Diese Aufzeichnungen einer Mutter stammen von einem Mädchen, das später als hoch begabt getestet wurde. Danke für die Überlassung zur Veröffentlichung!
Hanna Vock

Was ist den Aufzeichnungen zu entnehmen? Die Sprache kam nicht auffallend früh zum Vorschein; dann aber entwickelte sie sich rasant: Von den allerersten nachgesprochenen Worten (Mama, Papa, da) dauerte es bis zu grammatikalisch richtigen Satzgefügen keine 12 Monate. Ein so rascher Entwicklungsverlauf deutet auf eine besondere Sprachbegabung hin; in diesem Fall ist aber auch zu erkennen, dass die kognitive Entwicklung insgesamt beschleunigt ist.
Das ist zum Beispiel zu sehen an dem frühen sinnvollen Gebrauch der Worte „ich“ und „nein“.

1. Vorsprachliche Äußerungen, Übergang zur Wortbildung

Nina (1;3) kann sehr hartnäckig sein, wenn sie sich mit der älteren Schwester um irgendeinen Gegenstand streitet. Sie zetert dann mordsmäßig los, ist sich aber wohl ihrer Unterlegenheit bewusst.
Sie spricht noch nichts außer „Mama“, „Papa“, „da“ – und auch das nur gelegentlich. Sie hat aber großen Spaß daran, alle möglichen Singsänge nachzumachen. Es scheint so, als ob sie das Sprechen mit der „Ganzsatzmethode“ erlernt; sie interessiert sich für den Gesamtklang und die Satzmelodie stärker als für die exakte Wiedergabe einzelner Wörter.
Sie drückt ihre Wünsche sehr energisch lautlich aus, z.B. mit so Ausdrücken wie: „ha hiii!“ (=das will ich haben).

2. Nachsprechen von Worten

(1;4) Sie versucht zum 1. Mal, Worte nachzusprechen: Sie sieht mit der Mutter ein Bilderbuch an; sie sagt nach mehrmaliger Aufforderung ( =du auch=): „Puppe“ und „Ba“(=Ball).
Sie singt die ersten Takte der Hänschen-klein-Melodie nach.

Sie spricht Worte nach, gebraucht sie aber noch nicht selbstständig, um sich verständlich zu machen.
Z.B.
Tee;
Ba=Ball;
Pappe=Puppe;
aa=alle, alle;
be=dreckig, Abfall;
be und aa gebraucht sie spontan.

3. Übergang zum aktiven Sprachgebrauch

(1;5) Sie gebraucht jetzt von sich aus einige Worte, auch wenn sie allein spielt: „Puppe“ und „Auto“, was aber noch ziemlich verwaschen klingt. Sie spricht noch undeutlich, undifferenziert, z.B. ohne o- und u-Laute.

Sie ruft jetzt lauthals „Mama“ und „Papa“ durch die Wohnung. Zu sich selbst sagt sie manchmal „Ina“. Für die ältere Schwester hat sie noch kein Wort.
Sie sieht sich jetzt gern Bilderbücher an.

Eine Woche später benutzt sie folgende Worte aktiv:
Mama, Papa,
Oma, Opa, Teddy, Puppe,
Bei=Brei, Tee, Eier, Be Be=Dreck,Abfall, Ja, aa=alle,alle, Ball,
Auto, Amm amm=fahrendes (brummendes) Auto,
E [hartes e]= nein,will nicht
ata=rausgehen, baba=schlafen
Mam mam=was zu essen
heiß, tsi= tschüß [mit winke-winke]

(1;6) Sie ist sehr durchsetzungswütig, will alles auch haben, dann erschallt der laute Ruf „Ina!!!“
Sie krabbelt und bellt= spielt Wauwau.

neue Worte:
„da“ und „hier“ [hinweisend], „horch“ [wenn sie mich auf ein Geräusch aufmerksam machen will oder eins erwartet – Kassette!]

1 Woche später: neue Worte:
„Ti“=Tisch,
„Eis“,
„aua“=tut weh,ein Wehweh,
„ab“, „an“,
„Baby“,
„Haus“,
„Appe“=Apfel

4. Rasante Zunahme des Wortschatzes; Sprachliche Verneinung

(1;7) Sie lernt jetzt laufend neue Worte. Aus dem unwilligen Knurren, das ihr lange Zeit als Verneinung und als Ausdruck des Nichtwollens diente, ist jetzt ein „Nee“ mit heftigem Kopfschütteln geworden.

Sie sagt „ich“ im richtigen Zusammenhang, wobei aber unklar bleibt, wieweit sie die Relativität des Wortes wirklich schon begreift.

5. Erste kleine Dialoge werden möglich

(1;7)
-Was macht Papa?- „Baba.“ -Und was macht Sofie? Macht Sofie auch baba?- „Ja.“ -Macht Mama baba?- „Mama, nee.“ [Kopfschütteln]

„Auf!“ (=Aufstehen) -Will Nina aufstehen?- „Ja, auf!“ -Na, dann wollen wir Nina mal anziehen.- „Nee, mam mam.“ (=essen)

Nina baut gerne Türme („Tuar“) aus allem Möglichen. Bilderbücher u.ä. betrachtet sie nur, wenn die Mutter dabei ist und mit ihr drüber spricht.

6. Übergang zu Zwei-Wort-Sätzen

(1;8)
„Poppelbei esse!“ (Ich will Kartoffelbrei essen.)
Ähnliche Zweiwortsätze gebraucht sie jetzt ständig, z.B. „Papa Arbeit“. (= Papa ist weg zur Arbeit)

7. Gebrauch von „ich“ und anderen Pronomen (Fürwörtern)

(1;8)
„Mein Auto“, „mein Nunu“ (Nuckel).
Sie versucht manchmal schon Personalpronomen zu gebrauchen: „ich“, „mich“, „du“.
„Hilf mir“
Wenn die Mutter ruft: -Wer hilft mir?- oder -Wer will noch was?-:antwortet sie: „ich“ oder „ich auch“.
[Mutter zur Schwester:] -Soll ich dir noch was geben?- Nina: „Mir auch“.

8. Übergang zu Dreiwortsätzen

(1;8)
„Mag ich nich“, „bauch ich nich“ (z.B. Nuckel oder Keks)
„Mitpielen“, „mit aufräumen“ sind beliebte Wörter.
„Pift geht nich“ (Stift).

9. Heranwagen an lange Worte mit 3-4 Silben

(1;8)
Himmerhimmer = Kinderzimmer
Popapier = Klopapier

10. Übergang zu vollständigen Sätzen, Vergangenheitsbildung

(1;9)
Sie spricht Sätze wie:
„Ina möchte nich auspucken.“ [Beim Hustenschauer, sie will nicht erbrechen.]
[Im Wartezimmer beim Arzt:] „Das Heft find ich nich gut. Dies Heft find ich gut.“
„Das darf nur Mama haben; Ina darf das nich haben.“

[Beim Breiessen:] „Ein Wauwau auf en Föffel emehmt.“ (= ich habe einen Hund auf den Löffel genommen.)
„Nee, den Brei mag ich nich mehr. Möchte lieber noch eine Nane essen.“
Sie spricht abgehackt, aber mit sehr viel Betonung.

11. Reflektion über das eigene Tun, die eigenen Möglichkeiten

(1;11)
„Nee, so ist das nich richtig, muss ich anders machen.“
„Ich komme da nich dran; Mama, hilf mir.“
„Ich weiß das schon, ich habe die Wäsche hier schon aufehängt.“
„Die Poffeln (Kartoffeln) müssen noch kocht werden. Das darf nur Mama machen.“
„Gib das mir mal, ich helfe dir.“

12. Vollständige, grammatikalisch richtige Sätze und Satzgefüge

(2;2)
Sie hat einen längeren Streit mit dem Tagesmutterkind (2;5) der Mutter, das mit Bezug auf die Tagesmutter immer wieder sagt: „Das ist meine Mama.“
Nach einigem Hin und Her findet Nina folgenden Vorschlag:
„Na gut. Das ist deine Mama, aber meine eigene Mama.“.

Zur Mutter: „Nee, aber ich wollte doch wissen, ob du mich mitnimmst zu Wucherpfennig!“ (Supermarkt)

Siehe auch: Kinder unter 3 Jahren – Ab welchem Alter wird es interessant?
Siehe auch: Beispiele zu Kindern unter 3 Jahren

 

Datum der Veröffentlichung: Februar 2018
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