von Lucy Rüttgers

 

Wie es zur Themenwahl kam:

Bereits im Buchstabenprojekt erwähnte Edith (Name geändert) (inzwischen 5;4), dass sie als nächstes unbedingt rechnen lernen möchte und zu Hause mit ihrer Mutter auch schon etwas damit angefangen habe. Ich versprach ihr, dass wir nach unserem Buchstaben-Projekt ein Rechen-Projekt machen könnten. Sie war begeistert.

Zwischenzeitlich war mir aber auch Ediths musikalisches Interesse aufgefallen. Also klärte ich nochmals in einem Gespräch mit ihr alleine, ob für sie denn nun eher ein Musik-Projekt angesagt wäre oder ob wir erst das Rechen-Projekt und dann anschließend ein Musik­-Projekt machen sollten? Sie war sich sehr sicher, dass sie unbedingt zuerst rechnen lernen wollte. Das Musikangebot wollte sie dann gerne danach machen.

Die Entstehung der Zweier-Gruppe:

Bereits beim Buchstaben-Projekt war es mir wichtig, Edith und Lotte (6;1) (Name geändert) einander näher zu bringen. Einerseits sind es zwei sehr unterschiedliche Kinder, mit unterschiedlichen Interessen und Bezugspersonen, andererseits sind beide sehr leistungsstark und beiden fehlt auf dieser Ebene eine Vertrauensperson, eine Freundin, mit der sie sich austauschen können. Außerdem hat sich herausgestellt, dass Beide im nächsten Sommer gemeinsam die Schule und unseren Hort besuchen werden. Somit würde es wohl Beiden gut tun, eine „Verbündete“ zu haben.

 

…kurz gefasst …

Edith (5;4) ist ein sehr lernbegieriges Kind, auch was den Umgang mit Zahlen betrifft. Ihre Erzieherin erarbeitet mit ihr und einem weiteren Mädchen auf flexible Weise mathematische Kenntnisse.
Dabei zeigt sich, dass beide Kinder hoch motiviert bei der Sache sind.

Und es wird deutlich, dass sogar bei zwei Kindern, die beide sehr weit sind, noch individuelle Differenzierungen sinnvoll sind.

Meistens fehlt Erzieherinnen die Zeit für so intensive Förderprozesse, aber der Bericht macht deutlich, dass in wenigen Stunden viel erreicht werden kann, nicht nur für das Wissen und Können der Kinder, sondern auch für ihre Persönlichkeitsentwicklung.

Beim Buchstaben-Projekt gab es Situationen, in denen Lotte und Edith noch ohne die anderen Kinder weiter gearbeitet haben. Dabei habe ich auch den ähnlichen Leistungsstand der Beiden beim Lesen festgestellt. Die Zusammenarbeit beim Buchstaben-Projekt hat noch nicht zu einem Freundschaftsaufbau gereicht. Dennoch glaubte ich bei Beiden eine große Akzeptanz für die andere zu spüren. Vor Projektbeginn sagte ich zunächst zu Edith, der ich dieses Projekt ja versprochen hatte: „Ich würde es schön finden, wenn auch Lotte mitmacht. Bist du damit einverstanden? Wenn Ja, könnten wir Lotte fragen, ob sie mitmachen will.“
Edith war einverstanden. Das gemeinsame Gespräch mit Lotte ergab dann, dass sie am Rechen-Projekt teilnehmen wollte.

Projektbeschreibung:

Der mathematische Bereich ist sehr groß und bietet viele Möglichkeiten. Mir bleiben aber aufgrund der Personal-Urlaubs/Krankheits-Situation nur 12 Tage bis zum Abgabetermin des Berichts für meinen IHVO-Kurs. Deshalb kann ich zunächst nur einen kleinen Bereich abdecken. Ich hoffe aber, über den Abgabetermin hinaus mit den Kindern so lange am Projekt weiterarbeiten zu können, wie diese Interesse haben. So muss es erstmal auch darum gehen, heraus zu finden, wie weit Edith und Lotte sind und was sie besonders interessiert. Ich hoffe, dass dabei auch schon gute Förderung für sie herauskommt.

Wie auch schon beim Buchstaben-Projekt, habe ich den so genannten Roten Faden gestaltet. Der konkrete Projektablauf soll auch hier von den Kindern selber gestaltet/entschieden werden – nach ihren Interessen und Wünschen. Bei diesen beiden Kindern kann ich mir das auch sehr produktiv vorstellen.

Die vorab von mir gewählten Inhalte des Projektes sind:

Zahlen:
Zählen, Zahlen benennen / erkennen (lesen), wobei der Zahlenraum von den Kindern bestimmt wird,
Zahlen schreiben. Evtl. über die Stärke der Kinder, nämlich Lesen zu können, auch das Lesen und Schreiben von Wortzahlen lernen. Zahlen entsprechende Mengen zuordnen.

Rechenarten:
Plus-, Minus-, evtl. Geteilt- und Mal-Aufgaben.

Maße:
Messen von Gegenständen, Längen, Breiten;
Maßeinheiten: Millimeter, Zentimeter und Meter.
Messinstrumente: Lineal, Metermaß, Maßband.

Gewichte:
Waage,
Gewichtseinheiten: Gramm und Kilogramm

Rechengeräte:
Kinderrechenmaschine (mit Kugeln im 10er-Modus / Abakus), Rechenkette (selbst erstellt im 10er-Modus), Taschenrechner, Kassen­-Rechenmaschine, die Belege ausdruckt.

Stellenwert der Zahlen:
Einer, Zehner und evtl. Hunderter einordnen

Über den genauen Projektablauf, die Inhalte und die Projektdauer, sollen die zwei Projektkinder selber bestimmen.

Erstes Angebot:

Zielsetzung: Die Auswahl zum ersten Themeninhalt treffen.

Vorhandene Materialien: Waage, Metermaß, ein Spiel mit Zahlen / Mengen,
ein in vier Teile geteilter Apfel, ein in zwei Teile geteilter Apfel, ein Messer.

Ablauf:
Wir hatten ein Gespräch über das Zählen und die Zahlen. Dann schauten wir uns gemeinsam das Zahlenspiel an. Es besteht aus Holzquadern in verschiedenen Größen, jede Größe entspricht einer bestimmten Menge. Auf jedem Quader steht die zugehörige Zahl in Form des englischen Wortes, also zum Beispiel „seven“ für die Zahl 7. Zusätzlich ist die Zahl auf den Quadern durch entsprechend viele Linien dargestellt.
Die Quader passen zusammen in eine Holzkiste, in einer Reihe immer die Zahl 10 ergebend. Es sind unterschiedliche Zusammensetzungen möglich.

Diese Systematik des Spiels und die Aussage des einzelnen Quaders haben die Kinder erarbeitet.
Dann haben wir über die Waage und das Metermaß gesprochen, über ihre Bedeutung und ihre Einsatzmöglichkeiten, und die Kinder haben Beides ausprobiert.

Anhand der Äpfel haben wir die Rechenarten: Plus, Minus und Geteilt erarbeitet.

Schließlich hatten die Kinder darüber zu entscheiden, womit sie das Projekt beginnen wollten. Ergebnis: In vollkommener Einigkeit wollten Beide beim nächstenTreffen mit dem Metermaß messen.

Dauer: ca. 30 Minuten. Die Kita gab mir nicht mehr Zeit.

Beobachtungen im Angebot:

Edith war über das frühe Ende enttäuscht, obwohl ich es vorab angekündigt hatte.

Beide Kinder ergänzten sich in ihren Kenntnissen. Edith kombinierte mit den Äpfeln sofort unterschiedliche Plus­- und Minus-Aufgaben. Lotte verstand schneller als Edith die Teilungsaufgaben.

Beide Kinder gingen rücksichts- und respektvoll miteinander um.

Das Metermaß und seine Technik des Auseinander- und Zusammenklappens fanden beide sehr spannend. Sie erschienen für das nächste Treffen sehr motiviert.

Zweites Angebot:

Zielsetzung:
Kennen und benutzen lernen unterschiedlicher Messinstrumente, Maßeinheiten kennen lernen und anwenden.

Ablauf:
Beide erhielten ein Arbeitsheft im DIN A4-Format geschenkt. Sie haben es stolz mit ihrem Namen versehen.
Teil 1
Gemeinsames Anschauen und kurzes Ausprobieren der Messinstrumente.
Sie benannten die Zahlenreihen am Lineal. Dass beide Kinder sehr weit zählen können – mit ein paar Lücken – ist mir bekannt. Jetzt will ich erfahren, ob sie auch Zahlen im 10er-Bereich lesen können, um überhaupt ein Messinstrument einsetzen zu können. Es zeigt sich, dass sie es schon können.

Zur Vertiefung und Erweiterung ihrer Fähigkeiten schreiben sie die Zahlenreihen von 1-10 und von 10-20 ins Heft, mit Hilfe eines Lineal, das bis 30 cm reicht.

Nach Aufforderung schreiben sie noch die 30, 40 und 50 unter die 20. So können sie außerhalb unseres Angebots die Zahlenreihen ergänzen und sie haben es auch beide getan.

Teil 2
Anhand des Lineals lernen sie die Maßeinheiten Millimeter und Zentimeter kennen – sowie deren Schreibabkürzung MM und CM. Ich wählte Großbuchstaben, da sie den Beiden geläufiger sind.

In ihrem Heft hielten sie die neue Information fest:  10 MM = 1 CM.

Teil 3
Jede maß für sich alleine kleine Gegenstände, die im Raum zu finden sind, mit dem Lineal.

Wer wollte, sollte die Messergebnisse ins Heft schreiben. Edith tat es.

Dann maßen die Beiden gemeinsam große Gegenstände und Abstände mit dem Metermaß oder mit dem Maßband, je nach ihrer Wahl.

Dauer bis hierhin: 1 Stunde und 15 Minuten.

Als Edith noch weitere Aktivitäten anmeldet, zieht sich Lotte mit den Worten: „lch kann nicht mehr“ aus dem Angebot zurück.

Beobachtungen im Angebot:

Lotte ermüdete der theoretische Teil sehr schnell. Als es dann aber praktisch mit dem Messen los ging, war sie wieder sehr fit und motiviert. Edith war insgesamt voller Power.

Die Gemeinschaftsarbeit der Beiden war sehr schön. Große Abstände, die sie nicht allein messen konnten, haben sie im Einvernehmen und mit guten Absprachen gemeinsam gemessen. Abwechselnd hielt die eine den Messanfang fest, und die andere las das Ergebnis ab. Die Wünsche der anderen wurden berücksichtigt.

Fortführung des Angebots mit Edith:

Sie möchte mit der Kinder­-Rechenmaschine arbeiten.

Edith schiebt (im 10er-Bereich) die Rechenkugeln zu eigenen Plus-Aufgaben zusammen, benennt diese laut und rechnet sie aus.

Das gleiche macht sie mit Minus-Aufgaben.

Dauer des Anschlussangebotes: 20 Minuten, Gesamtdauer für Edith: 1 Stunde 35 Minuten

Beobachtungen im Zusatzangebot:

Sie war immer noch sehr konzentriert und hoch motiviert und zeigte keinerlei Anzeichen von Müdigkeit. Zu Beginn der Rechenaufgaben zählte sie noch jede Kugel mit dem Finger ab. Nach meiner Anregung, es mal ohne Abzählen zu versuchen, zählte sie zunächst ersichtlich mit den Augen, ohne die Finger zu benutzen. Später benannte sie auch kleinere Mengen, ohne zu zählen. Meinen Tipp, die farbliche Abstufung der Kugeln in 5er-Schritten zu nutzen und erst nach 5 weiter zu zählen, setzte sie teilweise um.

Während sie arbeitete, entdeckte sie im Spiele-Regal das Spiel „Rummikub“ (ein Zahlenspiel) (empfohlen ab 8 Jahren) und hätte dies am liebsten sofort erklärt bekommen. Leider ging dies aus Kita-organisatorischen Gründen nicht mehr. Ich versprach es ihr für den nächsten Tag.

Drittes Angebot:

Zielsetzung:
Vertiefung des Messens und / oder Einführung des Rummikub Spiels.  Erweiterung durch Aufzeichnung des Gemessenen.
Material je Kind: 1 Lineal, Bleistift, Schere, Kleber, Millimeterpapier.

Meine Frage an die Kinder, ob sie denn erst noch mal Gegenstände messen oder lieber das Rummikub Spiel spielen möchten, beantworteten sie einhellig mit: „Messen!“

Teil 1
Rückblick auf den Vortag. Wir sehen uns das bisher im Heft Geschriebene noch mal an. Wir betrachten das Millimeterpapier und vollziehen die Kästchen mit Hilfe des Lineals nach.

Teil 2
Aufgabenstellung: Messen von kleineren Gegenständen der eigenen Wahl, die im Raum zu finden sind, mit dem Lineal. Den Gegenstand mit Hilfe der Messergebnisse auf Millimeterpapier aufzeichnen. Die Länge und Breite des Gegenstandes an die entsprechenden Seiten schreiben.

Zwei Gegenstände haben sie mit meiner Hilfe so aufgezeichnet. Da die Aufgabenstellung doch etwas zu schwer erschien, war die nächste Aufgabe:

Teil 3
Linien zeichnen und ihre Länge daneben schreiben. Ich mache erste Längenvorgaben:
10 cm, 5 cm, 8 cm, 15 cm, danach eigene Wahl. Beide gehen die Aufgabe sehr motiviert an.

Teil 4
Die eben gemachten Zeichnungen ausschneiden und ins Heft kleben. Sie sollen überlegen, wie sie es am besten machen können. Beide wollen jede Zeichnung einzeln ausschneiden.

Dauer: 1 Stunde mit meiner Anwesenheit, und aus Kita­-Organisationsgründen 30 Minuten ohne mich.

Beobachtungen im Angebot:

Beide Mädchen waren hoch motiviert und voller Freude bei der Sache. Lotte arbeitete sehr schnell und selbstständig. Edith war langsamer und unsicherer. Ihr verrutschte häufiger das Lineal und sie hatte Schwierigkeiten, die 0 am Linienbeginn richtig anzulegen. Sie schien aber dadurch nicht gefrustet zu sein. Selbstsicher entschied sie sich für das Einzel-Ausschneiden ihrer Zeichnungen und zwar mit der Wellen- und Zackenschere, bei der es schwieriger ist, nicht aus Versehen etwas abzuschneiden.

Lotte fragt Edith, ob es denn gut mit der Wellenschere funktioniert, und entscheidet sich dann aber doch für die normale Schere.

Eine Schwierigkeit tauchte auf: Dadurch dass die Kinder sich die zu messenden Gegenstände selber aussuchten, ergaben sich bei den Messungen Kommazahlen. Ich erklärte ihnen, dass das Zählen der übrigen kleinen Millimeterlinien eine Zahl hinter einem Komma ergebe. Dabei brauchten sie dann aber doch immer wieder Hilfestellung.

Viertes Angebot:

Zielsetzung:
Am Vortag hatten wir für diesen Tag festgelegt: die Einführung des Rummikub Spiels.
(Das Spiel ist übrigens sehr leicht aus Pappe nachzubauen.)

Das Spiel besteht aus Zahlen-Plättchen von 1 bis 13, jede Zahlenreihe ist in 4 Farben und je zweimal vorhanden. Dazu gibt es 2 Joker. Gespielt wird es ähnlich wie das Rommee-Kartenspiel.

Teil 1
Jeder sucht sich eine Farbe aus und legt die Zahlenreihe von 1 bis 13. Als Hilfestellung bekamen sie beide ein Lineal, auf dem sie die Zahlenreihe nachvollziehen und auch die Richtigkeit kontrollieren konnten.

Das Gleiche machten sie dann mit einer zweiten Farbe noch mal, um sicherer zu werden.

Teil 2
Sie legen gemeinsam gleiche Zahlen in unterschiedlichen Farben zusammen.

Teil 3
Ich erkläre den Joker-Einsatz und die Regel: Es müssen immer mindestens 3 Plättchen nebeneinander liegen.

Teil 4
Spielbeginn: Jede nimmt sich 14 Plättchen, sortiert sie nach der Farbe und legt sie in eine Zahlenreihenfolge. Gewonnen hat am Ende, wer als erster alle Plättchen wieder los ist.
Wer dran ist, kann 3 zusammengehörige Plättchen auslegen, also entweder drei hintereinander folgende Zahlen in derselben Farbe (zum Beispiel: 7, 8, 9) oder ein und dieselbe Zahl in drei Farben (zum Beispiel die 5 in blau, rot und gelb.
Außerdem kann, wer an der Reihe ist, alle Plättchen anlegen, die an die schon ausgelegten Zahlenreihen dran passen.
Während des Spiels konnte ich von beiden Kindern die Zahlenplättchen sehen und ihnen dementsprechend Impulse geben.

An entsprechenden Stellen konnte ich dann noch ein paar Schwierigkeitsgrade einbauen: 1. Man darf aus einer Gruppe eine Zahl entwenden (zum eigenen Gebrauch),
2. Man darf Zahlenreihen auseinander schieben, um eigene, schon vorhandene Zahlen anzulegen,
3. Man darf einen Joker einsetzen.

Dauer: ca. 1 Stunde

Beobachtungen im Angebot:

Beide waren sehr konzentriert bei der Sache. Lotte war im Umgang mit den Zahlen bis 13 sehr schnell und sicher. Ihr unterlief beim Aufstellen der Zahlenreihen kein Fehler. Edith war sicher bis zur 10. Darüber hatte sie Schwierigkeiten. Das Abschauen der Zahlen auf dem Lineal hat ihr bei der Korrektur geholfen. Ebenso wiederholtes Zählen. Ihre Schwierigkeit lag im Erkennen der Zahlen über 10. Sie arbeitete langsamer und sehr überlegt und konzentriert.

Meine Frage, ob ich ihnen noch etwas Schwieriges erklären könnte (siehe die 3 oben aufgeführten Erweiterungen), machte sie beide aufgeregt und stolz und sie hörten sehr motiviert zu. Die noch eingebauten Schwierigkeiten wurden von Lotte besser verstanden und umgesetzt als von Edith. Edith verstand die Zusammenhänge, brauchte aber etwas mehr Zeit als Lotte.

Fünftes Angebot:

Zielsetzung:
Vertiefung des Spiels Rummikub, um den Kindern die Möglichkeit zu geben, es später auch selbstständig zu spielen. Vertiefung des Umgangs mit Lineal und Metermaß, um auch damit noch mehr Sicherheit zu erlangen.

Zwischen dem letzten Angebot und diesem lag ein Wochenende.
Beide Kinder hatten beim vierten Angebot den lnhalt dieses Angebots festgelegt. Dabei hatte ich allerdings das Gefühl, dass Edith nicht ganz so den Wunsch verspürte, das Rummikub Spiel zu wiederholen.

Nun sah es so aus: Edith wollte Gegenstände messen, Lotte wollte Rummikub spielen. Ihre Mutter spielt das Spiel auch und am Wochenende konnte Lotte dann schon mitspielen, erzählte sie stolz.
Edith und  einigten sich darauf, zunächst noch ein paar Messungen durchzuführen und anschließend Rummikub zu spielen.

Teil 1
Beide versuchten zuerst sehr motiviert, riesige Abstände zu messen, bemerkten dann aber ihre technischen und körperlichen Grenzen.

Da mir ihr selbstständiges Handeln wichtig war und uns schon wieder zeitliche Grenzen gesetzt waren, nahmen sie meinen Tipp an, sich für kleinere Gegenstände zu entscheiden. Diese wollten sie dann wieder auf Millimeterpapier aufzeichnen.

Die Kommazahlen stellten wieder ein Problem dar. Zudem fehlte Beiden, wie auch schon bei den ersten Aufzeichnungen, eine gewisse räumliche Vorstellungskraft. Sie hatten Schwierigkeiten, das Rechteck, das vor ihnen lag, abzuzeichnen. Die Längslinie war der erste Schritt und kein Problem. Doch die Breite an der richtigen Stelle zu übertragen, überforderte sie. Beide gingen dann dazu über, das Rechteck als Schablone zu nutzen und einfach darum herum zu zeichnen.
Sie haben also selber eine Lösung für ihr Problem gefunden.

Teil 2
Rummikub. Sie wollten beide, dass ich mitspiele.

Lotte achtete darauf, das Edith ihre Zahlenplättchen nicht sah. Wir spielten das Spiel wie beim letzten Mal. Ich gab beiden Mädchen Impulse und Anregungen, wenn sie nicht alleine auf Lösungsmöglichkeiten kamen. Lotte gewann und unterstützte dann Edith im Spiel gegen mich.

Dauer: 1 Stunde

Beobachtungen im Angebot:

Lotte hatte, auch dadurch dass sie das Spiel schon zu Hause gespielt hatte, mehr „Durchblick“. Sie sah schneller und mehr Möglichkeiten des Plättchenanlegens als Edith. Edith hatte schon beim ersten Spielen ihre eigenen Schwierigkeiten bemerkt und war darum auch nicht so begeistert davon, es noch mal zu spielen. Sie hat einen hohen Leistungsanspruch an sich selbst und scheint es auch nicht zu mögen, wenn andere etwas besser können als sie.

Im Laufe des Spiels gewann sie jedoch an Sicherheit. Mit Hilfe meiner Anregungen machte sie entsprechende Spielzüge – und das Gewinnen von Lotte steckte sie sehr gut weg, mit der Aussicht, mich noch besiegen zu können. Beenden mussten wir das Spiel dann, bevor der zweite Sieger festgestellt war. Beiden verlangte das Spiel eine hohe Konzentration ab. Trotzdem oder gerade deshalb hat es ihnen Spaß gemacht.

Sechstes Angebot:

Am Ende des letzten Treffens äußerten sie beide den Wunsch: Rechenaufgaben ins Heft schreiben.

Zielsetzung:
Die Rechenzeichen + (plus) und = (gleich), evtl. noch – (minus) richtig schreiben und anwenden.
Kleine Rechenaufgaben lösen.

Teil 1
Zur Einstimmung: Beide zählen im Wechsel. Bis 39 schaffen sie es beide ohne Fehler selbstständig. Danach genügen kleine Hilfestellungen, um sie noch weiter zählen zu lassen.

Teil 2
Mit Hilfe des Holzquaderspiels legen die Kinder die Rechenaufgaben, rechnen bzw. zählen die Lösungen aus und schreiben die Aufgaben mit Lösung in ihr Heft:
1+1=2   2+2=4   3+3=6   4+4=8.

Zusätzlich zu dem Holzquaderspiel benutzen beide Kinder ihre Finger zum Abzählen. Lotte hält ihre Finger hin, Edith zählt.

Hier kommt ein wichtiges Telefonat für mich dazwischen. Sie arbeiten selbstständig weiter, legen und rechnen.
Lotte: 1 +2=3, Edith: 2+5=6, verbessert es dann selber.

Teil 3
Edith hat ein Buch mit Zahlenbildern dabei. Das wollen sie beide unbedingt machen. Sie suchen sich beide ein Bild aus, dabei entscheiden sich beide für das gleiche Bild, und ich mache ihnen eine etwas vergrößerte Kopie.
Die Zahlenreihe geht von 1 bis 54 und ergibt ein Vampirbild. Lotte kommt selbstständig bis zur 18 und erfragt dann meine Hilfe. Edith schafft es alleine bis zur 28.
Sie klagt über Halsschmerzen und ihr läuft die Nase. Trotzdem möchten sie beide auch noch das Pharaospiel spielen, das sie im Regal entdeckt haben. (Das Spiel heißt: „Der zerstreute Pharao“, es ist empfohlen für das Alter von 7 bis 16 Jahren.)

Teil 4
Das Spiel geht so: Kleine Pyramiden verdecken Motivkärtchen und Kärtchen ohne Motive. Karten, die man ziehen muss, sagen einem das Motiv, das man unter den Pyramiden zu finden hat. Durch Verschieben der Pyramiden soll man möglichst zu dem zu suchenden Motiv gelangen, ohne andere Motive aufzudecken. Man muss sich also sowohl die Plätze der Motive merken als auch die Plätze, wo keine Motive sind. Anschließend gibt es noch Steigerungen, zum Beispiel kann man das Spiel um 1800 drehen. Den Kindern ist das Spiel schon bekannt.

Hilfestellung benötigen sie da, wo die Schwierigkeitssteigerungen beginnen, da diese kompliziert von den Karten abzulesen sind.

Lotte hat beim Spielende 14 Karten und 22 Punkte erbeutet, Edith hat 10 Karten und 18 Punkte.

Zum Schluss wollte ich noch mit Hilfe der Rechenmaschine (Abakus) gemeinsam mit ihnen den Punktestand ausrechnen, und gab ihnen die Anregung, diese Rechenaufgabe noch in ihr Heft zu schreiben. Lotte machte dies. Edith wollte nicht mehr. Es muss die Grippe gewesen sein.

Dauer: 2 Stunden

Beobachtungen im Angebot:

Auffällig war, dass Lotte so lange durchgehalten hat. Beide gingen wieder sehr nett miteinander um. Lotte durfte in Ediths Heft malen. Beide waren voll konzentriert und motiviert. Das Aufschreiben der Rechenaufgaben ins Heft war für sie viel Arbeit. Manche Zahlen schrieben sie seitenverkehrt. Auch die Platzierung der Rechenzeichen musste erlernt werden,  wobei das für Edith mehr „Neuland“ war als für Lotte, die eine Schwester im dritten Schuljahr hat.
Das Zahlenbild war im Anschluss eine gute Entspannung. Edith merkte ich ihre ausbrechende Erkältung an. Sie war nicht ganz so konzentriert wie sonst und machte untypische Flüchtigkeitsfehler. Trotzdem wollte auch sie bis zum Schluss das Pharao- Spiel spielen. Den restlichen Vormittag haben die Beiden alleine im beliebten Turnzimmer verbracht und dabei fast das Essen vergessen. Edith hat den Nachmittag in der Kita dann schlafend verbracht.

Siebtes Angebot:

Zielsetzung:
Kurze Wiederholung der Plus-Aufgaben (Vertiefung), Einführung von Minus-Aufgaben (ob mit oder ohne Aufschreiben ist von den Wünschen der Kinder abhängig).

Einführung leichter Teilungs-Aufgaben. Selbstständiges Erstellen eines Zahlenbildes.

Teil 1
Kurzer Rückblick auf das letzte gemeinsame Angebot, das schon 6 Tage zurück liegt (Wochenende und wieder mal Personalengpass). Mit Hilfe der Rechenmaschine / Rechentafel sollten beide Kinder nacheinander eine Minus-Aufgabe mit den Perlen legen und benennen. Es bedurfte einer Hilfestellung, damit dies möglich wurde.

Plus-Aufgaben waren beiden Kindern inzwischen geläufig, aber mit Minus-Aufgaben wussten sie zunächst nicht viel anzufangen, obwohl ich dies mit Edith beim zweiten Angebot schon gemacht hatte.

Edith legte dann 3 Perlen, nahm 1 weg, und es blieben 2. Die Rechenaufgabe sollte benannt werden: 3 -1=2.
Mit Hilfe des Quader­-Zahlenspiels konnte das auch nachgelegt werden. Aufschreiben in ihr Heft wollten sie es beide aber nicht.
Um es für die Beiden etwas einfacher zu machen, sollten sie die nächsten Aufgaben mit Hilfe von Filzstiften rechnen.
Lotte rechnete: 2-1=1.
Edith: 5-3=2, Lotte 4-1=3, Edith noch mal 8-4=4, Lotte wollte nicht mehr. Darum ging es dann schon weiter mit:

Teil 2
Versuch, den Kindern Teilungs-Aufgaben verständlich zu machen. Zunächst versuchte ich es mit Hilfe der Filzstifte.

Acht Stifte habe ich und 1 Kind. Wie viele Stifte kann ich ihm geben? Die Antwort war Lotte sofort klar, Edith zögerte noch.

Acht Stifte habe ich und möchte sie gerecht an zwei Kinder verteilen. Wie viele bekommt jedes Kind?
Acht Stifte habe ich und möchte vier Kindern gleich viele Stifte geben. Wie viele bekommt jedes Kind?

Bei Lotte hat es irgendwie Klick gemacht. Für Edith habe ich es dann noch mal ganz offensichtlich gemacht: Wir haben den vier Kindern Plätze zugewiesen und auf jeden Platz reihum die Stifte verteilt. So wurde es klar.

Um es nicht langweilig werden zu lassen, musste jetzt eine Torte her. Jede sollte einen runden großen Kuchen aufmalen.

„Wenn nun 2 Gäste zu Besuch kommen, wie könnt ihr den Kuchen verteilen, damit jeder gleich viel bekommt?“ Für beide Mädchen einfach! Der Kuchen wurde in der Mitte mit einer Linie „durchgeschnitten“.

„Wenn nun 4 Gäste zu Besuch kommen, wie könnt ihr den Kuchen dann verteilen, damit jeder gleich viel bekommt?“ Lotte zieht gleich die zweite Mittellinien durch die Torte. Edith überlegt, ihre Torte betrachtend, länger.

Dann 8 Gäste!
Lotte zieht die entsprechenden diagonalen Linien, auch an der richtigen Stelle. Die Kuchenstücke sind so fast gleich groß. Edith malt sie ebenfalls, wobei sie da auch von Lotte abmalen kann. Zur Veranschaulichung der Kuchenstücke sollten sie verschiedene Farben für die Linien nehmen, die acht Stücke sollten sie nummerieren.

16 Kuchenstücke schaffte Lotte noch gut. Bei Edith gingen die Linien übereinander, wodurch ganz kleine ungleiche Stücke entstanden.

Diese Teilungs-Aufgaben aufschreiben, das wollten sie beide nicht lernen­ – zumindest nicht zu dem Zeitpunkt. Aber sie kündigten sehr motiviert an, die Torte anmalen zu wollen: mit Erdbeeren und Schokolade …

Zuvor haben wir dann noch eine viereckige Torte geteilt. Bei dieser zeichnete Edith – wie bei der runden Torte – zuerst die Senkrechte und die Waagerechte. Dann, um 8 Teile zu erhalten, die Diagonalen. Lotte dagegen zeichnete zuerst die Diagonalen und teilte diese später noch mal – aber so, dass ungleiche Stücke entstanden. Ich glaube, da war ihr die Aufgabenstellung mit der gleichen Größe nicht so klar. Allerdings sieht man das Ergebnis ja erst, wenn die Linien schon auf dem Papier sind, vielleicht wollte sie da auch etwas ausprobieren.

Teil 3
Nach dem wundervollen Ausmalen der Torte fragte ich sie, ob wir aufhören sollen. Sie wollten nicht aufhören!

Ich machte für Edith ein neues Arbeitsblatt. Es enthielt – von oben nach unten geschrieben – die Zahlen von 1 bis 10 als Zahl geschrieben und daneben die entsprechenden Zahlenwörter.
Edith las mir die Zahlen zunächst vor, wobei sie „schummelte“ und nicht das Zahlenwort ablas, sondern die Zahl. Daraufhin habe ich ihr noch fünf Zahlenwörter  – nicht in Reihenfolge und nicht mit der Zahl daneben – aufgeschrieben. Die las sie mir dann vor und begann begeistert mit dem Abschreiben. Sehr sorgfältig und genau!

Lotte malte währenddessen sehr motiviert einen Fruchtspieß (das war eine eigene Idee von Lotte), der für drei Kinder optimal zu teilen ist. Anschließend dann auch noch einen Gemüsespieß. Danach wollte sie die gleichen Arbeitsblätter haben wie Edith. Während Lotte dann die Zahlen las und abschrieb, malte Edith dann Spieße. Lotte schrieb die Zahlen sehr schnell ab und achtete dabei nicht auf die Buchstabengröße oder darauf, gerade zu schreiben (im Gegensatz zu Edith).

Dauer: 1 Stunde und 20 Minuten

Beobachtungen im Angebot:

Die beiden Kinder gingen nicht nur sehr nett miteinander um, sondern es entstand zwischendurch eine lustige Atmosphäre, wo sich beide gegen mich regelrecht „verbrüderten“. Auffällig war auch, dass auch Lotte diesmal kein Ende fand, obwohl sie zuerst, bei den Minus-Aufgaben, ganz müde wirkte. Dass Lotte meistens schneller mit ihren Antworten oder bei ihrer Arbeit ist, scheint Edith nicht zu stören. lch denke, jedes Kind konnte vom anderen profitieren und etwas lernen.

Zum Selbermachen eines Zahlenbildes sind wir irgendwie nicht mehr gekommen. Die Aufgabenstellung des Teilens haben sie beide gut verstanden.

Lesen Sie auch: Grundideen der Mathematik.

Abschlussgedanken:

Zum Projekt:

Der lnhalt des Projekts war für beide Kinder sehr gut gewählt und ist noch lange nicht ausgeschöpft. Beide freuten sich immer, wenn ich sie morgens einsammelte, obwohl sie dann, damit wir genügend Zeit hatten, den „Morgenkreis“ nicht mitmachen konnten. Leider musste ich die Angebote aufgrund von Personalmangel oft früher abbrechen als es für die Kinder passend gewesen wäre. Besonders trifft das auf Edith zu, die eigentlich nie aufhören wollte.

Ich habe versucht, es den Kindern verständlich zu erklären und glaube auch, dass mir dies gelungen ist. Während der Angebote gingen beide Kinder sehr freundlich und geradezu respektvoll miteinander um. Sie gaben sich gegenseitig Tipps und Hilfestellung und waren miteinander sehr geduldig. (Lotte musste zum Beispiel häufiger warten, wenn Edith aufgrund ihrer Gründlichkeit und Genauigkeit noch nicht fertig war.)
Keine meckerte, murrte oder beschwerte sich über die andere. Sie genossen sichtlich ihr Privileg, mit mir alleine gemeinsam diese Angebote durchzuführen.

Ich hoffe, dass es mir gelingt, dieses Projekt mit den Beiden weiter zu führen. Abgesehen von dem großen Wissenspotenzial der Beiden, das gefördert werden muss, und abgesehen von Ediths riesiger intrinsischer Motivation, ist dies auch der beste Weg, den Beiden eine Freundschaft zu ermöglichen. Bis auf die Situation im Turnzimmer, wo die Beiden sehr lange alleine gespielt haben, weiß ich jetzt keine andere zu berichten, in der sie intensiv miteinander gespielt haben. Beide haben so ihre eigenen Spielpartner. Aber das Projekt steht ja eigentlich auch erst am Anfang, und ich glaube, dass sich da noch einiges entwickeln kann.

Zumindest werden sie auf ihre gemeinsamen Erfahrungen zurückgreifen können, wenn sie beide die gleiche Schulklasse besuchen und gemeinsam den Schulweg erleben.

Zu Edith:

Auch beim Thema Rechnen ist Ediths intrinsische Motivation riesig. Allerdings liegt ihr das Sprachliche anscheinend noch mehr. Es war für mich gut, Lotte zum Vergleich dabei zu haben. Lotte ist als intelligentes Kind bekannt – wird allerdings demnächst schon 6 Jahre alt und hat eine Schwester in der dritten Klasse. Edith erst 5;4 Jahre alt, sie ist Einzelkind, beide Eltern sind berufstätig und sie wird meist sehr spät aus der Kita abgeholt.

Wenn ich all dies zusammen betrachte, meine ich, dass Edith sicherlich weit überdurchschnittlich begabt ist und entsprechende Förderung braucht.

Nachtrag:

Sechs Jahre später besteht der Kontakt zwischen Edith und Lotte immer noch weiter und wird durch die Eltern unterstützt. Edith wurde inzwischen getestet und zeigte dabei im sprachlichen Bereich eine hohe Intelligenz.

 

Datum der Veröffentlichung: September 2012
Copyright ©  Lucy Rüttgers, siehe Impressum.