von Kornelia Eppmann

 

Felix (4;0) hat für sein Alter ein umfangreiches Wissen zu naturkundlichen Themen.
So erzählte er von einem Besuch bei seinen Großeltern. Er war mit ihnen im Wald und sie haben dort einen riesengroßen Ameisenhaufen entdeckt. Felix: „Die Ameisen hatten einen langen Weg vor ihrem Hügel“. Er hat beobachtet: „Die Ameisen haben einen toten Käfer weg getragen, der war größer als sie selber“. Mein Opa hat gesagt: Die Ameisen sind die Waldpolizei und räumen auf“.

Bei Spaziergängen in unserer Umgebung macht Felix viele Entdeckungen in der Natur, wie Tierspuren auf dem Acker. „Die sind bestimmt von einem Hasen und, guck mal, die da von einem Vogel.“

Meiner Einschätzung nach hat Felix eine gute Wahrnehmung und kann logische Zusammenhänge für sein Alter schnell erfassen.
Er will komplexe Abläufe in der Natur verstehen. Ständig stellt er Fragen und hinterfragt, um seinen Wissensdurst zu stillen und Erklärungen zu bekommen.

Ich möchte sein Interesse aufgreifen. Bald ergibt sich dafür ein Anknüpfungspunkt.

Das Gespräch

In einer Gesprächsrunde, in der die Kinder erzählen können, was sie am Wochenende erlebt haben, erzählt Felix (4;0) wieder von einem Besuch bei seinen Großeltern. Er berichtet, der Opa habe mit dem Schorsch (Nachbar) darüber gesprochen, dass viele Bäume im Wald tot sind.

Felix: „Wenn die Bäume tot sind, geben sie uns keinen Sauerstoff mehr, den brauchen wir doch zum Atmen! Haben die alle Bäume abgesägt, oder wie?“

Meine Frage: „Weißt du denn, was „tot“ ist?“

Felix: „Ja, mein anderer Opa war ganz krank, der musste ins Krankenhaus und dann ist der gestorben. Jetzt ist er auf dem Friedhof. Manchmal besuchen wir ihn und stellen Blumen hin.“

Die anderen Kinder erzählen dann auch von gestorbenen toten Tieren und Personen, die sie kannten. Wir sprechen darüber, dass alle Pflanzen, Tiere und Menschen einmal sterben müssen.

Ich frage die Kinder, ob sie draußen die Bäume und Pflanzen schon mal genau betrachtet hätten. „Ja“, kam zur Antwort, „die haben grüne Blätter im Sommer und an dem dicken Nussbaum klettern wir immer hoch, das macht Spaß“.

„Wie mag denn ein toter Baum aussehen?“ frage ich.

Eines der Kinder sagte: „Vielleicht hat der keine Blätter oder sieht schwarz aus.“ Ich zucke mit den Schultern: „Ich kann es auch nicht so genau sagen. Wir haben jetzt Winter, schaut mal aus dem Fenster! Könnt ihr sehen, wie der Baum vor unserer Gruppe aussieht?“

Felix: „Der hat keine Blätter, aber so kleine Kugeln hängen dran“. (Es ist eine Platane.)

„Was meinst du?“, frage ich.
Felix: „Aber der sieht nicht schwarz aus, ich weiß nicht.“

„Ob man die kleinen Kugeln essen kann?“ frage ich in die Runde. „Nein“, erwidert eines der älteren Kinder, „da sind die Samen drin und wenn sie herunterfallen, verteilt der Wind sie draußen, daraus können dann neue Bäume wachsen. Manchmal sitzen da auch Vögel dran und fressen die Samen.“

Nun frage ich: „Wen könnten wir danach fragen, wie ein toter Baum aussieht? Wer kennt sich mit Bäumen aus?“

„Mein Opa vielleicht, der ist Förster und Jäger“, meldet sich eines der Kinder zu Wort. (Ein Glücksfall, dann muss ich nicht erst lange nach einem Experten suchen.)

„Das ist eine gute Idee, kannst du ihn fragen, ob er zu uns in den Kindergarten kommen kann?“

Der Waldspaziergang

Ja, in Kürze verabredeten wir uns zu einem Waldspaziergang mit dem Opa. In einem kleinen Laubwald konnten die Kinder – jetzt im Winter besonders gut – die einzelnen Bäume betrachten.

„Was könnt ihr an den Bäumen sehen, wenn ihr durch den Wald schaut?“ fragte der Förster.
Felix: „Die haben keine Blätter, da steht einer ganz schief.“
Der Förster: „Warum haben die keine Blätter?“
Felix: „Weil Winter ist.“
Der Förster: „Richtig; denn im Winter ruhen die Bäume, sie halten so etwas wie Winterschlaf.“
Felix: „So wie die Eichhörnchen, die halten auch Winterschlaf.“
Der Förster: „Ja, richtig.“

Der Förster: „Warum könnte der Baum wohl schief sein?“
Felix: „Vielleicht war das der Wind – oder einer hat den umgeschubst.“

Wir gingen zu einem Baum, der auf dem Boden lag, der Förster befreite ihn an einer Stelle vom Schnee und forderte die Kinder auf, mal genau hin zu schauen. Zum Vergleich hatte er einen frisch abgesägten kleinen Ast mitgebracht.

Felix fragte: „Warum hast du den abgesägt?“
Der Förster: „Manchmal muss man Äste von Bäumen absägen, weil sie über einen Weg hinweg wachsen, man kann dann nicht mehr vorbeigehen. Es schadet dem Baum aber nicht.“
„Mein Papa schneidet auch manchmal die Hecke ab, die wächst dann wieder neu“, bemerkte Felix.

Der Förster: „Was könnt ihr erkennen?“
Felix: „Der da hat runde Kreise und der andere sieht so komisch aus, der hat kleine Löcher.“
Der Förster: „Die runden Kreise nennt man Jahresringe, daran kann man sehen, wie alt der Baum ist. Könnt ihr die Ringe zählen?“

Sie zählten. Felix fragte: „Haben die Menschen auch Ringe innen?“
„Nein“, erklärte der Förster, „die Menschen wachsen nur bis zu einem gewissen Alter, dann nicht mehr und feiern jedes Jahr Geburtstag; so wissen sie, wie alt sie sind.

Der Förster: „Der andere Baum ist morsch geworden, deshalb hat er kleine Löcher, er war krank und konnte nicht mehr genug Nährstoffe aus dem Boden aufnehmen.
Felix: „Was ist `aufnehmen`“?
Der Förster: „Pflanzen nehmen ihre Nahrung und Wasser durch die Wurzeln auf, die im Boden wachsen.“

Felix: „Wo sind denn die Wurzeln von dem Baum jetzt“?
Der Förster: „Die stecken noch hier im Boden und verfaulen.“
„Iiih, Verfaulen stinkt!“ sagt Felix, „Mama hatte mal einen Salat, der war verfault. Puh, das war ekelig!“

Der Förster: „Ja, wenn etwas verfault, riecht es meist nicht so gut. Irgendwann wird aber wieder neue Erde daraus, die nennt man Humus.“

Felix: „Wenn ich krank bin, geht meine Mama mit mir zum Arzt und ich muss Medizin nehmen, damit ich gesund werde. Gibt es Medizin für Bäume?“
„Leider nein“, antwortet der Förster.

Felix versteht es in seinem jungen Alter schon gut, sich durch Fragen und noch mehr Fragen Wissen zu verschaffen.

„Weißt du, wie die Menschen Nahrung aufnehmen?“ fragt der Förster.
„Na, hier!“ zeigt Felix auf seinen Mund, „mit dem Mund.“
Der Förster: „Ja, und wenn wir nichts mehr essen und trinken können, weil wir krank sind, was passiert dann?“
Felix: „Dann verdursten und verhungern wir und sterben. Ich musste schon mal brechen und Mama hat gesagt, ich soll trinken, sonst vertrocknet man.“
Der Förster: „Genau das ist auch mit diesem Baum passiert, er ist vertrocknet und deshalb gestorben, dann abgebrochen. Das Holz zerfällt, man kann es mit der Hand abbrechen.“ Dabei gibt es ein lautes Knacken.

Die Kinder probieren selbst, zwei kleine Zweige zu zerbrechen, und stellen fest, bei dem frisch gesägten Ast geht das nicht richtig ab, der trockene Ast ging leichter durchzubrechen und hat lauter geknackt.

Felix: „Kommt der Baum jetzt auf den Friedhof?“
Der Förster: „Nein, in dem Baum leben jetzt noch viele kleine Tiere, die hier noch Nahrung finden und darin wohnen.“
Felix: „Auch Ameisen?“
Der Förster: „Ja.“
Felix: „Kann man die auch sehen?“
Der Förster: „Nein, im Winter nicht, da verkriechen sie sich, weil es so kalt ist. Erst im Frühling kommen sie wieder heraus. Irgendwann sind die Reste von dem Baum zu neuer Erde geworden, aber das dauert ganz lange.“

Wir verabschieden und bedanken uns und wollen uns später, im Frühling, noch einmal mit dem Förster im Wald treffen, um nach dem toten Baum zu sehen. Es ergaben sich bei den Kindern, vor allem bei Felix, noch jede Menge andere Fragen. Sie gaben Anlass zu weiteren Wald-Besuchen mit dem Förster.

In den Tagen nach unserem ersten Treffen konnte ich feststellen, dass Felix sich weiterhin mit dem Thema auseinandersetzte.
An unseren Pflanzen in der Kita und im Außengelände fand er Ähnlichkeiten: vertrocknete Blumen, knackende Stöcke, die im Herbst abgeschnitten worden sind,er entdeckte eine kleine Maus auf unserem Komposter.

Kommentar der Kursleitung:
Das ist typisch für besonders begabte Kinder: Sie bleiben dran. Aus jeder Antwort entwickeln sie neue Fragen und vertiefen das Gelernte – so sie denn die Gelegenheit haben und Jemand so interessiert und klug auf ihre Fragen eingeht wie dieser Förster…

Das Buch „Tiere bei Nacht im Wald“ schaut er sich gern an und findet darin viele interessante Sachen, die seine Neugier wecken und neue Fragen aufwerfen.

Ich hörte, wie er ein anderes Kind aus der Gruppe fragte: „Hast du schon mal einen toten Baum gesehen?“ „Nö“, sagte das Kind. Felix: „Im Frühling gehen wir wieder in den Wald, dann zeige ich ihn dir ja?

Kommentar der Kursleitung:
Er denkt mit seinen gerade mal vier Jahren auch schon in großen Zeiträumen.

Am Maltisch reflektierten wir noch einmal unseren Waldbesuch, die Kinder hatten jede Menge neuer Erfahrungen gesammelt und fanden den Förster klug, denn er konnte uns viel vom Wald erzählen. Einige Kinder malten Bilder dazu.

 

Mehr über Felix lesen Sie hier:

Experiment „Vulkan“

Felix und das Fotografieren

 

Datum der Veröffentlichung: Februar 2015
Copyright © Kornelia Eppmann, siehe Impressum