Alle Kindernamen wurden verändert.

Hier geht es um das Erkennen von Regeln, nach denen etwas geschieht.

Es geht darum, regelmäßige Muster zu erkennen, wie zum Beispiel die Regeln zum Aufbau einer Zahlenreihe: 3 6 12 24 48 96. Diese Reihe entstand durch Verdoppeln der vorangegangenen Zahl.

Aber nicht nur im Bereich der Mathematik, sondern in allen Bereichen der natürlichen, der technischen und der sozialen Umwelt gibt es Regeln und Gesetzmäßigkeiten zu entdecken. Und es ist auch möglich und für hoch begabte Kinder reizvoll, selbst Systeme zu entwickeln, die nach bestimmten Regeln funktionieren – auch wieder in allen denkbaren Bereichen.

Im Alltag des Kindergartens fällt auf, wenn Kinder zum Beispiel die Regelmäßigkeiten im Tagesablauf oder auch im Wochenablauf sehr schnell erkennen und in ihrem Gedächtnis speichern. Es fällt auf, wenn sie die Regeln, die im Kindergarten herrschen, sehr schnell auffassen und zu beachten versuchen.

Aber schnelles Erkennen von Gesetzmäßigkeiten, Interesse für Gesetzmäßigkeiten kann sich auch darin äußern, dass Kinder in bestimmten Entwicklungsphasen nach bestimmten selbst erdachten Regeln mit Bauklötzen bauen oder Spielregeln früh und schnell verstehen und anwenden können.

Beispiel von Hanna Vock

Jonas ist 5;9 Jahre alt, als er sich dieses Arbeitsblatt nimmt und die Aufgabe ohne Erklärung zügig und völlig fehlerfrei löst:

Jonas zeigt hierbei nicht nur eine für einen 5-jährigen Jungen gute feinmotorische Zeichenleistung, sondern er überblickt auch auf Anhieb die Systematik der Aufgabe. Verblüffend sind sein sicheres geometrisches Auge und sein schnelles Arbeitstempo.
Die Türklinke fügt er in beiden Bildern zusätzlich ein.
Datum der Veröffentlichung: Mai 2016

Beispiel von Arno Zucknick, Berlin

An einem Morgen fiel mir ein Steckbrett auf, bei dem die Löcher wie die Punkte auf einem Halma-Brett angeordnet waren. Ich setzte mich also an einen Tisch und fing an eine Halma-Grundstellung aufzubauen. Jerome (4;11) bemerkte das und fragte, was ich da tue.

Ich erklärte, dass das ein Spiel sei, das man Halma nennt, und fragte, ob er es mal versuchen wolle. Er sagte ja und ich erklärte ihm die Regeln. Er verstand die Regeln sofort – auch das Prinzip des „Leiterbauens“, das einem ermöglicht durch Überspringen in einem Zug größere Distanzen zurückzulegen – und wir konnten direkt ins Spiel einsteigen.

In der ersten Partie musste ich ihn noch manchmal auf Möglichkeiten zum Überspringen aufmerksam machen und die Partie ging an mich. Schon die zweite Partie jedoch ging an ihn – ohne dass ich ihn habe gewinnen lassen! Dabei ließ er sich durch das allgemeine Tohuwabu im Gruppenraum kein bisschen ablenken und spielte sogar noch eine dritte Partie.

Ich wollte es genauer wissen und bot einem fünfjährigen Mädchen aus der Gruppe, das ich auch für eines der wacheren Kinder in der Gruppe halte, an, eine Partie mit mir zu spielen. Es stellte sich heraus, dass sie die Regeln des Spiels nicht annähernd so gut erfassen konnte. So brach sie die erste Partie von sich aus ab, weil sie das Spiel nach eigener Aussage nicht verstand. Dies hat mir noch einmal sehr deutlich den Unterschied in der Auffassungsgabe von Jerome gegenüber den anderen Kindern der Gruppe gezeigt.

Datum der Veröffentlichung: Juni 2012

Beispiel von Hanna Vock, Bonn

Es gibt das wunderbare Bilderbuch „Die kluge Krähe“, dessen Geschichte auf einer alten Fabel gründet.

Siehe: Bilderbücher, Sachbücher und Geschichten .

Diese Geschichte kannte Oskar (3;4) noch nicht, aber sie regte mich zu einem kleinen Versuch an, zumal auch gerade jetzt große Trockenheit herrschte und Wasserschälchen für die Vögel aufgestellt wurden.

Also erzählte ich, dass vor langer Zeit einmal die Vögel auch großen Durst hatten. Sie konnten kein Wasser mehr finden und waren verzweifelt. Dann fand eine Krähe einen hohen, engen Topf, in dem noch ein Wasserrest drin war. Die Vögel setzten sich auf den Topfrand, aber sie konnten nicht trinken, ihre Schnäbel waren viel zu kurz und das Wasser war viel zu weit unten.

Schließlich hatte die Krähe eine Idee. Sie sagte: „Holt ganz viele kleine Steinchen.“ Das taten sie mit letzter Kraft, und die Krähe warf die Steinchen in den Topf.

Mit Oskar spielte ich diese Szene nach. Einen kleinen Glaskrug mit engem Hals füllten wir zu etwa einem Drittel mit Wasser. Dann rollten wir kleine Knetekügelchen, das sollten die Steine sein, und warfen sie eins nach dem anderen ins Wasser. Oskar beobachtete genau und stellte fest, dass die Vögel jetzt bald dran kommen würden.

Ich fragte: „Ist denn jetzt mehr Wasser im Krug als vorher?“

Wie aus der Pistole geschossen antwortete Oskar: „Neiiiin! Das kommt von den Steinen. Wo die Steine sind, kann ja kein Wasser sein.“

Datum der Veröffentlichung: Mai 2011

Beispiel von Hanna Vock, Bonn

Ich konnte beobachten, dass ein Mädchen (2;0) zwei Wochen lang täglich intensiv mit den für sie neuen Duplo-Steinen spielte. Nach drei Tagen ging sie zu streng symmetrischen Bauwerken über. Die gesamte Form jedes ihrer Bauwerke war absolut symmetrisch, aber auch die Verteilung der Bausteine nach Größe und Farbe folgte konsequent den Gesetzen der Symmetrie.

Nach einigen Tagen erfolgreichen symmetrischen Bauens ging ihr Interesse daran zurück. Sie begann nun, (unregelmäßige) Zäune für Tierfiguren zu bauen, wobei eine neue Regel: die Zuordnung 1 Zaungehege – 1 Tier eingehalten wurde.

Sie war mit ihren 2;0 Jahren schon sehr geübt im schnellen Erkennen von Gesetzmäßigkeiten, denn beim Hinzufügen jedes neuen Duplo-Steins musste sie erkennen, ob er den Gesetzmäßigkeiten der Symmetrie entsprach.