von Doris Frese

 

Bernd (3;1) ist jetzt seit einem Monat in der Kita.

Für mich auffallend waren die unten beschriebenen Situationen im Vergleich zur Einlebungsphase der anderen Dreijährigen. Vor allem war der Kontakt (Blick und Sprache) prägnant. Bernd erscheint mir bereits als beobachtende, vergleichende und einschätzende Persönlichkeit, die sich gut abgrenzen und bisheriges Wissen einsetzen kann. Es wäre bedauerlich, wenn diese bereits weit entwickelten Kompetenzen im Alltag verloren gingen, sowie auch die vielen Stärken anderer Kinder, die mir während des Beobachtungszeitraumes deutlich wurden.

    • Bernd hält intensiven Blickkontakt.
    • Seine Sprache ist bereits sehr weit entwickelt.
    • Er beobachtet genau das Tagesgeschehen und folgte bereits am 2. Tag dem „erkannten“ System. Beim Gruppentreff setzte er sich an den gleichen Platz wie am Vortag und verharrte dort bis zur nächsten Aufforderung.
      Wie am vorigen Tag setzte er sich nach dem Kreis an den Frühstückstisch, sagte den Merkspruch: „Essen, Spülen, Zähneputzen, Spielen“, beobachtete, ob die anderen Kinder diese Folge einhielten. Die Abfolge der Frühstücksvorbereitung musste ihm angesagt werden. Am Folgetag erfragte er die Reihenfolge, am darauf folgenden Tag benannte er sie selber, und erst danach handelte er.
    • Am 3.Tag fragte er, wo ich meine Zahnbürste habe.
    • Er erfasste schnell die räumliche Ordnung; so stand er, als die Eigentumsfächer verschoben worden waren, an genau dem Platz, von dem aus er vorher an sein Fach gelangt war, und machte eine „vorwurfsvolle“ Geste zu mir und zur freien Schrankstelle.
    • Er merkte sich auf Anhieb unsere Streitregeln und wies darauf hin, wenn er „Regelwidrigkeiten“ bei Kindern sah.
    • Nach 14 Tagen weinte er und umklammerte die Mutter. Ich bot ihm in Absprache mit der Mutter einen Urlaubstag an. Er nahm an und kam ab dem folgenden Tag wieder problemlos.
    • Als er hörte, dass sich ein Kind vom Frühstückstisch abmeldete, weil es schon zu Hause gefrühstückt hatte, nahm er diese Entschuldigung fortan für sich in Anspruch, wenn er nicht frühstücken wollte.
    • Bernd zählt bis 7, weitere höhere Zahlen nennt er in beliebiger Reihenfolge.
    • Rhythmisch-musikalische Angebote nimmt er sofort auf.

Hier noch einige beobachtete Situationen:

Erstmals weinte er bei uns, als er sich bei einem gemeinsamen Frühstück mit an den Tisch setzen sollte. Das Angebot, sich ohne zu essen neben die Kinder zu setzen, die ihn interessieren, nimmt er an. Den Nachtisch isst er, denn den hatte er zu Hause noch nicht gegessen, so seine Bemerkung.

Ich sitze mit dem jüngsten Mädchen beim Frühstück, Bernd sitzt mir gegenüber. Er beobachtet, wie ich eine Rosine vor eine Dinofigur lege und sie selber esse, sobald das Mädchen wegsieht und also glaubt, der Dino habe die Rosine aufgegessen. Anfangs schaut Bernd sehr ernst; als ich ihm andeute es sei ein Trick, schaut er verschmitzt.

Bernd wurde in eine Pfütze geschubst, ich helfe ihm beim Umziehen. Er geht danach sofort wieder raus mit den Worten: „Jetzt gehe ich aber alleine in der Pfütze planschen oder mit Allen.“

Um den Kinder-Interessen-Fragebogen (siehe Interessen-Fragebogen für den Kindergarten) einzusetzen, bitte ich Bernd in einen Nebenraum, um Ruhe zu haben. Ich sage, dass er Pausen machen kann, was er gleich nach der zweiten Frage „überprüft“. Schließlich möchte er doch weitermachen. Er dreht ein auf der Rückseite bedrucktes Malblatt um mit den Worten: „Die Buchstaben hast du mich noch nicht gefragt.“ Er nimmt mich an der Hand mit zum Bauteppich und sagt: „Hier haben wir auch Ruhe.“

Für ein bestimmtes Spiel brauchen wir einen „schön runden“ Stuhlkreis. Bernd weint, als ich ihn mit dem Stuhl etwas verschiebe, nimmt meine Entschuldigung sofort an und macht mit.

Während des Kreisspieles bin ich mit einem anderen Kind im Nebenraum. Später sagt er zu mir: „Du warst nicht da, jetzt hast du kein Bonbon bekommen.“

Bei der Spielaufgabe, die Kinder an ihrer Stimme zu erkennen, liegt er unter einer Decke. Der Reihe nach sagen die Kinder: „Hallo Bernd“ und er antwortet mit :“Hallo, …“ und nennt jedes Mal den richtigen Namen (obwohl er die Kinder erst kurze Zeit kennt).

Als der Zahnarzt kommt, schaut er zu, lehnt aber sofort ab, seine Zähne ansehen zu lassen. Er sieht auch, dass ich manche Kinder zu der Untersuchung auf den Schoss nehme. Als der Zahnarzt in die Gruppe geht, um die letzten beiden Kinder anzusprechen, weiß Bernd sofort, dass er dabei ist. Er sagt zu mir: „Aber nur mit dir.“

Am Klettergerüst beobachtet er erst lange, dann testet er in niedriger Höhe. Bei der Frage, ob er auch schon höher könnte, beginnt er sofort ganz oben darüber zu klettern und lässt sich von mir oben abholen. Beim zweiten Mal lehnt er sofort jede Hilfe ab, besteht auf einem weiteren Versuch, bevor er sich wieder in die Wartereihe eingliedert.