von Barbara Teeke

 

In Gesprächen mit Eltern erlebe ich immer wieder, dass diese denken, sie hätten ein “unverschämtes Ansinnen“, wenn sie an die Schule herantreten und um eine gezieltere Förderung ihres Kindes bitten. Viele Eltern sind unsicher, ob ihre Wünsche nach einer individuellen Förderung in der Schule denn tatsächlich auch berechtigt sind.

Ein Blick in das Schulgesetz von Nordrhein-Westfalen soll Aufschluss geben. Wir finden dort klare Aussagen, an denen Eltern anknüpfen und die ihnen mehr Sicherheit geben können.

…kurz gefasst…

In diesem Beitrag werden Auszüge aus dem Schulgesetz von NRW zitiert, und es werden daraus Schlussfolgerungen für die schulische Praxis gezogen. Dies soll Eltern und Erzieherinnen dabei unterstützen, sich über die Möglichkeiten der Schulen in der Begabungsförderung zu informieren.

In diesem geltenden Schulgesetz werden unter anderem auch die hoch begabten Kinder in den Focus gerückt. (Siehe www.schulministerium.nrw.de )

„Das Schulgesetz hat die individuelle Förderung im bestehenden schulformbezogenen System in den Mittelpunkt gestellt. Durch die Aufteilung der Schülerinnen und Schüler auf schulformbezogene Jahrgangsklassen finden wir ein angeglichenes Leistungsspektrum in den Lerngruppen unserer Schulen vor. Dennoch ist die Leistungsstreuung in den Klassen noch so ausgeprägt, dass das Umgehen mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen eine entscheidende Bedingung für erfolgreiches Lernen des Einzelnen in einer Gruppe ist. Der Umgang mit Unterschiedlichkeit ist folglich auch in homogen zusammen gesetzten Lerngruppen unverzichtbare Bedingung für erfolgreiches Lernen; insbesondere wenn es darum geht, Begabte durch Herausforderungen zu fördern und Underachievement (Minderleistungen) zu vermeiden. Die Spannbreite zwischen Anreicherung und Unterstützung auch bei begabten Kindern ist für die Gestaltung des Unterrichts wichtig. Es geht darum Förderung für Begabte zu planen, zu organisieren und durchzuführen. …

Die individuelle Förderung Begabter im Unterricht setzt u.a. auf nachfolgende Gelingungsbedingungen:

– Die Stärken und Interessen stehen im Mittelpunkt, um die Fähigkeit zur Eigeninitiative und das Selbstbewusstsein zu fördern.

– Unterstützung der eigenständigen Lernfähigkeit und Lernerfolge für Begabte sind notwendig, um eine positive Lerneinstellung zu bewirken.

– Differenziertes Umgehen mit fachlichen Inhalten (z. B. unterschiedliche Aufgabenformate), Materialien, Unterrichtsformen, Methoden, und Verändern der Lernumgebung sind didaktische Wege.

– Beratung und Begleitung von Einzelfällen, d.h. individuelle Schullaufbahnregelungen sind hilfreich.“

(Quelle: www.schulministerium.nrw.de)

Hier werden im Zusammenhang mit individueller Förderung auch die begabten Kinder genannt. Individuelle Förderung meint jedes Kind, und es soll nicht nur der Focus auf die Förderung von Defiziten gelegt werden (wie es häufig der Fall war und mitunter immer noch ist).

Und wann ist es dann endlich so weit, dass man für etwas, das man noch nicht kann, in der Schule nicht mehr automatisch mit „Fehler“ bestraft wird?

Der von Eltern häufig geäußerte Wunsch nach einer Unterrichts- und Lerngestaltung, die sich an den Bedürfnissen des einzelnen Kindes orientiert, kommt in diesen „Bedingungen (Voraussetzungen) zum Gelingen einer individuellen Förderung“ zum Tragen. Auf der genannten Internetseite wird die Begabungsförderung sogar als „zentrales Element individueller Förderung“ bezeichnet.
Eine individuelle Schullaufbahnregelung beginnt

  • mit der Überlegung, welcher Einschulungstermin für das Kind gut passt,
  • mit der Auswahl der geeigneten Grundschule

und umfasst schließlich Überlegungen bezüglich

  • eines Überspringens von Klassenstufen,
  • der möglichen Teilnahme an Unterrichtsstunden/Kursen in höheren Klassen,
  • des Einbeziehens außerschulischer Lernorte,
  • der Teilnahme an Wettbewerben o.ä. oder
  • der Teilnahme an Seminaren in Universitäten.

Auch die Gestaltung reibungsloser Übergänge von einer Schulform zur nächsten ist wichtig. Das Gesetz schenkt dem Erreichen einer bruchlosen Lernbiografie im Rahmen der Begabungsförderung besonderes Augenmerk. Die Ausführungen im Gesetz beziehen sich auf die zuvor genannten Punkte zur individuellen Schullaufbahnregelung. Sie bezeichnen eine individuelle Schullaufbahngestaltung, die Beratung und Begleitung von Begabungen durch die gesamte Schulzeit hindurch als „Kerngeschäft individueller Förderung“.

In dem Kapitel „Grundlagen schaffen“ heißt es:

„Lehrkräfte stellen im Unterricht ständig Beobachtungen an. Bei begabten und hoch begabten Schülerinnen und Schülern stehen diese Beobachtungen in engem Zusammenhang mit Herausfordern und Fördern (Enrichment, Akzeleration u.a. Maßnahmen).

Um den Prozess der pädagogischen Beobachtung für die Begabtenförderung nutzbar machen zu können, sind Orientierungspunkte notwendig. Pädagogische Beobachtungskompetenz blickt auf das Individuum und beachtet auch Beziehungsstrukturen, Interessen u.a. um Aufschluss über beeinträchtigende bzw. förderliche Bedingungsfaktoren der kindlichen Entwicklung begabter Schülerinnen und Schüler zu geben.

Daraus ergeben sich spezifische Anforderungen an Beobachtungskompetenz:

– die gezielte Suche nach Bedingungsfaktoren der Lernausgangslage des begabten Kindes,

– das Ansetzen an Stärken und Ressourcen des Kindes,

– Nutzen unterschiedlicher Beobachtungsperspektiven als Grundlage für Herausforderungen (Enrichment) und „schnelleres“ Lernen (Akzeleration) im Unterricht.

(www.schulministerium.nrw.de )

Siehe auch: Akzeleration und Enrichment.

Diese Beobachtungskompetenz setzt voraus, dass die Lehrkraft

  • über sinnvolle Konzepte verfügt und diese einsetzt, um eine individuelle Förderung für das Kind zu erreichen,
  • sich mit Beginn der Grundschule ein umfassendes Bild über die bestehenden Fähigkeiten und Fertigkeiten des Kindes verschafft, an denen sie anknüpfen kann,
So manche Erzieherin würde dabei gerne helfen – sie kennt ja die Kinder.
  • die Stärken und Ressourcen ihrer Schüler kennt und daran im Unterricht anknüpft. Das heißt: Kompetenzen aufgreifen und weiterentwickeln,
  • geplante Einzelgespräche (Lehrer/Schülergespräche) über den aktuellen Stand sowie weitere Perspektiven durchführt.
Ist dafür auch vorgesehen, dass die Klassen kleiner werden?
  • einen Einblick darin hat, wie die Schüler in der Klassengemeinschaft miteinander umgehen.
  • Ausgrenzungen und Mobbing gegenüber einzelnen Schülen /Schülerinnen erkennt und dem sinnvoll entgegenwirken kann,
  • an einer Zusammenarbeit und einem Austausch mit Eltern und anderen Institutionen interessiert ist, um verschiedene Beobachtungen zusammen zu tragen, die als Grundlage einer individuellen Förderung genutzt werden können.

Im Weiteren heißt es in diesem Kapitel im Gesetzestext, dass Lehrkräfte erkennen sollen, wann

„ ein Einsatz insbesondere von Intelligenztests sinnvoll ist und wie diese für das Herausfordern und Fördern begabter Kinder nutzbar gemacht werden können“.

Aus dieser Formulierung ergibt sich die Schlussfolgerung, dass vorausgesetzt wird, dass Lehrkräfte

  • Offenheit zeigen für das Thema Diagnostik, Intelligenzdiagnostik und pädagogisch-psychologische Testverfahren,
  • sich mit dieser Thematik vertraut gemacht haben,
  • Fortbildungen zu dieser Thematik wahrnehmen,
Wird denn schon genügend Fortbildung dazu angeboten?
  • Eltern gegenüber Gesprächsbereitschaft signalisieren in Bezug auf die Thematik Hochbegabung sowie Diagnostik,
  • Eltern an Stellen verweisen können, die eine umfassende und fundierte Diagnostik durchführen,
  • Testergebnisse, mit denen Eltern an sie herantreten, interpretieren können,
  • Die Ergebnisse und Empfehlungen aus der Diagnostik für den Schüler /die Schülerin in den Unterricht integrieren, damit dieser/diese Herausforderungen und eine individuelle Förderung sowohl auf kognitiver wie auch auf emotionaler Ebene erlebt.

Kontakt zu Grundschulen den Übergang positiv gestalten .

Barbara Teeke

IHVO-Master-Zertifikat 2005

Copyright © Barbara Teeke 2007, siehe Impressum .

Datum der Veröffentlichung 15.9.07 /Version 15.9.07