Grundvoraussetzungen für die Entwicklung
1. Respektvolles Interesse am Denken der Kinder als pädagogische Grundhaltung
2. Gute kognitive Förderung braucht Humor
3. Das Äußern von Gedanken braucht eine vertrauensvolle Atmosphäre
4. Ausdrucksmöglichkeiten entwickeln

Lernbedingungen für die kognitive Entwicklung
5. Die kognitive Förderung ist eingebettet in ganzheitliches Tun der Kinder
6. Erzieher*innen erfassen und planen die kognitive Förderung als spezifischen Förderbereich
7. Kognitive Förderung umfasst verschiedene Ebenen des Forschens, Denkens und Erkennens
8. Kognitive Förderung gelingt am besten an Inhalten, die die Kinder interessieren.
9. Kognitive Förderung bedeutet auch: Kinder daran teilhaben lassen, wie Andere Probleme durch Nachdenken lösen
10. Kognitive Förderung umfasst das Vermitteln und Entwickeln von kognitivem „Handwerkszeug“

Strukturelle Bedingungen
11. Innere Differenzierung muss möglich sein
12. Das Erkunden der weiteren Umgebung muss möglich sein
13. Zusammenarbeit mit den Eltern ist wichtig

Und hier beginnen die Konkretisierungen und die praktischen Anregungen: 

 

Leitlinie 1:
Respektvolles Interesse am Denken der Kinder als Grundhaltung

Konkretisierung 1:

Das Denken der Kinder ist nicht von außen sichtbar. Wir können davon ausgehen, dass sich jedes Kind jeden Tag interessante Gedanken macht.

Praktische Anregungen:

    • Für die Ideen, Gedanken und Themen der Kinder Interesse zeigen, danach fragen.
    • Dem Gespräch mit den Kindern viel Zeit und Raum geben.

Konkretisierung 2:

Die eigenständigen Gedanken der Kinder als wichtigen Ausdruck ihres Lernens, ihrer Auseinandersetzung mit der Umwelt auffassen. Die Gedanken der Kinder geben Aufschluss über ihren Entwicklungsprozess.

Praktische Anregungen:

    • Das eigenständige Denken der Kinder ernst nehmen und wertschätzen.
    • Wenn Kinder ihre Ideen und Gedanken äußern, können wir sie mit unseren Förderimpulsen „da abholen, wo sie stehen“.
    • Die Ideen der Kinder aufgreifen, sie mit ihnen diskutieren und ihnen helfen, sie zu verwirklichen.
    • Die Gedanken der Kinder geben Aufschluss darüber, wie gut sie das Geschehen im Kindergarten und in ihrer sonstigen Umwelt verstehen.
    • Die geäußerten Gedanken des Kindes in die Entwicklungsdiagnostik einbeziehen.

Konkretisierung 3:

Zugang zu den Gedanken der Kinder finden, heißt zu erfahren, was sie kognitiv und emotional bewegt.

Praktische Anregungen:

    • Die emotionalen Anteile und die kognitiven Anteile der geäußerten Gedanken beachten.
    • Den Kindern respektvolle Rückmeldungen geben. Sich durch Rückfragen vergewissern, ob sie richtig verstanden wurden.

 

Leitlinie 2:
Gute Kognitive Förderung braucht Humor

Konkretisierung 1:

Denken macht Spaß, wenn es nicht angestrengt und verbissen geschieht, sondern leicht und locker.

Praktische Anregungen:

    • Fehler machen muss erlaubt sein.
    • Niederlagen, Misserfolge, Irrtümer bringen keine Schelte ein, sondern Trost.
    • Als Erzieher*in mit eigenem Nichtwissen, mit Irrtümern oder Misserfolgen ohne Verlegenheit vor den Kinder umgehen.

Konkretisierung 2:

Nicht alles schon vorher wissen wollen. Denken und Forschen haben immer ein offenes Ende; Überraschungen sind möglich und machen einen großen Teil des Reizes aus.

Praktische Anregungen:

    • Für viele Fragen und Probleme gibt es verschiedene gute Antworten und Lösungen. Keiner kennt sie alle. Offen bleiben!
    • Spaß am Entdecken zulassen und nach Möglichkeit selber empfinden.

Konkretisierung 3:

Denken ist lustig, wenn wir beim Denken lustig sind.

Praktische Anregungen:

    • Eine Atmosphäre schaffen, in der gutmütige Scherze und Witze ihren Platz haben. Gute Scherze und Witze schulen das Denkvermögen. Einen Witz zu verstehen oder sogar selber auszudenken, setzt voraus, das Unerwartete, das Groteske, das Lustige an einer Situation zu erfassen.

 

Leitlinie 3:
Das Äußern von Gedanken braucht eine vertrauensvolle Atmosphäre

Konkretisierung 1:

Auch schüchterne und noch unsichere Kinder sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Gedanken zu äußern. Dazu braucht das Kind stabiles Vertrauen zu den Zuhörern.

Praktische Anregungen:

    • Auslachen und abwertende Bemerkungen nicht zulassen.
    • Kindern beim Ausdrücken ihrer Gedanken durch Aufmerksamkeit, Ruhe, Geduld und behutsames Nachfragen helfen.
    • Die Aussage des unsicheren Kindes positiv wiederholen.
    • Schüchterne Kinder zum Sprechen auffordern, wenn die Vermutung besteht, dass sie jetzt im Moment etwas beitragen könnten.

Konkretisierung 2:

Auch ungewöhnliche, vom Mainstream abweichende Gedanken dürfen geäußert werden. Dazu braucht das Kind das Vertrauen in die Erzieher*in, dass sie auch solche Gedanken wichtig findet.

Praktische Anregungen:

    • Abweichende, unkonventionelle Gedanken herausfordern.
    • Häufig fragen: Könnte es auch noch ganz anders sein, könnten wir es auch anders machen?
    • Gute ungewöhnliche Ideen bestätigen.

 

Leitlinie 4:
Ausdrucksmöglichkeiten entwickeln

Konkretisierung 1:

Kinder können ihre Gedanken nur äußern, wenn sie über angemessene Ausdrucksmöglichkeiten verfügen. Die Kommunikation, das Gespräch, der Ideen- und Gedankenaustausch zwischen Kind, Gruppe und Erzieher*in ist umso reicher, je differenzierter die Ausdrucksmöglichkeiten sind.

Praktische Anregungen:

    • Förderung der Lautsprache.
    • Förderung der Körpersprache, der Mimik und Gestik.
    • Förderung der Mal- und Zeichenfähigkeiten.

Leitlinie 5:
Die kognitive Förderung ist eingebettet in ganzheitliches Tun der Kinder

Konkretisierung 1:

Jedes Spiel, jede Arbeit, jede Tätigkeit hat kognitive Anteile.

Praktische Anregungen:

    • Ins Spiel versunkene Kinder, aktiv und begeistert spielende Kinder, nachdenkende Kinder nicht stören. Sie lernen intensiv.
    • Kindern große, unzerteilte Zeiträume zum freien Spielen sichern.
    • Kindern helfen, ihre eigenen Ideen umzusetzen.

Konkretisierung 2:

Jedes Spiel, jede Aktivität hat verschiedene Phasen, die geistige Tätigkeit verlangen:
– Aufkommen des Spielwunschs und erste Spielidee.
– Evtl. Kontaktaufnahme zu anderen Kindern und Werbung für die Idee.
– Aushandeln und Konkretisieren der Idee, Aushandeln von Regeln und/oder Rollen.
– Beschaffung von Material.
– Aufstellen eines Planes, Festlegen einer Geschichte.
– Spielhandlung.
– Überwinden von Schwierigkeiten.
– Einbringen neuer Ideen.
– Bewertung dieser Ideen, Entscheidung.
– Spielhandlung.
– Beendigung des Spiels (im Einvernehmen oder im Streit).
– Individuelle Bewertung des Spiels (war schön / war doof). Eine Bewertung findet immer statt, auch wenn sich das Kind nicht dazu äußert.
– Begründung dieser Bewertung.
– (Innere oder äußere) Schlussfolgerung für weitere Spiele („Mit dem spiel ich nicht mehr“, „das kann ich nicht“, „das Spiel ist langweilig“, usw.).

Praktische Anregungen:

    • Beobachten, wie die Kinder die unterschiedlichen Phasen meistern.
    • Beurteilen, woran gute Spielideen (immer wieder?) scheitern. Diese Phasen mit den Kindern bearbeiten, mit ihnen über die beobachteten Schwierigkeiten sprechen, mit ihnen gemeinsam nachdenken; evtl. konkrete Hilfestellung geben.
    • Darauf hinarbeiten, dass die Kinder sich insgesamt möglichst viele Erfolgserlebnisse erspielen (= schöne Spielsituationen, die die aufgewendete Mühe wert waren und zum Weiterspielen reizen).
    • Begabungsunterschiede beachten: Besonders begabte Kinder können in der Gruppe in die Lage geraten, dass die Spielideen, die Spielverläufe und die Spielergebnisse sie nur selten befriedigen. Dies mindert ihre Lust, sich auf gemeinsames Spiel einzulassen. Sie brauchen wenigstens zeitweise adäquate Spielpartner.

Konkretisierung 3:

Viele Impulse geben sich die Kinder gegenseitig. Dies reicht aber für die Kinder nicht aus, um sich selbst und ihre Umwelt hinreichend zu begreifen. Die Aufgabe der Erwachsenen und damit auch der Erzieher*in ist auch und in starkem Maße, zusätzliche und gut überlegte Impulse für die kognitive Entwicklung der Kinder zu geben.

Praktische Anregungen:

    • Angebote und Projekte mit hohem kognitivem Anteil sind wichtig.
    • Experten einbeziehen (Eltern, Großeltern, Vertreter diverser Berufe und Hobbys).
    • Materialien zur kognitiven Förderung bereitstellen: Denk- und Strategiespiele, Experimentiermaterial, Sammlungen interessanter Dinge, Bücher, Nachschlagewerke, Internet, Geschichten, Rätsel, Spiele mit Buchstaben, Zahlen, abstrakten Formen…

 

Leitlinie 6:
Erzieher*innen erfassen und Planen die kognitive Förderung als spezifischen Förderbereich

Konkretisierung 1:

Kognitive Entwicklung passiert nebenbei. Die kognitive Entwicklung der Kinder zu fördern, erfordert aber, diesem Bereich besondere Beachtung zu schenken. Die „Denkwerkzeuge“ entwickeln sich durch Benutzung.

Praktische Anregungen:

    • Die Kinder immer wieder zum Nachdenken über Erlebtes, zum kritischen Hinterfragen, zum Ideen ausspinnen, zum Lösen von schwierigen Aufgaben und Rätseln motivieren.

Konkretisierung 2:

Zur kognitiven Förderung gehören die Unterstützung beim Wissenserwerb (Fakten- und Erfahrungswissen) und die Entwicklung der Denkfähigkeit. Beides ist wichtig.

Praktische Anregungen:

    • Die kognitiven Anteile von Spielen, Aufgaben und anderen Aktivitäten daraufhin prüfen, welches neue Wissen die Kinder erwerben können und inwieweit sie daran ihr Denken üben können.
    • Spiele und Spielideen mit zusätzlichen kognitiven Anreizen anreichern, zum Beispiel Regeln variieren, Geschichten nicht bis zum Schluss vorlesen, sondern von den Kindern einen möglichen Schluss ausdenken lassen.

Konkretisierung 3:

Die Kinder erreichen im Vorschulalter sehr unterschiedliche Denkniveaus und ein sehr unterschiedliches Allgemeinwissen. Dies kann auf unterschiedliche Anregung und Förderung in der Familie und/oder auf Begabungsunterschiede zurückzuführen sein.

Praktische Anregungen:

    • Für jedes Kind feststellen, ob sein Allgemeinwissen besonders gering oder auch besonders umfangreich ist. Den Eltern Rückmeldungen und Tipps zur Förderung geben.
    • Für jedes Kind erforschen, welche Denk-Ebenen es beherrscht. (Siehe Leitlinie 7.)
    • Entwicklungsziele formulieren.

Konkretisierung 4:

Für den Alltag in der Kindertagesstätte Elemente entwickeln, die besonders zur kognitiven Förderung geeignet sind.

Praktische Anregungen:

    • Regelmäßiges Bilderbuchbetrachten und Geschichtenerzählen in kleinen Gruppen. Die Bilder und Geschichten als Gesprächsgrundlage nutzen und in den Gesprächen unterschiedlich schwierige Fragen zu den Inhalten stellen.
    • Häufig in der Gruppe oder in Kleingruppen Gespräche zu bestimmten Themen anregen. Beispiele: „Was ist eigentlich Schnee?“ / „Wo kommen die Eier her?“ / „Was wünscht ihr euch zu Weihnachten?“
    • Regelmäßig und ausführlich in der Gruppe und in Kleingruppen über Erlebnisse in der Kindertagesstätte sprechen.
    • Zu Vorhaben und Erlebnissen, die in der Zukunft liegen, ausführliche Informationen geben, damit die älteren Kinder sich im Geiste eine Vorstellung davon machen können, die sie dann mit den realen Erlebnissen vergleichen können.
    • Kinder über ihre Tätigkeiten berichten lassen: „Wie hast du das gemacht?“ / „Warum hast du das so gemacht?“ Das regt die Kinder an, ihr Tun nachträglich noch mal geistig zu verarbeiten.
    • Regeln für das Sprechen in der Gruppe erarbeiten.

 

Leitlinie 7:
Kognitive Förderung umfasst verschiedene Ebenen des Forschens, Denkens und Erkennens

Konkretisierung 1:

Wissen und Erfahrungen ansammeln.

Praktische Anregungen:

    • Kleine oder größere Projekte, die auf ein Ergebnis  hinzielen, bieten beste Gewähr dafür, dass sich Wissen und Erfahrungen miteinander verbinden. Wissen wird als anwendbar erlebt. Erwerb von neuem Wissen erscheint sinnvoll, um die eigenen Vorhaben zu verwirklichen.
    • Projekte sollten genutzt werden, nach allen Seiten zu fragen und zu denken und neues Wissen zu suchen.

Konkretisierung 2: 

Logische Zusammenhänge verstehen. Ursachen und Wirkungen bewusst machen und gedanklich trennen.

Praktische Anregungen:

    • In allen möglichen Situationen nachfragen. Haben die Kinder Ursache und Wirkung verstanden?
    • Haben sie wirklich verstanden, warum etwas so und nicht anders (gekommen) ist? Oder warum das so sein muss?

Konkretisierung 3:

Ursachen und Wirkungen des eigenen Verhaltens und des Verhaltens Anderer verstehen lernen. Strategisch denken lernen. (Was kann / muss ich tun, um ein Ziel zu erreichen?)

Praktische Anregungen:

    • In Kinderversammlungen über Konflikte, über Verhalten und seine Wirkungen sprechen. Erklärungsmuster anbieten, die die Kinder nachvollziehen können.
    • Darauf achten, ob ein Kind schon den Blickwinkel seines Gegenübers einnehmen kann.
    • Beispiel: Warum hat Lisa jetzt keine Lust mehr, mit Tina zu spielen? Haben beide das auch kognitiv verstanden?
    • Mit Kindern Strategien beraten: Was könnte ich (Tina) tun, damit Lisa morgen doch wieder mit mir spielt?

Konkretisierung 4:

Dinge und Vorgänge (kritisch) bewerten. Die Bewertung begründen.

Praktische Anregungen:

    • Die Bewertungen und Urteile von Kindern Ernst nehmen, ihre Urteilskraft Wert schätzen.
    • Kinder zum Abgeben von Bewertungen ermutigen.
    • Kinder müssen ihre Bewertungen nicht immer begründen, aber sie sollten lernen können, es zu tun. Es erhöht ihre Einflussmöglichkeiten, sie wirken kompetent, wenn sie es gut können.

Konkretisierung 5:
Fantasie einsetzen; eigene Ideen entwickeln. Kreativ und divergent denken.

Praktische Anregungen:

    • Am Anfang eines kreativen Denkprozesses steht oft eine gute Frage oder eine gute Geschichte. Fragen stellen, die zum Denken anregen.
    • Fantasiereisen machen.
    • Spielsituationen, Geschichten ausdenken.
    • Variationen finden: Lieder neu texten, Geschichten verändern.
    • Rollenspiel und Theaterspiel zur Fantasie-Entwicklung nutzen.

Konkretisierung 6:
Eigene Ideen, Geschichten, Erlebnisse präsentieren, zur Diskussion stellen.

Praktische Anregungen:

    • Um zu erleben, dass Andere ihre Ideen gut finden, sollten die Kinder lernen, sie gut darzustellen. Manche Kinder haben dafür ein Naturtalent, andere brauchen viel Ermutigung und Übung.
    • Auf verständliche, präzise Ausdrucksweise achten, den Kindern dabei helfen.
    • Selbstbewusstes Auftreten üben (Körperhaltung, Blickkontakt, Stimmeinsatz…)
    • Die Kinder anleiten, sich in bestimmten Situationen kurz fassen, das Wesentliche zu sagen.
    • Den Kindern helfen, Angst vor Versagen oder Blamage zu überwinden. Ein gutes Mittel dafür: eine Serie kleiner Erfolgserlebnisse organisieren.

Konkretisierung 7:

Immer komplexer denken lernen. Mehrere Merkmale von Situationen komplex erfassen.

Praktische Anregungen:

    • In vielen Situationen Sätze gebrauchen wie: „Das könnte aber auch daher kommen.“ / „Und was hat das damit zu tun?“ / „Aber es ist doch auch wichtig, was sich das Kind dabei gedacht hat.“ / „Und der Wind, kann der dabei auch wichtig sein?“
    • Spiele spielen, bei denen mehrere Merkmale (z.B. Farbe, Form und Größe) gleichzeitig berücksichtigt werden müssen.

 

Leitlinie 8:
Kognitive Förderung gelingt am besten an Inhalten, die die Kinder interessieren.

Konkretisierung 1:

Von Interesse sind Dinge, Tätigkeiten und Themen, die für das Leben der Kinder aktuell bedeutsam sind.

Praktische Anregungen:

    • Vieles was mit dem Kindergartenbesuch zusammenhängt,
    • mit Ereignissen in der Familie,
    • mit der bevorstehenden Einschulung,
    • mit Freundschaften, Konflikten, Unzufriedenheiten unter den Kindern
    • und vieles andere.

Konkretisierung 2:

Von Interesse sind Dinge, Tätigkeiten und Themen, die von Anderen (Kindern oder Erwachsenen) gekonnt und spannend dargebracht werden.
Kinder können an jedem beliebigen Thema / Wissensgebiet ihre Denkfähigkeiten weiterentwickeln.

Praktische Anregungen:

    • Kinder sind von Natur aus neugierig, sie wollen verstehen, begreifen, ausprobieren, nachahmen, Neues erfahren.
    • Die Erzieher*in sollte sich in ihrer Arbeit mit den Kindern auf Dinge und Themen konzentrieren, die sie selbst faszinieren. Dann kann sie auch die Kinder mitreißen.
    • Geeignete Experten suchen, eine Expertenkartei anlegen. Geeignet sind Experten, die ihre Tätigkeit, ihr Feld sicher beherrschen, selbst begeistert sind, gut und einfach erklären können, Humor haben, mit Kindern gut in Kontakt kommen, den Kindern sympathisch sind.
    • Auch Kinder, die etwas können, was die anderen interessiert, und die es den anderen Kindern zeigen / beibringen können, sind Experten.

 

Leitlinie 9:
Kognitive Förderung bedeutet auch: Kinder daran teilhaben lassen, wie Andere Probleme durch Nachdenken lösen.

Konkretisierung 1:

Die Kinder lernen von anderen Kindern der Gruppe und von den Erzieher*innen, wie diese ihre „Denkwerkzeuge“ benutzen.

Praktische Anregungen:

    • Eigene Denkprozesse für die Kinder erfahrbar machen. Die Erzieher*in erklärt, wie sie zu einer Schlussfolgerung oder Entscheidung gekommen ist, zum Beispiel: „Erst hatte ich vor, das so zu machen, aber dann habe ich gemerkt, dass es so gar nicht geht, und da musste ich weiter überlegen…“
    • Die Kinder ermutigen, auch ihre Denkvorgänge nach außen zu lassen. Dafür helfen Fragen wie: „Wie bist du darauf gekommen?“ / „Wie hast du dir das gedacht?“ / „Woher weißt du das?“
    • Die Erzieher*in lässt die Kinder wissen, woher sie selbst ihre Informationen (zum Beispiel zu einem Projektthema) bezogen hat. „Das habe ich aus diesem Buch.“ / „Ich habe bei der Feuerwehr angerufen, und da hat mir der Mann am Telefon erzählt…“

 

Leitlinie 10:
Kognitive Förderung umfasst das Vermitteln und Entwickeln von kognitivem „Handwerkszeug“.

Konkretisierung 1:

Dinge untersuchen und erforschen.

Praktische Anregungen:

    • Vielfältiges Material und unterschiedliche Werkzeuge bereit stellen – auch immer wieder Dinge (ausrangierte Geräte von Eltern oder vom Sperrmüll), die auseinander genommen werden dürfen. Sicherheit der Kinder bedenken!

Konkretisierung 2:
Werkzeuge sinnvoll benutzen.

Praktische Anregungen:

    • Die Kinder anleiten, zum Beispiel mit Stiften, Schere und Klebstoff, aber auch mit vielen anderen Geräten sinnvoll und geschickt umzugehen, zum Beispiel mit Waagen, mit dem Telefon, mit Hammer und Zange…

Konkretisierung 3:
Vermutungen anstellen und überprüfen, experimentieren.

Praktische Anregungen:

    • Die Kinder auffordern, Vermutungen anzustellen, zum Beispiel darüber, welche Gegenstände schwimmen können und welche nicht und woran das liegen könnte.
    • Einfache naturwissenschaftliche oder technische Experimente mit den Kindern durchführen; Vermutungen anstellen, die man im Experiment überprüfen kann.

Konkretisierung 4:

In die Zukunft denken; planen und planvoll vorgehen. Risiken abwägen.

Praktische Anregungen:

    • Gemeinsam überlegen, was getan werden kann / muss, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, und in welcher Reihenfolge es getan werden sollte. Überlegen, wer was am besten tun kann.
    • Überlegen, was schief gehen könnte, was schwierig werden könnte und was man dann tun kann.
    • Überlegen, was man vorbeugend tun kann, um Pannen zu vermeiden.

Konkretisierung 5:

Wissen und Ideen austauschen, zusammentragen, diskutieren, evtl. abstimmen.

Praktische Anregungen:

    • Zu einem Thema, einer Aufgabe, einem Problem alles Wissen zusammentragen. Motto: Zusammen wissen wir mehr.
    • Brainstorming als Methode kennenlernen. Alle Ideen werden erstmal gleichberechtigt angehört, auch die scheinbar verrückten und seltsamen. Erst danach wird überlegt und entschieden, welche Ideen verwirklicht werden sollen.

Konkretisierung 6:

Fragen stellen, Wissen sammeln.

Praktische Anregungen:

    • Es ist gut für die Kinder, wenn sie erleben, wie die Erwachsenen sich durch Fragenstellen schlau machen (Vorbildwirkung).
    • Kinder sollten früh damit vertraut gemacht werden, dass man nicht alles wissen muss, dass es aber gut ist, wenn man Methoden kennt, um sich Wissen gezielt zu verschaffen. (Andere Menschen fragen, Experten fragen, in Büchern und im Internet nachsehen.)

Konkretisierung 7:

Festhalten von Ideen und Ergebnissen. Pläne zeichnen.

Praktische Anregungen:

    • Erste Erfahrungen im Zeichnen von Plänen machen: Was es alles im Außengelände gibt und wo das steht; Wie die Räume hintereinander liegen; der eigene Weg zum Kindergarten.
    • Spielpläne und Hinkelkästchen malen.
    • Einen Tischdienstplan oder ähnliches so gestalten, dass Kinder ihn „lesen“ können.
    • Mit Kästchen, die angekreuzt werden können, aufzeichnen, wie viele Tage es noch sind bis zur Übernachtung im Kindergarten oder bis zu einem anderen Höhepunkt des Kindergartenjahres.
    • Aus einer von Kindern selbst erdachten Geschichte gemeinsam ein Bilderbuch erstellen, das immer wieder zur Hand genommen werden kann –  und so der Geschichte einen großen Wert beimessen.
    • Vor dem Plätzchenbacken das Rezept aufmalen, so dass die Kinder sich selbstständig orientieren können.

Konkretisierung 8:

Frühes Rechnen, Lesen und/oder Schreiben aktiv unterstützen. Es sind wichtige kognitive Werkzeuge – und manche Kinder streben aus eigenem Antrieb früh danach, sich diese Werkzeuge anzueignen.
Es frustriert besonders begabte Kinder, wenn Eltern und Erzieher*innen aus Angst, etwas falsch zu machen, diese Bereiche aus der Förderung ausklammern. Von der Schule muss man erwarten können, dass sie sich auf unterschiedliche Entwicklungsstände von Kindern einstellt.

Praktische Anregungen:

    • Buchstaben und Zahlen aus verschiedenen Materialien (Holz, als Puzzle, als Magnetfiguren…) für die Kinder zugänglich halten.
    • Worte und Sätze, die im Kindergartenalltag wichtig sind und die Kinder interessieren könnten, in großen Blockbuchstaben schreiben.
    • Kindern, die sich dafür interessieren, die Namen der Buchstaben sagen und erklären, für welchen Laut sie stehen.
    • Kindern, die sich dafür interessieren, Wörter aufschreiben oder Zähl- und Rechen-Aufgaben stellen.
    • Das Malen von Buchstaben und Zahlen genauso positiv bestätigen wie das Malen von zum Beispiel Blumen oder Raketen.
    • Reimspiele machen.
    • Wörter suchen, die mit A, O, D, usw. beginnen.
    • Kinder, die schon lesen können, lesen lassen. Sie wollen die neu erlernte Fähigkeit nutzen und ausbauen.

 

Leitlinie 11:
Innere Differenzierung muss möglich sein.

Konkretisierung 1:
Sowohl intensive Gespräche wie auch bestimmte Angebote und Projektarbeiten sind am besten zu verwirklichen, wenn Personalbesetzung und Räume es erlauben, dass kleine Gruppen ungestört zusammen spielen und lernen.

Praktische Anregungen:

    • Kleingruppenarbeit machen, wann immer es möglich ist.
    • Bei Angeboten und Projektarbeiten unterschiedliche Gruppenzusammensetzungen unterstützen: nach Interesse, nach Fähigkeiten, nach Sympathie, nach Vorwissen…

Konkretisierung 2:

Die Kinder gezielt fördern, die besonders langsam und mühevoll (und vielleicht schon ungern) denken und Wissen erwerben.

Praktische Anregungen:

    • Aktivitäten und Fragen auf das Niveau und das Tempo der Kinder einstellen, damit sie für sich Erfolge erzielen und den Spaß am Denken nicht verlieren (oder vielleicht auch wiederfinden).

Konkretisierung 3:

Die Kinder gezielt fördern, die besonders schnell, leicht und effektiv denken und neues Wissen erwerben.

Praktische Anregungen:

    • Aktivitäten und Fragen auf das Niveau und das Tempo der Kinder einstellen, damit sie genügend herausgefordert werden und den Spaß am Denken nicht verlieren.
    • Keine Scheu vor besonders anspruchsvollen Angeboten; zum Beispiel anspruchsvolle Rollen beim Theaterspiel, schwierige Experimente, Geburtstagsfeier selbstständig organisieren, je nach den Talenten der Kinder.

Leitlinie 12:
Das Erkunden der weiteren Umgebung muss möglich sein.

Konkretisierung 1:
Der Stadtteil, das Dorf, die umgebende Natur, der nächste Wald bieten unerschöpfliche Anregungen zur kognitiven Förderung der Kinder.

Praktische Anregungen:

    • Viele Ausflüge und Erkundungsgänge machen.
    • Über das Gesehene und Erlebte intensiv und humorvoll reden.
    • Aus dem Erlebten Anregungen für weiteren Wissenserwerb ziehen: Was haben wir nicht verstanden? Was wollen wir noch rausfinden? Wen können wir fragen?
    • Die Umgebung der Kita ist voller Experten. Viele von ihnen erklären den Kindern gerne, was sie da gerade tun, wenn man hingeht und freundlich fragt. (Der Waldarbeiter mit der Baumrodungsmaschine; die Floristin, die Blumensträuße oder Kränze bindet; der Steinmetz neben dem Friedhof, die alte Frau, die den Bürgersteig fegt…)

Konkretisierung 2:
Erkundungsgänge mit einigen Kindern („Mal gucken, was wir entdecken“) sollten spontan und ohne Schwierigkeiten möglich sein.

Praktische Anregungen:

    • Die Eltern sollten wissen, dass das Rausgehen auch ohne Vorankündigung zum Konzept der Kita gehört.
    • Gelegenheiten sollten spontan genutzt werden können. („Ich habe gesehen, dass auf der Baustelle gerade das Dach gedeckt wird. / … dass der Bauer gerade die Kartoffeln aus der Erde holt. Wir können Kartoffeln aufsammeln gehen und nachher kochen.“)

Leitlinie 13:
Zusammenarbeit mit den Eltern ist wichtig.

Konkretisierung 1:
Die Eltern von Kindergartenkindern haben eine überragende Bedeutung für die kognitive Entwicklung ihrer Kinder. Was im frühen Alter versäumt wird, ist später nur schwer aufzuholen.

Praktische Anregungen:

    • Eltern sollten, falls nötig, immer wieder auf die Bedeutung täglicher ausführlicher Gespräche mit ihren Kindern hingewiesen werden.
    • Eltern sollten immer wieder Tipps erhalten, was sie ihren Kindern beibringen und erklären können / müssen.
    • Bücher und Spiele aus dem Kindergarten können von Eltern ausgeliehen werden.

Konkretisierung 2:

Im Kindergarten erleben wir nur einen Ausschnitt der kognitiven Fähigkeiten und Interessen der Kinder.

Praktische Anregungen:

    • Im Gespräch mit den Eltern können Erzieher*innen das Bild vom Kind und seinen kognitiven Interessen ergänzen. Manche Kinder verbergen bestimmte kognitive Fähigkeiten (zum Beispiel Lesen können) oder auch bestimmte Interessen, weil sie glauben, dass im Kindergarten dafür kein Raum ist.

 

Datum der Veröffentlichung: Oktober 2021
Copyright © Hanna Vock, siehe Impressum.

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