Beispiel von Hanna Vock

Eine Mutter berichtete mir Folgendes:
Gestern hat mein Sohn (4;6) plötzlich gesagt:
„Mama, mein Kopf ist irgendwie so wie ein Haus. Da gibt es verschiedene Zimmer drin und in jedes Zimmer kommt immer etwas rein, das gleich ist oder zusammengehört. Und in den Zimmern werden dann unwichtige Dinge gelöscht. Die wichtigen Dinge bleiben drin. Vor den Türen der Zimmer stehen Polizisten, die das dann bewachen. Cool, oder?“

Datum der Veröffentlichung: Januar 2021

Beispiel von Hanna Vock

Sven war zusammen mit seinem Freund Tom (beide Namen geändert) in derselben Kindergartengruppe. Von ganz klein auf waren sie und ihre Familien dick befreundet und unternahmen auch am Wochenende viel gemeinsam. Die beiden Jungen kannten sich gut und haben auch im Kindergarten viel miteinander gespielt.

Sven erwies sich als hoch begabt, wurde später auch getestet, Tom war ein aufgeweckter, auch überdurchschnittlich intelligenter Junge, ohne hoch begabt zu sein.

Beide waren nun fünf Jahre alt geworden. Da kam Sven, der hoch begabte Junge, eines Tages im Kindergarten traurig auf seine Erzieherin zu und sagte: „Der Tom kann nicht mehr mein Freund sein.“ Das war unerhört, und die Eltern, die Erzieherinnen, andere Kinder der Gruppe versuchten herauszufinden, was passiert war.

Sven war sehr traurig und verstört, war aber offenbar nicht in der Lage, seinen Entschluss zu erklären, an dem er aber ganz unbeirrbar festhielt. Er ließ sich auf kein gemeinsames Spiel mehr mit Tom ein und wiederholte einige Tage lang immer nur seine Aussage: „Du kannst nicht mehr mein Freund sein.“ Die ganze Zeit litten beide Kinder sichtlich.

Dann kam Sven eines Tages auf seine Erzieherin zu und sprach den Satz, den er sich offenbar längere Zeit überlegt hatte:

„Ein richtiger Freund ist doch einer, mit dem man über das sprechen kann, was einen am meisten bewegt.“

Später fügte er noch hinzu: „Und das ging mit Tom irgendwie nicht mehr.“

Einige Zeit später vertraute er seiner Erzieherin an:

„Mit Tom wollte ich so reden wie mit dir, über den Krieg und so, aber er hat nur gesagt: >Ja, schlimm – aber lass uns jetzt Lego spielen.< Und am nächsten Tag hat er gesagt: >Hör doch auf damit, das nervt.< Und da konnte er nicht mehr mein Freund sein.“

Sven hat lange und intensiv nachgedacht, um seinen Entschluss und seine Gefühle sich und anderen erklären zu können.

Im Verlaufe dieser für einen Fünfjährigen erstaunlichen geistigen Arbeit hat er Konzept bildend gedacht: Er hat für sich ein Konzept von Freundschaft entwickelt, das ungeheuer reif erscheint. Meiner Erfahrung nach erdenken sich Kinder solche Konzepte, wenn überhaupt, erst einige Jahre später.

Weitere Einzelheiten zu diesem Beispiel finden Sie im Beitrag Zum Denken und Fühlen….