von Bianca Arens

 

Kira ist nun 3;0 Jahre alt. Ihre Anfangsschwierigkeiten, zu uns Erziehern und zu den anderen Kindern Kontakt aufzunehmen, habe ich beschrieben in: Kira findet in die Gruppe hinein und zeigt, was in ihr steckt.

Ganz allmählich nur hatte sie Kontakt aufgenommen. Auch jetzt ist sie ab und zu noch sehr in sich zurück gezogen, besonders wenn neue Personen in der Gruppe sind, wie wechselnde Praktikanten oder auch Mütter, die ihre „neuen“ Kinder bei uns eingewöhnen. Diese Eltern vermuten dann immer, Kira könne gar nicht sprechen, was nicht der Fall ist; wir halten sie sogar für besonders sprachbegabt.

Sie ist auch nicht inaktiv, denn sie nimmt alles ganz genau wahr und verarbeitet es. Wenn man sie Tage später auf einen Sachverhalt anspricht, hat sie diesen wie einen Film noch genau vor Augen.

Nun in dieser Praxisaufgabe (für den IHVO-Zertifikatskurs) will ich meine Beobachtungen bezüglich ihrer Interessen und Begabungen vertiefen.

 

… kurz gefasst …

Die dreijährige Kira versucht, ihre Begabungen in der Kita gut unterzubringen. Ihre Erzieherin hilft ihr dabei einfühlsam. Kira wird nicht gedrängelt, bei Angeboten mitzumachen, weil deutlich wird, dass sie das nicht möchte; stattdessen folgt die Erzieherin Kiras eigenen Lernwegen und unterstützt sie dabei.

 

Ich möchte versuchen, Kira in verschiedene Angebote zu integrieren, um ihre Interessen genauer heraus zu finden.

Bald wurde mir klar, dass ihr Gruppenaktivitäten, an denen viele Kinder teilnehmen, gar nicht liegen. Es ist auch immer noch so, dass sie bei unserem täglichen Morgenkreis fast nie mitsingt und an manchen einfachen Finger-, Rate- oder Tanzspielen nur äußerst selten teilnimmt. Durch Motivieren oder „Überreden“ ist sie in solchen Fällen nicht zum Mitmachen zu bewegen, obwohl wir alle wissen, dass sie diese Spiele beherrscht.

Aber auch bei anderen Angeboten, bei denen man mehrere Kinder fragt, ob sie teilnehmen möchten, klinkt sie sich aus und möchte meistens nicht mitmachen.

 

Polizei- und Feuerwehrprojekt laufen weitgehend ohne Kira

Innerhalb unseres Polizeiprojektes habe ich immer eine Kleingruppe von Kindern gefragt, ob sie bei kurzen Geschichten oder Sachbüchern zuhören möchten. Anfangs kam Kira mit, beteiligte sich aber nie an unseren Gesprächen.

Nach zwei solchen Situationen wollte sie aber gar nicht mehr mit zum Angebot ins Kuschelzimmer kommen.

Woran kann das liegen? Ich kann mir vorstellen, dass die Gespräche für sie vom intellektuellen und sprachlichen Niveau her unpassend waren.

In der Eins-zu-eins-Situation kann ich mich als Erzieherin da besser an Kira anpassen.

Beim anschließenden Feuerwehrprojekt mit ähnlicher Vorgehensweise war sie dann gar nicht mehr dabei. Sie wollte nicht, obwohl sie ein großer Fan von Büchern ist. Sie lässt sich mehrmals am Tag von mir oder auch sehr gern von unserer Vorpraktikantin etwas vorlesen. Ich wette, sie kennt viele unserer Bücher auswendig.
Oft kommt man mit ihr auch ins Gespräch über die Inhalte der Sachbücher und Geschichten. Doch Bücherbesprechungen in Kleingruppen scheinen ihr gar nicht zu liegen.

((Zum Verstehen beitragen kann hier vielleicht das Beispiel der dreijährigen Evelin in: Beispiele zu: Originelle, ungewöhnliche Gedanken.))

So hatte ich zwar eins ihrer Interessen (Bücher) im Auge, doch es klappte nicht, sie so in ein Projekt mit mehreren Kindern einzubinden, wie ich mir das gewünscht hätte.

Sie bekam beim Vorlesen zwar immer noch die Eins-zu-eins-Aufmerksamkeit, so weit es ging. Aber dann kam eine Zeit heftigen Personalmangels und es wurde sehr schwierig für mich, ein Projekt zu entwickeln, das vielleicht besser auf Kira zugeschnitten war.

Aber ich beobachtete sie weiter.
Sie saß recht oft am Maltisch. Doch mit ihren „Malkünsten“ ist sie nicht weiter entwickelt als andere Kinder im gleichen Alter. Sie verschenkt auch nie ein Bild oder zeigt es den Erzieherinnen, um Anerkennung zu bekommen. Ich denke mir, sie hat gemerkt, dass sie nicht so gut malen kann wie die größeren Mädchen, die mit am Maltisch sitzen.

Ich glaube, dass sie andere Gründe hat, sich zu den größeren Mädchen zu setzen. Die anderen Kinder in ihrer Altersklasse in unserer Kita unterscheiden sich sehr von ihr. Die flitzen immer gern im Flur herum, spielen dort am Getränketisch oder machen Unsinn im Waschraum, was dann nicht immer sofort bemerkt wird. Sie spielen viel im Bauzimmer oder räumen Spiele ein und aus und machen einfach viel Durcheinander. Ich glaube, diese Kinder wissen gar nicht, dass Kira so jung ist wie sie selbst; denn Kira wirkt viel reifer.

Ich denke mir, dass Kira tatsächlich wegen der Gesellschaft der Größeren an den Maltisch geht. Sie hört den Kindern zu oder unterhält sich auch mit ihnen, wenn sie einen „gutgelaunten“ oder „geselligen“ Tag hat.

Sie hat auch neue Freundinnen gefunden; neben Lydie, die diesen Sommer in die Schule kommt, noch Mary, die auch schon fast sechs Jahre alt ist. Wenn die drei Kinder sich unterhalten, ist der Altersunterschied wirklich nicht zu merken. Kira ist ja gerade erst 3 geworden!

 

Kira inspiriert und bestimmt das Spielgeschehen

Häufig sind auch Anton und Benni mit am Maltisch dabei, die ziemlich genau zwei Jahre älter sind als Kira und die, verglichen mit anderen Jungen, viel malen. Mit Beiden hat sie eine Zeit lang einen engen Kontakt gehabt. Auch heute spielen sie noch häufig miteinander, besonders Rollenspiele im Puppen- oder im Kuschelzimmer.

Wenn man die Drei dann ungesehen beobachtet, stellt man aber erstaunt fest, dass sich da die Rollenverteilung klar definiert hat. Bei „Vater, Mutter, Kind“, ob als Menschen oder als Tiere dargestellt, spielt Kira immer die Mutter, die das ganze Spielgeschehen bestimmt. Sie hat den kompletten Überblick und bestimmt, wann zum Beispiel schlafen gegangen wird, wann gefrühstückt wird, wann ins Schwimmbad gefahren wird und was dazu eingepackt wird und andere Einzelheiten. Sie hat dann wirklich alles im Griff.

Auch ist klar, dass sie spieltechnisch viel mehr „drauf hat“ als die beiden Jungen, die gerade fünf geworden sind. Die Beiden – und ganz besonders Anton – passen sich ihren Spielideen an und freuen sich anscheinend über die große Spielvielfalt, die Kira zu bieten hat. Trotzdem ist der Kontakt nicht mehr ganz so eng wie früher.

Kira orientiert sich jetzt an noch älteren Kindern wie Lydie und Mary. Ich denke, auf intellektueller Ebene fühlt sie sich den beiden sechsjährigen Mädchen noch näher als den fünfjährigen Jungen.

Sie sucht nach Kindern, von denen sie selbst auch mehr Impulse erhalten kann.

 

Kira bearbeitet ihre Ängste in einem Rollenspiel

Rollenspiele mag Kira gerne; doch ist es schwierig, wenn man als Erzieherin dabei ist. Eine Zeitlang kam Kira morgens etwas später in die Einrichtung und es stellte sich heraus, dass sie länger schlief, da sie nachts schlecht träumte und oft aufwachte und nur schlecht wieder einschlafen konnte. Sie war in einem Puppenspiel gewesen und davon plagten sie nun Alpträume, erfuhren wir von ihrer Mutter.
Wir sprachen darüber und fanden heraus: Sie konnte nicht verstehen, warum der böse Wolf und die böse Hexe am Ende so schlimm bestraft wurden. Obwohl Kira Wolf und Hexe auch für sehr böse hielt, empfand sie die Bestrafung als zu hart und grausam.

Ich denke, da kommt bei Kira eine hohe Sensibilität ans Licht – in unserer Literaturaufgabe (im IHVO-Zertifikatskurs) hatten wir uns ja damit befasst, dass hoch begabte Kinder oft über besondere Empfindlichkeiten verfügen.
Sie macht sich Gedanken über die im Puppenspiel dargestellten Konsequenzen und nimmt sie nicht einfach hin, wie andere gleichaltrige Kinder dies tun. Anderen Kindern reicht es meistens, wenn das Gute gewinnt und das Böse verliert und bestraft wird.
Aber ihr erschien die Strafe zu hart.

Kira erzählte uns im Kindergarten nichts von ihren Alpträumen. So hatte ich Glück, als ich sie mit Dilara, einem vierjährigen Mädchen, im Bauzimmer spielen sah. In ihrem Spiel kamen ein Junge und ein Mädchen, ein böser Wolf, eine böse Hexe und eine gute Fee vor.
Mit im Zimmer war noch Kevin, gerade drei Jahre alt und damit im gleichen Alter wie Kira. Er spielte irgendwie den Wolf, der Kira zu beißen versuchte. Kira war abwechselnd das Mädchen oder die gute Fee, die sich vor dem Wolf in Sicherheit bringen musste. Auch beschützte sie mit ihrem Körper Dilara, damit der Wolf sie nicht erwischte, und sie wehrte sich mit Bauklötzen, die sie dem Wolf als „hartes Fressen“ gab.

Das Spiel war recht ruhig, nur der Wolf wurde wild, wenn er die Mädchen zu beißen versuchte. Mitten im Spiel machten sie Pausen, um zu beratschlagen und zu planen, wie es weiter gehen sollte.

Ich setzte mich eine Weile hinzu und schließlich durfte ich mitspielen. Kira fütterte mich, als sei ich auch ein böser Wolf. Anders als Kevin, verbalisierte ich als Wolf, dass die Steine zu hart wären und mir die Zähne und der Bauch weh täten. Ich versuchte die Kinder abzuschlecken, mit der Begründung, dass sie so gut röchen und ich so einen großen Hunger hätte.

Tatsächlich gab mir Kira dann anderes Spielzeug zu essen. Beide Mädchen hatten auch einen Riesenspaß dabei, mir etwas hin zu halten, das ich dann nicht erwischte. Ich war irgendwie nicht der böse, sondern der dämliche Wolf.

In dieser Situation erzählte mir Kira, dass sie bei einem Puppenspiel gewesen war und große Angst gehabt hätte. Nachts müsse sie nun weinen. Sie erzählte mir auch die ganze Geschichte des Puppenspiels, aber ihre Schilderung war nicht leicht zu verstehen.

Kommentar:
Hier wäre eine Gelegenheit gewesen, auf die Frage der harten Bestrafung zu kommen, heraus zu finden, was für eine Bestrafung Kira für angemessen hielt und die ursprüngliche Geschichte „umzuschreiben“.

Für mich ist ersichtlich, was für ein tiefes Innenleben Kira schon entwickelt hat. Sie schafft es sogar, ihre Probleme mitzuteilen, nicht nur den Eltern, sondern schließlich auch im Kindergarten. Ich finde, das zeugt von einer weiten Entwicklung.

Ihre Interessen- und Begabungsschwerpunkte liegen offenbar im emotionalen und sprachlichen Bereich. Sie schafft es, die Fragen auszudrücken, die sie intellektuell und emotional sehr packen und beschäftigen.

Kommentar:
Kinder, die dazu schon fähig sind, möchten diese Fähigkeit auch nutzen, um die Welt besser zu verstehen – also sind Gespräche zu ihren Fragen dann auch schon ein wichtiges pädagogisches Mittel.

Das Gespräch fand nur zwischen ihr und mir statt, die anderen anwesenden Kinder waren nicht beteiligt und mischten sich auch nicht ein.

Ich hatte dann die Idee, ein kleines Puppenspiel-Projekt zu machen und die Strafe-Frage dort einzubinden – dies wäre für sie bestimmt interessant gewesen, sie hätte ihre Erfahrungen einbringen können und vielleicht weiter verarbeiten können.
Leider bekam ich nicht die Zeit und Gelegenheit dazu, andere Dinge in der Kita erschienen der Leitung wichtiger. (Anmerkung: Die Autorin arbeitet zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seit längerem in einer anderen Kita.)

 

Eine kleine Lerngeschichte

Aber ich beobachtete Kira weiter.
Eines Tages nahm sich Kira ein Puzzle mit 60 Teilen, auf dem die Arche Noah und viele Tiere zu sehen waren. Sie wollte es mit mir zusammen machen, also setzte ich mich mit ihr zusammen hin.
Eigentlich hatte ich erwartet, dass Kira das Puzzle ohne Probleme legen könnte. Aber sie kippte es aus und konnte es alleine überhaupt nicht. Auf Grund ihrer sonstigen Erscheinung und Reife irrte ich mich in meinen Erwartungen: Sie konnte die Teile nicht zusammen setzen.

Als ich ihr zum Üben ein einfacheres Puzzle anbot, schaute sie mich empört an und schüttelte den Kopf.
Also half ich ihr bei dem 60-Teile-Puzzle. Wir fingen am Rand an und ich schlug ihr vor, wie wir vorgehen könnten, nämlich erst mal Teile mit einer geraden Seite heraussuchen. Auch dabei benötigte sie Hilfe. Ich legte zueinander passende Teile in der richtigen Reihenfolge vor sie hin, so dass sie die Teile nur zusammenstecken musste. Dies klappte nach einiger Zeit auch ganz gut.

Wenn ihr andere Kinder helfen wollten, ließ sie es nicht zu. Sie wollte es alleine schaffen. So dauerte es ziemlich lange, bis das Puzzle ein Ganzes ergab. Als es fertig war, dachte ich, dass sich das Puzzle erst mal erledigt hätte. Irrtum!

Von nun an fragte sie mich jeden Tag, ob wir dieses Puzzle machen könnten – manchmal sogar mehrmals täglich während des Freispiels. Es entwickelte sich ein „Wie lerne ich dieses Puzzle machen-Projekt“.

Sie übte es mit einer bewundernswerten Motivation immer und immer wieder, bis sie besser wurde. Warum gerade dieses ihr so wichtig war, weiß ich nicht. Jedes Mal machte sie weitere Fortschritte; sie arbeitete konzentriert und sprach dabei nur ganz wenig oder gar nicht.

Nach einer Weile ging sie dazu über, das Puzzle ohne meine Begleitung zu machen, was immer viel Zeit in Anspruch nahm. Auch jetzt ließ sie sich nicht von anderen Kindern helfen. Ich denke, hier zeigt sich eine hohe Lernmotivation und es zeigt sich, wie ehrgeizig sie ist und wie selbstständig sie sein möchte.

 

Sind Aktivitäten in großer Gruppe nichts für Kira?

Weiterhin ist es nicht so einfach, sie in Gruppenangebote einzubeziehen. Sie spielt zwar gerne im Turnzimmer, aber bei angeleiteten motorischen Angeboten möchte sie entweder nicht dabei sein oder sie schaut nur zu.

Genauso ist es bei Angeboten im kreativen Bereich: Sie ist meistens Zuschauerin. Nach drei Tagen Ostereier-Anmalen malte sie zwar schließlich auch ihre Eier an, aber dabei saß sie alleine mit mir am Tisch, da die anderen Kinder schon fertig waren.

Jede Eins-zu-eins-Betreuung tut ihr noch gut; sie spielt zwar inzwischen mit anderen Kindern, aber nur in kleinen Gruppen. Bei Angeboten in der Gesamtgruppe hält sie sich sehr zurück. Ich weiß nicht, ob sich das noch ändern wird oder ob es einfach ihrer Wesensart entspricht.

Dann kam eine schwierige Zeit in unserer Kita. Es herrschte seit Monaten Personalmangel, zusätzlich wurde die Leiterin langzeitkrank – und wir mussten in unsere zwei Gruppen sieben Zweijährige aufnehmen, das war eine ganz neue Herausforderung für uns. Alles zusammen brachte uns an die Grenzen der Belastbarkeit und behinderte unsere pädagogische Arbeit sehr.

 

Tanzen, tanzen, tanzen!

Nach den Sommerferien – Kira war inzwischen 3;9 Jahre alt – zeigte sie ein ganz neues Interesse. Wir machten in den stressigen Zeiten häufiger Musik-CDs im Kuschelzimmer an, um möglichst viele Kinder in einem Raum zu beschäftigen. Die eigentliche Regel besagte, dass nur drei Kinder gleichzeitig in diesem Raum sein sollten, damit sie Ruhe für Gespräche, zum Bücher ansehen und zum Ausruhen finden können. Aber wie sich vieles in den letzten Wochen änderte, weil wir sonst einfach nicht in der Lage gewesen wären, die Kinder gut zu betreuen, lockerten wir diese Regel. So fanden sich täglich etliche Kinder dort ein und hörten Geschichten oder Musik von einer CD.

Kira hatte einen zweiwöchigen Urlaub in Ägypten hinter sich, und uns fiel sofort ein neues Verhalten an ihr auf. Sobald Musik ertönte, fing Kira an, mit den Hüften zu wackeln oder sich mit erhobenen Armen im Kreis zu drehen. Vor den Kindern hatte sie offenbar genug Selbstbewusstsein, um zu tanzen, aber sobald sie bemerkte, dass ein Erwachsener ihr zusah, zeigte sie diesen Mut nicht mehr.

Trotzdem kam mir sofort die Idee für ein Tanzprojekt in den Sinn, die ich wieder mal aus Zeitmangel nicht umsetzen konnte. Ich nutzte alle Chancen, um Kiras neuer Leidenschaft weiter Futter zu geben, zu beobachten und dabei zu sein.
So machte ich bei Regenwetter oder nachmittags, wenn sie mal länger da war und die meisten Zweijährigen abgeholt waren, eine Musik-CD an und rief die Kinder zum Tanzen zusammen.

Kira war immer interessiert dabei und wurde in ihren Tanzbewegungen immer freier und lockerer. Man konnte sie nicht ganz offensichtlich dabei beobachten, aber wenn sie eine unter vielen war, tanzte sie mit viel Eifer ohne Unterlass.

Als wir die Regeln im Kuschelzimmer wieder stabilisierten, damit auch das Ruhebedürfnis aller Kinder nicht zu kurz kam, machte ich weiterhin oft Musik für Kira an. Kira, Anton und Benni tanzten dann, so viel sie konnten. Besonders zu Anton vertiefte sich die Freundschaft wieder, weil er ihr Tanzinteresse am deutlichsten teilte.

Anton liebt Kira nach seiner eigenen Aussage sehr, malt viele Bilder für sie und möchte nur Kleidung anziehen, die Kira gefällt. Es ist deutlich, dass Kira in ihm ihren besten Freund gefunden hat, und so ist nicht erkennbar, dass sie die großen Mädchen vermisst, die jetzt in der Schule sind.

 

Doch noch ein kleines Tanzprojekt

Letztendlich bekam ich dann doch noch die Zeit, um mit Kira und einigen anderen Kindern ein kleines Tanzprojekt zu machen. Es nahmen fünf Kinder teil; außer Kira (3;10), Anton (5;8) und Benni (5;8) auch noch Kevin (3;11) und Fee (3;2).
Kevin hatte sich als erster gemeldet und er war auch immer sehr aktiv dabei, wenn Tanzmusik angestellt wurde. Allerdings verwechselte er Tanzen oft mit Herumwirbeln und Rennen. Aber er wollte so gerne mitmachen, dass ich ihm die Chance geben musste.
Fee ist ein kleines, kluges, offenes Mädchen, bei dem wir auch eine besondere oder sogar hohe Begabung vermuten.

Ohne von „Angebot“ oder „Projekt“ zu sprechen, bat ich Kira, von zu Hause ihre Lieblingsmusik mitzubringen. Sie stimmte freudig zu und brachte eine CD mit Bauchtanzmusik mit.

Zunächst setzten wir die CD bei einem Bewegungsangebot mit vielen Kindern im Turnzimmer ein. Nach verschiedenen Laufspielen, bei denen Kira erwartungsvoll mitmachte (!), spielten wir zum Schluss „Stopptanz“ zu Kiras Musik. So konnte Kira schon mal, in der Masse verschwindend, zwischen vielen Kindern zu ihrer Musik tanzen.

Das Tanzen in der kleinen Projektgruppe fand dann in den nächsten Tagen im vertrauten Kuschelzimmer statt. Die Kinder waren gespannt. Wir setzten uns im Kreis, und ich erzählte, dass ich beobachtet hatte, wie gern sie tanzen, und erwähnte dann, dass Kira ihre Lieblingsmusik aus dem Ägypten-Urlaub mitgebracht hätte, nach der wir tanzen könnten.
Dieses Hervorheben aus der Gruppe gefiel Kira anscheinend sogar, denn sie nickte, wenn auch schüchtern, und lächelte dabei.

Nun schlug ich vor, dass wir tanzen und Einiges ausprobieren könnten: Einer macht Tanzbewegungen vor und die Anderen machen sie nach. So lief es dann auch. Besonders Benni hatte viele Ideen und machte viele umfangreiche Bewegungen vor. Aber zu meiner Überraschung machte auch Kira des Öfteren die Vortänzerin. Es waren zwar keine Bauchtanzbewegungen, wie ich es bei ihr schon mal unbemerkt beobachtet hatte; ihre Bewegungen erinnerten eher an eine Ballerina, aber sie war sehr selbstbewusst dabei.
Mit dem Einstieg ins Projekt war ich zufrieden.

Kira und Benni zeigen wirklich Talent zum Tanzen!

 

In den nächsten Tagen trafen wir uns immer wieder zum Tanzen. Kira machte immer mehr Tanzbewegungen vor, inzwischen auch raumgreifender und bauchbetonter.

Wir verlagerten das Tanzen ins größere und hellere Turnzimmer. Bei der Abschlussbesprechung eines Treffens überlegten wir, wie wir weiter vorgehen könnten. Ich hatte gedacht, dass sie vielleicht einen gemeinsamen Tanz einüben wollten, aber sie wollten so weiter machen wie bisher: Ein Kind tanzt vor, alle anderen tanzen nach.

Ich war einverstanden. Es ging mir ja auch sehr um Kiras Entwicklung und ich sah, dass Kira es wirklich hervorragend machte. Während der Treffen sprach sie nicht viel, aber ihr Tanzen wurde immer ungezwungener. Oft lachte sie frei und laut, und ihre Tanzeinlagen wurden wilder und ungehaltener. Ihre früher zu beobachtende Zurückhaltung und körperliche Anspannung lösten sich.

In einer weiteren Besprechung fragte ich die Kinder, ob wir vielleicht eine Vorführung für die anderen Kinder machen wollten. Vier Kinder waren begeistert; Kira sagte eigentlich nichts dazu, aber in ihrem Gesicht war auch keine Ablehnung zu erkennen.

Also versammelten wir eines Morgens alle Kinder im Turnzimmer. Ich wollte es nicht ganz so offiziell machen, erzählte nur kurz, dass wir einen ägyptischen Tanz vortanzen wollten, und schon ging’s los.

Benni und Kevin waren sofort mit vollem Eifer dabei, Fee hielt sich ein klein wenig zurück und Anton blieb einfach stehen und machte erst mal gar nichts. Kira wippte neben Anton etwas hin und her und wusste anscheinend nicht so recht, wie sie sich verhalten sollte.

Die Musik war aber für einige der zuschauenden Kinder so mitreißend, dass sie ziemlich bald mittanzten. Sie machten die vorgegebenen Bewegungen einfach mit. Nun entspannte sich auch Kira wieder und konnte ihre herkömmliche Tanzfreude zeigen.

Bei dieser „Vorführung“ tanzten wir zwei Lieder, und die Kinder hatten offensichtlich sehr viel Spaß dabei. Später am Vormittag machten wir draußen auf unserem Spielplatz die CD wieder an und tanzten, während uns die Sonne beschien. Vielleicht wurden bei Kira noch einmal Urlaubsgefühle wach, denn sie tanzte versunken im Sonnenschein.

Im übrigen wünsche ich mir bald wieder bessere Arbeitsbedingungen, damit ich intensiver und kontinuierlicher mit den Kindern arbeiten kann!

 

Datum der Veröffentlichung: Februar 2013
Copyright © Hanna Vock, siehe Impressum