von Hanna Vock

 

Neulich fand ich eine Meldung der Nachrichtenagentur dpa wieder. Sie stammt aus dem Jahre 1998.

Ich hoffe sehr, dass diese Erwartung für Adrian in Erfüllung gegangen ist – und er nicht erkennen musste, dass der Unterricht auch dort für ihn nicht richtig spannend und herausfordernd war.

Bemerkenswert finde ich an der Meldung, dass Adrian sich so klar äussern konnte. Dies ist sicher das Verdienst seiner Eltern.

Er sagt es, wie es für ihn ist – ohne Unsicherheit und ohne dass er Andere abwertet.

Ich möchte alle Eltern hoch begabter Kinder ermutigen, mit ihrem Kind über seine Schulerfahrungen gerade in den ersten Jahren offen und klar zu sprechen, auch wenn das System Schule oder auch einzelne Lehrer dabei mehr oder weniger stark kritisiert werden.

 

  • Fragen Sie Ihr Kind immer wieder und unterhalten Sie sich mit ihm darüber, was es am letzten Tag in der Schule Neues erfahren / gelernt hat.
  • Beziehen Sie Ihrem Kind gegenüber klar Stellung, wenn Ihr Kind Recht damit hat, dass es in seiner Schule nichts oder nur wenig Neues lernen kann.
    Bestätigen Sie es in seiner Einschätzung.
  • Gehen Sie ins Gespräch mit der Schule und legen Sie das Problem dar, das Sie und Ihr Kind damit haben.
  • Betonen Sie, dass Sie gemeinsam mit der Lehrerin / der Schule nach Lösungen suchen möchten, um die Situation zu verbessern.
  • Lassen Sie sich nicht damit beschwichtigen oder verunsichern, wenn Ihnen gesagt wird, Ihr Kind könne sehr wohl etwas Neues lernen, nämlich zum Beispiel
    – sich in der Klassengemeinschaft zurückzunehmen / einzufügen,
    – still zu sitzen,
    – sauber zu schreiben,
    – sich die Stunde über konzentriert zu beteiligen.

Ein kleines Beispiel aus der Praxis, in dem das oft Absurde solcher Antworten zutage tritt:

Ein Junge der zweiten Klasse, der seit 3 Jahren (!) fließend und viele Bücher las,
wurde von der Lehrerin stark kritisiert, weil er nicht still saß und nicht zuhörte, als Folgendes in der Klasse geschah:

Fast die ganze Stunde über sollten abwechselnd die schwächsten „Lesekinder“ der Klasse einfache Texte vorlesen, die anderen Kinder sollten zuhören.

Nicht nur, dass es nach Aussage des Jungen „alberne Geschichten“ waren. Es ging logischerweise sehr langsam, holperig und ohne sinnvolle  Betonung vonstatten.

Versetzen Sie sich bitte in die Lage des Jungen und prüfen Sie sich, ob Sie nicht auch auf dem Stuhl herumgerutscht wären und gestöhnt hätten.

Die Lehrerin bewertete (gegenüber den Eltern) dieses Verhalten des Jungen als mangelnden Respekt vor seinen schwächeren Mitschülern. Ich bewerte die Anforderungen der Lehrerin als mangelnden Respekt vor den leseschwachen Schülern, vor dem hoch begabten Kind und allen anderen Kindern der Klasse.

Frage: Wer sollte dabei was lernen?

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Datum der Veröffentlichung: Juli 2016
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