von Larissa Behlau

 

Für meine zweite Praxisaufgabe (im IHVO-Zertifikatskurs) habe ich aus unserer letzten Fortbildung die Idee aufgegriffen, dass am Anfang eines Denkprozesses immer eine gute Frage steht.

Ich möchte daher für mein Team das Märchen „Frau Holle“ mit Fragen vorbereiten. Die Kollegen können dann mit dieser Mappe das Märchen den Kindern vorlesen und im Anschluss daran ein Fragespiel mit ihnen machen. Die Kinder werden so zum Denken und Nachdenken angeregt und herausgefordert.

Wenn diese Mappe gut ankommt, sollen noch weitere Märchen mit entsprechenden Fragen folgen.

Frau Holle

Eine Witwe hatte zwei Töchter, davon war eine fleißig und die andere faul.

Eines Tages fiel der fleißigen eine Spule in den Brunnen. Sie weinte, lief zur Stiefmutter und erzählte ihr das Unglück. Diese schimpfte heftig und sprach: „Du hast die Spule hinunterfallen lassen, so hol sie auch wieder herauf.“ So ging das Mädchen zum Brunnen zurück und wusste nicht, was es tun sollte:

In seiner Herzensangst sprang es in den Brunnen hinein, um die Spule zu holen. Es verlor die Besinnung, und als es erwachte und wieder zu sich kam, war es auf einer schönen Wiese, wo die Sonne schien und viele tausend Blumen standen.

Es kam zu einem Backofen, der voller Brot war. Das Brot rief: „Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich: ich bin schon längst ausgebacken.“ Da holte es mit dem Brotschieber alle Brote heraus.

Danach ging es weiter und kam zu einem Baum, der hing voll Äpfel. Der Baum rief: „Ach schüttle mich, schüttle mich, die Äpfel sind alle miteinander reif.“ Da schüttelte es den Baum, bis keine Apfel mehr oben war. Nachdem es alle Äpfel ordentlich auf einem Haufen gesammelt hatte, ging es weiter.

So kam es zu einem kleinen Haus, aus dem eine alte Frau herausschaute und rief: „Bleib bei mir, liebes Kind, wenn du alle Arbeit im Hause ordentlich erledigst, soll es dir gut ergehen. Du musst nur Acht geben, dass du mein Bett gut machst und es fleißig aufschüttelst, dass die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt; ich bin Frau Holle.“

Weil die Alte ihm so gut zusprach, so fasste sich das Mädchen ein Herz, willigte ein und begab sich in ihren Dienst. Es besorgte alles nach ihrer Zufriedenheit und schüttelte das Bett immer auf, dass die Federn wie Schneeflocken umherflogen.

Dafür hatte es ein gutes Leben bei ihr und hörte kein böses Wort und wurde doch irgendwann traurig. Sie hatte Heimweh, obwohl es ihr hier tausendmal besser ging als zu Hause.

Sie sprach zu Frau Holle: „Obwohl es mir hier sehr gut geht, so kann ich doch nicht länger bleiben, ich muss wieder hinauf zu den Meinigen. Ich möchte wieder nach Hause.“ Frau Holle sagte: „Es gefällt mir, dass du wieder nach Haus möchtest. Weil du mir so treu gedient hast, will ich dich selbst wieder hinaufbringen.“ Sie nahm es bei der Hand und führte es vor ein großes Tor. Das Tor öffnete sich, und als das Mädchen gerade darunter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen herab, und alles Gold blieb an ihr hängen, so dass es über und über davon bedeckt war. „Das sollst du haben, weil du so fleißig gewesen bist“ sprach Frau Holle und gab ihr auch die Spule wieder, die ihr in den Brunnen gefallen war. Darauf schloss sich das Tor wieder, und das Mädchen befand sich oben auf der Welt, nicht weit entfernt vom Haus seiner Stiefmutter. Als sie auf den Hof kam, saß der Hahn auf dem Brunnen und rief: „Kikeriki, unsere goldene Jungfrau ist wieder hie.“

Da ging es hinein zu seiner Mutter, und alle freuten sich, dass sie wieder da war. Das Mädchen erzählte alles, was ihr begegnet war, und als die Mutter hörte, wie es zu dem großen Reichtum gekommen war, wollte sie der anderen faulen Tochter gerne dasselbe Glück verschaffen. Sie musste die Spule in den Brunnen werfen und hinterher springen.

So kam sie, wie die andere, auf die schöne Wiese und ging auf denselben Pfaden weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brot wieder „Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken.“ Die Faule aber antwortete: „Ich habe keine Lust mich schmutzig zu machen,“ und ging weiter. Bald kam sie zu dem Apfelbaum, der rief „Ach, schüttle mich, schüttle mich, die Äpfel sind alle miteinander reif.“ Sie antwortete aber „Nein, es könnte mir einer auf den Kopf fallen,“ und ging weiter. Als sie zu Frau Holles Haus kam, bat sie ihr direkt ihre Dienste an. Am ersten Tag war sie fleißig und hörte auf Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte, denn sie dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken würde. Am zweiten Tag aber fing sie schon zu faulenzen an. Am dritten noch mehr, da wollte sie morgens gar nicht aufstehen. Sie machte auch der Frau Holle das Bett nicht und schüttelte es nicht, bis die Federn aufflogen.

Da kündigte ihr Frau Holle den Dienst. Die Faule war zufrieden und dachte, dass nun der Goldregen kommen müsse. Frau Holle führte sie auch zu dem Tor, als sie aber darunter stand, wurde statt des Goldes ein großer Kessel voll Pech ausgeschüttet. „Das ist die Belohnung deiner Dienste“ sagte die Frau Holle und schloss das Tor zu. Als die Faule nach Hause kam, war sie ganz mit Pech bedeckt und der Hahn auf dem Brunnen rief: „Kikeriki, unsere schmutzige Jungfrau ist wieder hie.“

Das Pech blieb fest an ihr hängen und wollte, so lange sie lebte, nicht wieder abgehen.

Fragen:

Was fiel in den Brunnen?

eine goldene Kugel  eine Spule  ein Eimer

Wo erwachte das Mädchen nach seinem Sprung in den Brunnen?

Wiese  Feld  Wald

Warum wollte das Brot aus dem Backofen gezogen werden?

es war verbrannt  es war ausgebacken  es war fertig

Was rief der Baum, der voller Äpfel hing?

Pflücke meine Äpfel!“  „Hebe meine Äpfel auf!“  „Schüttle mich!“

Worauf soll das Mädchen achten, wenn es das Bett aufschüttelt?

dass die Federn fliegen  dass alles sauber bleibt  dass es ordentlich ist

Warum möchte das Mädchen nach Hause?

es vermisst die Mutter  es hat Heimweh es möchte nicht mehr arbeiten

Wohin führt Frau Holle das Mädchen, damit es wieder nach Hause kann?

Tor   Tür  Brunnen

Was fällt auf das Mädchen herab?

Sterne  Blumen  Goldregen

Wer begrüßt das Mädchen als Erstes?

Esel  Hahn  Hund

Wen schickt die Mutter als nächstes zum Brunnen, um dort reinzuspringen?

die faule Tochter  den faulen Sohn  die faule Dienstmagd

Warum holt die faule Tochter das Brot nicht aus dem Backofen?

sie ist zu faul  sie will sich nicht schmutzig machen   es ist ihr zu schwer

Warum hilft die faule Tochter dem Apfelbaum nicht?

die Äpfel könnten ihr auf den Kopf fallen  sie könnte sich schmutzig machen
sie ist zu müde

Was wollte das faule Mädchen am dritten Tag bei Frau Holle nicht mehr?

das Bett schütteln  aufstehen   Frühstück machen

Was bekommt das faule Mädchen als „Belohnung“?

Goldregen  Sterne  Pech

 

Spielregeln:

Als erstes wird das Märchen vorgelesen. Dann werden auf dem Boden drei Felder markiert. Jedes Feld entspricht einer Antwortmöglichkeit.

Die Kinder stehen am Rand des Raums. Dann wird die Frage gestellt und es werden die drei Antwortmöglichkeiten genannt. Jetzt müssen die Kinder sich entsprechend ihrer Antwort auf ein Feld stellen.

Für jede richtige Antwort wird eine Wäscheklammer angesteckt. So wird am Ende deutlich, wer von den Kindern gewonnen hat.

 

Die fertige Arbeitsmappe!

 

Meine Kollegin, die auch an dieser Fortbildung teilnimmt, wird in ihrer Praxisaufgabe dieses Angebot durchführen und reflektieren.

Wir sind schon sehr gespannt, wie die Kinder dieses Angebot annehmen werden.

 

Datum der Veröffentlichung: Dezember 2020
Copyright © Hanna Vock